Der Shanghai International Circuit ist vor allem eins: groß, sauber, neu und in jeder Hinsicht perfekt angelegt; alles ist vom Feinsten, nirgends wurde gespart. Niemand würde eine der neuesten und besten Streckenanlagen der Motorsportwelt mit Schlamm, Dreck und Sumpfland verbinden. Doch genau darauf wurde der rund 240 Millionen teure Kurs erbaut - und auf Styropor, dafür müsste Streckenarchitekt Hermann Tilke sogar den gesamten asiatischen Markt leer kaufen.

Die Arbeit hat sich gelohnt: der Shanghai International Circuit weist die typische "Tilke-Mischung" aus Beschleunigungsphasen und hartem Herunterbremsen für enge Kurven auf, besitzt aber zugleich zwei Highspeed-Geraden. Dieses Layout fordert Teams, Fahrer und Autos gleichermaßen und eröffnet Überholmöglichkeiten.

Obwohl die 5,451 Kilometer lange Bahn vor den Toren der 17-Millionen-Metropole Shanghai im Uhrzeigersinn befahren wird, fahren die Piloten dennoch nach oben. Die gesamte Streckenführung ist dem chinesischen Schriftzeichen "shang" nachempfunden, das so viel wie aufwärts oder oben bedeutet. Auch die Architektur an der ultramodernen Piste nimmt traditionelle chinesische Motive auf, so etwa die Teamgebäude, die wie Pavillons in einem See angeordnet sind und an den Yuyan-Garten in Shanghai erinnern.

Die Architektur wurde dem Land angepasst., Foto: Sutton
Die Architektur wurde dem Land angepasst., Foto: Sutton

Besonderen Spaß bereitet den Piloten die erste Kurvenkombination nach der Start-/Zielgeraden. "Es gibt einige technisch anspruchsvolle Kurven", verrät Ralf Schumacher, "zum Beispiel Kurve 1, die enger wird und scheinbar endlos weitergeht." Hier dürfe man keine Fehler begehen. "Die Kurven eins, zwei und drei gehören zu meinen Lieblingspassagen des Rennkalenders", bestätigt Nick Heidfeld. "Man kommt mit hohem Tempo an der ersten Kurve an, der Eingang geht auch noch mit Vollgas, aber dann macht der Bogen immer weiter zu. Man muss bis in den zweiten Gang runterschalten."

Daran haben die Fahrer ihren Spaß, die Zuschauer erfreuen sich lieber an Überholmanövern. "Die Strecke ist breit und bietet einige Überholmöglichkeiten, die beste am Ende der einen Kilometer langen Gegengeraden vor der Haarnadelkurve", weiß Fernando Alonso. "Am Ausgang von Kurve 13 braucht man viel Schwung, um optimal auf die lange Gerade zu kommen." Diese Kurve 13 ist eine sehr lange Rechtskurve. "Die einzige Überholmöglichkeit ist am Ende der Geraden", sagt Pascal Vasselon, "aber selbst da ist es schwierig, weil man dem Auto in Kurve 13 sehr nah folgen muss."

Ansonsten sind ein guter mechanischer Grip und ein möglichst hoher Topspeed gefragt, wobei hier wieder einmal der legendäre Kompromiss greift. "Der Kurs ist geprägt von einigen sehr langen Kurven im langsamen und mittelschnellen Bereich, was eine erhöhte Beanspruchung für die Reifen bedeutet", sagt Willy Rampf. "Um im Rennen schnell zu sein, ist die richtige mechanische Abstimmung wichtig, damit die Reifen auch auf die Distanz optimal genutzt werden können. Ein weiterer wichtiger Faktor ist eine hohe aerodynamische Effizienz aufgrund der langen Geraden in Kombination mit dem Infield." Die Anforderungen an die Bremsen und den Motor entsprechen hingegen dem Durchschnitt.

Ganz und gar nicht durchschnittlich ist der Unterbau der Strecke. Um die Sumpflandschaft in den Griff zu bekommen, wurden bis zu 80 Meter lange Pfähle in den Boden gerammt und darauf bis 14 Meter hohe Schichten Styroporplatten gestapelt. Erst darauf liegen zwei Meter Erde und letztlich der Asphalt für die Rennstrecke. Damit es mit dem "shang" immer steil nach oben gehen kann, musste man also erst einmal tief nach unten...