Seit 15 Rennwochenenden sind fünf Deutsche und ein Österreicher unermüdlich in der Formel 1-Welt unterwegs: von Melbourne bis Sakhir, von Barcelona bis Budapest, von Istanbul bis Fuji. Und wofür? Am Ende sitzen sie doch nur im Regen. Schon zu Füßen des großen japanischen Berges riefen einige von ihnen zum Streik auf - bei diesen unwirtlichen Bedingungen hätte man gar nicht fahren dürfen. Fünf Tage danach verliehen sie ihren Forderungen Nachdruck: während andere lange über Strafen verhandelten, gingen sie zum Warnstreik über.

Quick Nick streikt: der Bart bleibt bis zum Streikende dran., Foto: Sutton
Quick Nick streikt: der Bart bleibt bis zum Streikende dran., Foto: Sutton

Nick Heidfeld war und ist einer der Wortführer der Streikenden. Schon in Fuji betonte er, dass man nicht hätte fahren dürfen, dass man gar nicht erst hätte starten dürfen. Diese Ansicht vertrat er auch in Shanghai, wo er folgerichtig die meiste Zeit der Freien Trainings an der Box oder am Kommandostand saß - und streikte. "Ich bin in beiden Sessions mit Hydraulik-Leck stehen geblieben", wurde er bei seinem Streik gleich von zwei unterschiedlichen Getrieben unterstützt - beide schlossen sich dem Streik an. Nur Nicks Mechaniker folgten dem Streikaufruf nicht - sie fürchteten eine Aussperrung von Dr. Mario und schufteten zweimal wie verrückt, um die Getriebe und Nick wieder zur Arbeit zu überreden. Was auf einen Streik folgt, ist klar: Nacharbeit. "Was man heute probiert hätte, vermutet man dann morgen mehr und muss es schnellstmöglich aussortieren."

Ralf Schumacher befindet sich schon seit einigen Wochen in einer Art Streik: immer wenn seine Zukunft zur Sprache kam, ging er zum Redestreik über - keine Auskunft unter dieser Nummer. Seine Motivation hat unter dem Streik jedoch nicht gelitten. "Das ist mein zweitletztes Rennen für Toyota, aber meine Motivation wird davon nicht beeinträchtigt", betonte er. "Es war ein hartes Jahr, aber das gesamte Team bleibt konzentriert. Wir werden bis zuletzt alles geben." So denn der Streik vorher beendet sein sollte.

Wer streikt, hat viel Zeit zum Nachdenken., Foto: Sutton
Wer streikt, hat viel Zeit zum Nachdenken., Foto: Sutton

Bei Williams hofft man darauf. Denn Nico Rosberg hat große Pläne für die Post-Streiktage. "Ich bin zuversichtlich, dass eine gute Punktposition möglich ist." Vorher muss jedoch seine Forderung erfüllt werden: "Wir haben noch ein paar Probleme, die wir lösen müssen." Sonst wird tapfer weiter gestreikt. Auch bei seinem Teamkollegen Alex Wurz, der viel lieber in der Heimat bei seiner wachsenden Familie weilen würde. Doch wenn es die gemeinsame Sache verlangt, streikt er gerne an vorderster Front. Die ganze erste Session sah er sich mit versteinerter Miene am Kommandostand an, wie sein übereifriger japanischer Mitarbeiter eine Runde nach der anderen abspulte. "Danach begann ich auf gebrauchten Reifen und versuchte meinen Rhythmus zu finden, was ehrlich gesagt nicht sehr schwierig war." Den richtigen Einsatz von Streikpfeifen verlernt man eben nie.

Für Sebastian Vettel ist all das Neuland, groß angelegte Streiks kannte er bislang nicht. Voller jugendlichem Elan würde er am liebsten auch an diesem Wochenende im Regen fahren - ans Streiken verschwendet er keine Gedanken. "Regen wäre nicht schlecht. Ich versuche die ganze Zeit, bei Petrus anzurufen, aber er hebt nicht ab." Tja, der hat das Streiken eben raus - auch die Anrufe bleiben unbeantwortet. Was mit zu euphorischen Jungspunden passiert, erlebte Sebastian am Freitagabend auf der Gewerkschaftssitzung. Dort musste sich Neuling Lewis von den erfahrenen Hasen einiges anhören...

Nichts zu tun und trotzdem glücklich: Timo weiß, wie man richtig streikt., Foto: Sutton
Nichts zu tun und trotzdem glücklich: Timo weiß, wie man richtig streikt., Foto: Sutton

Adrian Sutil plant schon eine Verlängerung des Streiks. Zwar hofft er, ein, zwei Teams hinter sich zu lassen, aber andererseits würde er das Qualifying gerne auslassen und gleich zum Rennen übergehen. "Vielleicht setzen wir wie in Fuji auf Risiko und eine Regenabstimmung", sagte er. "Das könnte sich für uns wieder lohnen, weil wir im Normalfall nicht ins 2. Qualifying kommen. Ob wir zwei Positionen weiter hinten stehen, macht nicht so viel aus. Deswegen kann man überlegen, etwas zu riskieren." Während des Streiks hat er ja genügend Zeit dafür.

Für BMW Sauber-Testfahrer Timo Glock kommt der Streik wie gerufen. Am letzten Sonntag feierte er lange und ausdauernd bis in die frühen Morgenstunden seinen GP2-Titelgewinn. "Das waren ein harter nächster Morgen und ein harter Flug nach Shanghai", gestand er. Aber der Streik macht es ihm einfach. "Allzu viel habe ich hier nicht zu tun. Notfalls könnte ich mich zwischendurch sogar mal auf einer Liege in der Hospitality ausruhen..."