Knock, knock, Neo. Es ist mal wieder so weit. Während Aushilfsheld Keanu Reeves etwas desorientiert durch die Sumpflandschaft von Shanghai streift, sucht das Orakel erneut den einen Auserwählten, der die Herrschaft der Maschinen beenden soll. Fünf Deutsche und ein Österreicher ließen überprüfen, ob sie vielleicht der Auserwählte sind, der die Menschheit vor allem Bösen bewahren und zurück zum Licht führen wird.

Das Orakel sucht wieder nach dem Auserwählten., Foto: adrivo Sportpresse
Das Orakel sucht wieder nach dem Auserwählten., Foto: adrivo Sportpresse

Der erste Jungspund, der sich dem Test unterzog, kam mit Vorschusslorbeeren daher. Keine Woche war vergangen, seit er der gefeierte Held von Fuji geworden war, der den Berg bezwungen und einen Punkt errungen hatte. Doch die guten Erfahrungen machten ihn leichtsinnig. "Wir sind einige Risiken mit dem Wetter eingegangen und auf extremen Regenreifen gestartet. Wir hatten auf viel mehr Regen gehofft - der nicht kam", gestand Adrian Sutil dem Orakel, als ob es das nicht schon wüsste. Das war aber nicht der einzige Fehler. "Beim zweiten Boxenstopp wechselten wir auf Trockenreifen, doch es war noch zu früh dafür." Er verlor die Kontrolle und landete in der Mauer. Diesmal sollte er nicht der Auserwählte sein, der sein Team zum Jubeln bringt.

Als nächstes nahm sich der Österreicher einen Keks. Doch der schmeckte ihm gar nicht. "Es war teilweise recht haarig." Auch er hatte auf wesentlich mehr Regen gehofft - eine Hoffnung die vom Architekten nicht erfüllt wurde. "Deswegen habe ich versucht, einen Hasen aus dem Hut zu zaubern. Das hat kurz einmal ganz gut ausgeschaut, aber dann war ich eben auf den Trockenreifen, die im Zeittraining schon nicht funktioniert haben." Diesen Problemen konnte er nicht davon fliegen, wie es der wahre Ausgewählte gemacht hätte. "Man versucht, das Auto auf den Millimeter genau um die Strecke zu zirkeln und dann kommt so eine Windböe daher und schubst dich schnell einmal einen Meter raus." Der nächste bitte.

Er war einmal der Auserwählte - dann kam der Re-Boot. Für ihn blieb nur ein Cameo., Foto: Sutton
Er war einmal der Auserwählte - dann kam der Re-Boot. Für ihn blieb nur ein Cameo., Foto: Sutton

Nico Rosberg scheint die Ansprüche für den Auserwählten perfekt zu erfüllen, nun gut, die Haarfarbe stimmt nicht, ansonsten ist er aber absolut Helden- und Hollywood-tauglich: klug, gut aussehend und verdammt schnell. Aber auch er erwischte nicht seinen besten Tag. "Wir hätten drei Runden später reinkommen sollen, weil es gerade angefangen hatte zu nieseln", beklagte er sich. "Punkte wären drin gewesen." Hätte, wäre, wenn zählt für den echten Auserwählten aber nicht. Trotzdem lässt er sich von den scheinbar unbezwingbaren Agenten nicht einschüchtern. "Es waren schwierige Bedingungen, irgendwann musste auch Lewis mal ein kleiner Fehler passieren - er ist ja auch nur ein Mensch." Deshalb wird er sich beim nächsten Duell in Sao Paulo nicht anders verhalten. "Ich werde gegen ihn kämpfen wie gegen jeden normalen Gegner." Mut hat er, vielleicht erfüllt er ja eines Tages doch noch die Prophezeiung vom Auserwählten.

Nick Heidfeld interessierte sich "herzlich wenig" für all das. Er war sauer. Ein Anzeichen für den Auserwählten? Also die Tatsache, dass er sich nicht für scheinbar unschlagbare Gegner interessiert, nicht die Tatsache, dass er sauer war... "Wir haben die falsche Entscheidung getroffen, sind auf Intermediates geblieben und das hat das Rennen kaputt gemacht", tadelte er sich selbst. Was danach folgte, bezeichnete er als "sehr bitter", weil er nicht den Top-Speed hatte, um an Tonio Liuzzi vorbeizugehen. Also doch nicht der Auserwählte.

Kein Zweifel: hier jubelt der Auserwählte von Shanghai., Foto: Sutton
Kein Zweifel: hier jubelt der Auserwählte von Shanghai., Foto: Sutton

Er könnte es aber sein: "Er war sagenhaft schnell und hat toll überholt", lobte Christian Danner aus dem Exil. Ralf Schumacher war der Racer des Tages, ein echter Held. "Der Start war okay, aber ich drehte mich auf der ersten Runde, um einer Kollision aus dem Weg zu gehen." Eine noble Geste, wie man sie vom Auserwählten erwartet. Nach dieser Unwägbarkeit brannte er eine furiose Aufholjagd auf den abtrocknenden Asphalt. "Es war ein lustiges Rennen", sagte er. "Ich konnte viele Autos überholen, leider hat mich Liuzzi getroffen, ich weiß aber nicht, ob es Absicht war." Sein Vorwärtsdrang wurde dadurch gestoppt, aber nicht beendet. Wie es sich für einen echten Helden gehört, kämpfte er ohne aufzugeben weiter. "Dann kam der kleine Schauer, ich verlor den Grip und der Motor starb ab." Plötzlich war er draußen - schade, er war so nah dran, der Auserwählte zu werden.

Somit bleibt nur noch einer aus dem Sextett übrig: der Jüngste. Vor einer Woche war Sebastian Vettel noch am Boden zerstört, vergoss bittere Tränen im Regen von Fuji. Er war mit einem anderen Anwärter kollidiert, hatte dafür eine Strafe erhalten, die später wieder zurückgenommen wurde, nur um erneut bestraft zu werden. Hindernisse türmten sich in seinem Weg auf, herzzerreißende Szenen spielten sich ab. Er könnte es sein. "Gestern war ich nicht glücklich mit der Strafe, aber heute bekam ich meine Revanche auf der Strecke", sprach er ganz der Held in der Bullenrüstung. "Nach dem Start bin ich außen an einigen Autos vorbeigefahren", sagte er. "Ich bin das Risiko eingegangen, obwohl es sehr rutschig war. Ich griff an so gut es ging." Ein echter Kämpfer. Ja, er könnte der Auserwählte sein. Doch dann schien sich sein Glück zu wenden. Die dunklen Wolken brachten mehr Regen, er hatte nur Trockenreifen. Aber der Schauer zog vorbei. "Da war ich mir ziemlich sicher, dass wir in die Punkte fahren können. Damit war ich schon zufrieden." Bescheiden ist er also auch noch. "Abgesehen von meiner Geburt, der ich verdanke, dass ich hier bin, ist das sicherlich einer der besten Tage im meinem Leben." Jetzt besteht kein Zweifel mehr - er muss der Auserwählte sein.