Die letzten Runden in Spa-Francorchamps waren für Felipe Massa die bittersten in diesem Jahr. Wer die Rundenzeiten genau beobachtet hat, der konnte erkennen: der führende Räikkönen musste ordentlich Gas geben, denn sein brasilianischer Teamkollege holte auf, als gäbe es kein morgen. Felipe fuhr mit dem Messer zwischen den Zähnen um seine allerletzte Chance, heuer doch noch Weltmeister zu werden. Genau damit ist es jetzt aber vorbei. Seit Spa sind es nicht mehr vier, sondern nur noch drei WM-Kandidaten.

Hört Alonso einen langen Urlaub rufen?, Foto: Sutton
Hört Alonso einen langen Urlaub rufen?, Foto: Sutton

Felipe Massa hat 20 Punkte Rückstand auf Lewis Hamilton, 18 auf Alonso. Die beiden McLaren-Fahrer haben bei 28 Gelegenheiten heuer 27 Mal Punkte geholt. Sogar der statistische Ausreißer - Lewis Hamilton beim Chaos-Grand Prix auf dem Nürburgring - war kein Ausfall, sondern eine Zielankunft. Damit ist auch völlig klar, worin die mathematische Chance für Ferrari besteht: Kimi Räikkönen muss die ausstehenden Rennen alle gewinnen und Massa muss vor den McLaren ins Ziel kommen. Im schlechtesten Fall macht der Finne so vier Punkte auf den besser platzierten Silberpfeil gut.

Was würde jeder erfolgsorientierte Teammanager wohl machen? Sagen wir es mal so: Man wird alles Erlaubte unternehmen, um Räikkönen vor Massa ins Ziel bringen.

An Stallregie braucht man bei McLaren erst gar nicht zu denken. Durch das Team läuft ein tiefer Graben. Alonso hat sogar jedem seiner Mechaniker eine Zusatzprämie versprochen: angeblich 1.000 Euro pro Sieg und ein extra Bonus für das Erreichen des WM-Titels. Dabei könnte man gerade jetzt sogar mit dritten und vierten Plätzen den Titel locker heimfahren. Bei Doppelsiegen von Ferrari kann Räikkönen wie oben erwähnt maximal noch 12 Punkte gutmachen. Der Rückstand des Finnen beträgt jedoch 13 Punkte.

Der Traum vom Titel ist ausgeträumt - kommt es noch schlimmer?, Foto: Sutton
Der Traum vom Titel ist ausgeträumt - kommt es noch schlimmer?, Foto: Sutton

Für Felipe Massa ist dieses Szenario der erste abrupte Bremsblock einer bisher bilderbuchhaften Karriere. Ist es nur ein Zufall, dass gerade jetzt das scheinbar Undenkbare durch die italienischen Gazzetten geistert: Die Ausbootung des einstigen Kronprinzen von Schumi? Die Demontage des Hoffnungsträgers? Ersetzt durch Alonso oder Button? Zerbrochen am finnischen Eisblock? Wird ihm die Tatsache zum Verhängnis, immer fast als "Familienmitglied" der Todts gegolten zu haben. Jetzt, wo Jean Todt offensichtlich einige interne Machtkämpfe verloren haben dürfte. Auf die Zuneigung seiner Mitarbeiter darf er sich ohnehin nicht verlassen. Sein Führungsstil hat Ferrari intern ausgeblutet.

All das bringt auch viel Bewegung in das Transfer-Karusell. Ich kann mich an wenige Jahre erinnern, in denen um diese Jahreszeit noch so viele Top-Cockpits offen waren. Immerhin haben wir bald Oktober. Und kein Mensch kann sagen, wer die guten Cockpits nächstes Jahr bekommt. Hamilton und Räikkönen sind gesetzt, der Rest ist reine Spekulation.

Meine Vermutung (ohne eine Kristallkugel zu besitzen - ist nur ein Gefühl): Alonso pausiert im nächsten Jahr. Er hat sich genug angetan. Als dreifacher Weltmeister mit 26 Jahren kann man ruhig mal ein Jahr aussetzen. Er kann auch zwei oder drei Jahre pausieren und trotzdem noch der erfolgreichste Fahrer der Geschichte werden. Renault ist eine Option für ihn, aber dort kann man ihm 2008 nichts Attraktives anbieten. Und zu Ferrari kann er keineswegs fliegend wechseln. Gerade jetzt, wo Ron Dennis Geld braucht wird Jean Todt den Teufel tun, Alonso aus dem Vertrag auszukaufen.

Wird Nico zum großen Gewinner des silbernen Ärgers?, Foto: WilliamsF1
Wird Nico zum großen Gewinner des silbernen Ärgers?, Foto: WilliamsF1

Damit fährt Ferrari 2008 weiter mit Kimi und Felipe. Bei McLaren wird ein Top-Platz frei. Für den kommt eigentlich nur einer in Frage: Nico Rosberg. Dass Papa Keke dort aus und ein geht ist nicht unbedingt ein Nachteil. So wird bei Williams ein Platz frei für Liuzzi oder Nakajima. Vielleicht auch für Ralf Schumacher, wenn Motorenlieferant Toyota dem dementsprechenden Druck ausübt. Diese Situation entledigt auch Flavio Briatore einiger Sorgen, denn er kann 2008 mit Kovalainen und Nelson Piquet jr. fahren. Fisichella könnte damit bei Williams landen oder bei Prodrive, falls dieses Team wirklich antreten sollte. Allzu dichte Hinweise darauf gibt es bisher ja leider nicht.

Damit bleibt nur noch die Frage des Toyota-Cockpits neben Trulli. Die große Unbekannte. Mein Tipp: es bleibt bei einer italienisch-deutschen Fahrerpaarung. Und Alonso sieht sich das ganze entspannt von der Outlinie aus an und zieht ab Saisonstart die Fäden, damit er 2009 dort anknüpfen kann, wo er heuer in Brasilien aufhört. Aber wie gesagt: alles kann sofort anders aussehen, wenn einer dieser Dominosteine umfällt.