Jeden Tag neue Erkenntnisse und Enthüllungen in der Spionageaffäre der Formel 1 - aber unabhängig von allen Fakten und Urteilen wird eines immer deutlicher: Dass aus einer in der Formel 1 gar nicht seltenen und immer wieder vorkommenden Sache jetzt überhaupt so eine Riesenaffäre mit allen Konsequenzen entstehen konnte, liegt auch an der internen Situation, den Spannungen und blank liegenden Nerven bei den beiden betroffenen Top-Teams McLaren-Mercedes und Ferrari, wo in den letzten Wochen und Monaten von "Normalität" wohl nicht mehr die Rede sein kann.

Ron Dennis hat alle Hände voll zu tun., Foto: Sutton
Ron Dennis hat alle Hände voll zu tun., Foto: Sutton

Beispiel McLaren-Mercedes und die jetzige Enthüllung, dass es Teamchef Ron Dennis selbst gewesen war, der FIA-Präsident Max Mosley einen Hinweis gegeben habe, dass es wohl in der Affäre neue Erkenntnisse gebe: Der Hintergrund liegt im chaotischen Ungarn-Wochenende mit der Zurückversetzung von Fernando Alonso in der Startaufstellung wegen des angeblichen Blockademanövers gegen seinen Teamkollegen Hamilton. Da gingen offenbar Alonso die Nerven durch und er warf Ron Dennis an den Kopf, wenn sich die Dinge nicht änderten und/oder wenn er nicht aus seinem Vertrag herauskäme, könnte er im Spionagefall ein paar Dinge aufdecken, er hätte einige entsprechende E-Mails mit Informationen eines Ingenieurs auf dem Computer...

Angesichts der herrschenden Spannungen im Team, der bekannten Unzufriedenheit Alonsos mit seiner Situation, fühlte sich Dennis wohl so unter Druck gesetzt, dass er, um weiteren Schaden abzuwenden, sofort FIA-Präsident Max Mosley informierte... Als sich Alonso direkt nach dem Rennen entschuldigte und man mit etwas mehr Ruhe reden konnte, war der Stein schon ins Rollen gebracht. Dass sich unter diesen Umständen kaum noch jemand vorstellen kann, dass der Spanier auch 2008 für McLaren fahren werde, wie sein Manager Luis Garcia Abad jetzt in einem BBC-Interview verkündete, ist verständlich...

Jean Todt muss nicht weniger Probleme meistern., Foto: Sutton
Jean Todt muss nicht weniger Probleme meistern., Foto: Sutton

Auf der anderen Seite bei Ferrari sieht es nicht besser aus: Da verläuft inzwischen ein tiefer Graben zwischen Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo und Ferrari-Sportdirektor Jean Todt, so extrem, dass inzwischen auch teamintern Fronten aufgebrochen sind zwischen einer Todt-Massa- und einer Montezemolo-Räikkönen Fraktion. Aus verschiedenen Gründen: Montezemolo, dessen Karriere im FIAT-Konzern ins Stocken geraten ist, würde bei Ferrari gern auch aktiv wieder größeren Einfluss ausüben. Dabei ist Todt im Weg, genauso wie möglicherweise bei der Rückkehr von Ross Brawn zu Ferrari. So bekam Todt von oben massiven Druck - Erfolge vorzuweisen, die eigenen Probleme im Team zu lösen, angefangen vom ständigen Informationsabfluss bis zu den technischen Problemen in diesem Jahr, im Bereich der Zuverlässigkeit, aber auch zeitweise im Speed... Dass dieser "Rückfall" im Frühsommer zumindest teilweise auf einen mehrwöchigen Ausfall des hauseigenen Windkanals zurückzuführen war, der anscheinend auch durch einen Wartungsfehler bedingt war, half der internen Position von Todt natürlich auch nicht.

Die Strategie, die der kleine Ferrari-Napoleon dann anwandte, ist aus der Politik ja bestens bekannt: Nach außen Kriege führen, um von Problemen im Inneren abzulenken, und dann möglichst mit einem großen Sieg auf dem Kriegsschauplatz den eigenen Kopf zu retten...