Nick Heidfeld ist für mich der älteste 30-jährige, den ich kenne. Vielleicht liegt das nur daran, dass ich ihn seit seiner Formel 3000-Zeit als Reporter begleiten durfte. Daran, dass er schon mit 18 Testfahrer bei McLaren war und ich daher das Gefühl habe, er muss schon seit ewig Formel 1 fahren.

Nick stellt sich nicht ins Rampenlicht., Foto: Sutton
Nick stellt sich nicht ins Rampenlicht., Foto: Sutton

Er war der erste deutsche Pilot der Schumacher-Generation Version 2.0. Also einer jener Kids, die von ihren Eltern als Dreikäsehoch auf die Kartbahn geschickt wurden, weil der Mann aus Kerpen eine nie gekannte Formel 1-Hysterie in Deutschland ausgelöst hatte. Schon als 9-jähriger wusste er auf die Frage von Fernsehreportern des WDR die einzig richtige Antwort auf die Frage nach dem Ziel: "Formel 1-Fahrer!!" posaunte er am Arm seiner Mutter Angelika in die Kamera.

Mittlerweile sind 134 Grand Prix-Wochenenden vergangen. Die Formel 1-Statistik lehrt uns: Wenn einer bis dahin noch keinen Grand Prix gewonnen hat, dann wird das nichts mehr. Zum Vergleich: Rubens Barrichello musste 124 Rennen lang warten (oder ein paar mehr, je nach Rechenweise). Andererseits hat uns die Formel 1-Statistik auch schon andere Dinge erklärt: es sei unmöglich, mehr Titel als Fangio zu holen. Oder ganz und gar unmöglich, als Rookie Weltmeister zu werden.

Nick Heidfeld ist andererseits das lebende Beispiel dafür, wie ungerecht die Formel 1 sein kann. Seine Fähigkeiten sind unbestritten. In allen 11 Garagen im Fahrerlager werden Sie kein abschätziges Wort über ihn hören. Nick in einem BMW-Sauber, das ist die klare Führung in der B-Liga der Formel 1: 58 WM-Punkte sind eine Menge Holz, wenn die ersten vier Plätze in jedem Rennen quasi im Abo an Silber oder Rot vergeben wurden.

2001 sah Kimi in seiner Debütsaison kein Land gegen Quick Nick., Foto: Sutton
2001 sah Kimi in seiner Debütsaison kein Land gegen Quick Nick., Foto: Sutton

Und kann sich irgendjemand daran erinnern, dass Nick mal einen Bock geschossen hätte? Ich kann mich täuschen, aber sein Crash mit Sato in Österreich im Jahr 2002 muss wohl der letzte gewesen sein. Da war er mit kalten Reifen und Bremsen ein wenig zu optimistisch, als ihn eine Bodenwelle ins Gras beförderte. Und Anfang 2005 die Kollision mit Michael Schumacher in Melbourne, die aber eher ein Rennunfall war. Da schaffen andere an einem einzigen Rennwochenende mehr Unsinn.

Kurzum: Fahrerisch kann man dem Mönchengladbacher absolut keinen Vorwurf machen. Und ich behaupte einmal, ohne es genau zu wissen: das Preis/Leistungs-Verhältnis bei Nick ist ein äußerst attraktives für potenzielle Arbeitgeber.

Er hat reihenweise Teamkollegen erledigt: Räikkönen, Massa, Frentzen, Villeneuve und jetzt den hochtalentierten Kubica. Alle miteinander großartige Rennfahrer. Trotzdem tritt Nick karrieremäßig scheinbar auf dem Stand. Von hinten drängen die Vettels und Rosbergs nach. Und Nick braucht nach 134 Rennen zum Gewinnen immer noch einen Regenschauer, ein Erdbeben oder einfach eine Verkettung glücklicher Zufälle. Woran liegt es also?

Darf Nick irgendwann noch einmal in einen Silberpfeil klettern?, Foto: Sutton
Darf Nick irgendwann noch einmal in einen Silberpfeil klettern?, Foto: Sutton

Möglich, dass Nick Heidfeld das letzte bisschen Egoismus fehlt. Die Ellbogen, die Brutalität, mit der einer wie Alonso bereit ist, sogar sein eigenes Team in den Abgrund zu stürzen, nur damit ihm kein anderer im Weg steht. Ich hatte ein paar Mal das Vergnügen, abseits der Formel 1-Strecke mit dem Sauber-Team zu arbeiten. Es war jedes Mal eine Freude, Filme mit den Fahrern zu drehen. Und Nick Heidfeld hatte nie die Allüren anderer Kollegen. Kein Wartenlassen, kein unwilliges Anknurren, wenn die Kamera mal nicht gleich auf Anhieb wollte. Nur ein einziges Mal konnte er seine Emotionen nicht ganz kontrollieren: In Monza 2001, als Mercedes nach dem Häkkinen-Rücktritt bekannt gab, dass ausgerechnet Kimi Räikkönen das Cockpit bekommen würde - Nicks Teamkollege bei Sauber.

Es soll eine denkbar knappe Entscheidung zwischen den Youngsters gewesen sein. Wer weiß, wie alles gekommen wäre, wenn Peter Sauber damals den 20-Millionen-Dollar Scheck aus Stuttgart abgelehnt hätte. Heidfeld hätten die Silbernen damals zum Nulltarif haben können. Er stand ja noch unter Vertrag bei ihnen. Vielleicht ist gerade das Nick Heidfelds Dilemma. Wenn man ihm einen einzigen Vorwurf machen kann: Er hat sich zu billig verkauft. Und wäre da nicht das Verhandlungsgeschick eines Werner Heinz, dann wäre Nick vor ein paar Jahren sogar auf der Ersatzbank der Formel 1 gelandet und nicht bei Jordan.

Trotzdem bin ich überzeugt: Nick Heidfeld kann Weltmeister werden. Und er ist ein Fahrer in den besten Jahren. Aber auch die sind irgendwann vorbei. Doch wenn ich es mir recht überlege: Könnte es nicht sein, dass bei McLaren-Mercedes nächstes Jahr ein Cockpit frei wird? Das wäre meines Erachtens eine hervorragende Gelegenheit, einen historischen Irrtum aus dem Jahr 2001 nochmals gerade zu biegen.