Die Enttäuschung war groß, doch bei McLaren sah man das Positive am WM-Rückschlag für Lewis Hamilton: "Wir haben gemischte Gefühle", gestand Martin Whitmarsh, "aber unsere beiden Fahrer liegen auf den Plätzen 1 und 2 in der WM, beide können den Titel gewinnen und der Dreikampf ist toll für die Formel 1. Es wird ein spannendes Finale."

Als Hamilton in seinem McLaren ins Kiesbett fuhr, war Ron Dennis geschockt. "Wir haben sofort bei der FIA nachgefragt: Wenn ihm geholfen worden wäre, hätte er weiterfahren können", so Whitmarsh. "Leider gab es keinen Kran. Mit ein paar größeren, stärkeren Streckenposten, hätte er vielleicht weiterfahren können. Aber das soll keine Kritik sein."

Solche muss sich das Team aber für die Entscheidung gefallen lassen, dass man Hamilton nicht schon früher zum Reifenwechsel hereinholte. Die Auflösungserscheinungen der Pneus waren schon lange ersichtlich. "Ich habe noch nie ein Teammitglied kritisiert und werde das auch nicht machen", betonte Ron Dennis. Zudem gab es gute Gründe für die Entscheidung des Teams. "Zu diesem Zeitpunkt hatten wir die Vorhersage, dass es weitere Schauer geben könnte", verriet Whitmarsh. "In so einer Situation kann man schnell die falschen Reifen aufziehen, wenn man nur eine Runde zu früh reinkommt." Rückblickend sei dieses Zögern ein Fehler gewesen. "Das Team hat einen Fehler gemacht, aber man sieht es ja bei Massa: sein Stopp war zu früh. Bei den rutschigen Bedingungen könnte man auch schnell rausfliegen. Dann hätten wir es auch falsch gemacht." Die Reifen haben ja gestimmt: "Wir hatten die richtigen Reifen für die Bedingungen, sie waren nur zu stark abgenutzt."

Ohne das Problem rechnete sich McLaren einiges aus. "Wir waren in einer guten Position", so Whitmarsh. Dabei machte man sich keine Sorgen wegen Kimi Räikkönen. "Wir haben alle anderen Autos außer Ferrari und uns nicht beachtet und hatten keine Bedenken wegen Kimi", sagte Dennis. "Wir ließen ihn vorbei und versuchten durch die letzte Regenperiode zu gelangen. Wir fuhren aber kein Rennen gegen Kimi, wir fuhren gegen Fernando. Ein Sieg für Kimi und Lewis auf Platz 2 hätte gereicht - das ging nur leider nicht so auf."

Hamilton strafte sich selbst für seinen Fehler in der Boxeneinfahrt ab. Dennis nahm seinen Piloten hingen in Schutz. "Er hat nichts Schlimmes gemacht", sagte er. "Die Boxeneinfahrt war einfach viel nasser als die Strecke. Es lag an den Reifen und den Bedingungen." Hamilton sei dennoch ein exzellentes Rennen gefahren. Genau das erwartet Whitmarsh auch in Sao Paulo. "Er schreckt vor solchen Situationen nicht zurück." Jeder habe gesehen, wie Hamilton zum Team zurückgekommen sei, an die Boxenmauer gegangen sei. "Das zeigt seine Charakterstärke." Die Tatsache, dass er den Kurs von Interlagos noch nicht kennt, mache keinen Unterschied im Titelkampf. "Er hat viele Strecken zum ersten Mal gesehen, das hat ihn nie eingeschüchtert oder ein Problem dargestellt. Er lernt sehr schnell."

Fernando Alonso gab den Titelkampf trotz des geschmolzenen Rückstands trotzdem fast schon auf. "Auch er kann in Brasilien gewinnen und alles kann passieren", mahnte Whitmarsh. "Das haben wir heute und in Japan gesehen. Unsere einzigen Ausfälle der Saison waren bei den vergangenen beiden Rennen." Noch ist Hamilton also nicht Weltmeister. Die Herangehensweise wird das Team deshalb nicht verändern. "Wir werden unsere Arbeitsweise der letzten 20 Jahre nicht für ein Rennen ändern. Wir sind in einer guten Position, um die Fahrer-WM zu gewinnen. Die Fahrer und ihre Leistung soll entscheiden. Wir behandeln unsere Fahrer gleich und das bleibt so."

Alonsos Entscheidung für die harten Reifen habe man genauso gemeinsam getroffen. "Der weiche Reifen war nicht so konstant auf den schnelleren Autos", begründete Whitmarsh. "Es war ein Risiko damit zu fahren. Die schnelleren Autos belasten den Reifen mehr, in den langen Kurven überhitzte er deshalb." Über die Zukunft von Alonso bei McLaren wollte Ron Dennis nicht sprechen. "Wir gehen nach Brasilien, fahren das Rennen und danach kann jeder über die Zukunft sprechen. Nicht vorher." Whitmarsh blickt der kurzfristigen Zukunft im Titelkampf optimistisch entgegen. "Wir haben zwei Fahrer vorne. Ich bin lieber in unserer Position als in der von Ferrari. Also haben wir einen Vorteil."