Die Tränen von Ron Dennis am Sonntag Abend im Fahrerlager von Monza - sie zeigten einen Mann, der in dieser Woche wohl vor der schwersten Belastungsprobe seines Lebens steht - und den die Entwicklungen der vergangenen Wochen und Monate, Spionage-Affäre plus die teaminternen Probleme mit seinen beiden Topfahrern, inzwischen wirklich an seine absoluten Grenzen getrieben hat.

Ron Dennis' Zurückhaltung entspricht einfach seiner Natur, Foto: Sutton
Ron Dennis' Zurückhaltung entspricht einfach seiner Natur, Foto: Sutton

Für Dennis steht bei der Anhörung vor dem FIA-Weltrat am Donnerstag in Paris mehr auf dem Spiel als eine Weltmeisterschaft, auch mehr als die über 50 Millionen Euro, die etwa eine Streichung aller Punkte in der Konstrukteurs-WM ihn und das Team kosten würden. McLaren ist sein Lebenswerk, sein Traum, den er aufgebaut hat. Das ist etwas Anderes als ein Top-Manager, der ohne Bedenken auch mal von einem zum nächsten Konzern wechselt. Ron Dennis ist McLaren - und McLaren ist Ron Dennis. Jetzt droht das alles zum Einsturz gebracht zu werden, wird seine Glaubwürdigkeit und Integrität in Frage gestellt, ein Punkt, der ihn noch mehr trifft als alles andere. Denn auch wenn es viele Außenstehende - und auch einige Insider - immer noch nicht wahrhaben wollen: Gerade in dieser Beziehung ist Dennis kein Schauspieler - seine persönliche Ehre geht ihm über alles. Dass sie in Zweifel gezogen wird, das kann er schlechter wegstecken als alles andere.

Diejenigen, die ihm vorwerfen, gerade er als der große Kontrollfreak hätte doch mit Sicherheit alles wissen müssen, was jetzt "ans Tageslicht komme", lassen einen wichtigen Punkt außer acht: Viele der Dinge, die McLaren-Mercedes jetzt vorgeworfen werden, gerade auch aus dem neuen "Beweismaterial", dem E-Mail-Verkehr zwischen Pedro de la Rosa und Fernando Alonso, sind in der Formel 1 so hundertprozentig normal und gang und gäbe, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, sie dem obersten Chef gezielt zu Ohren zu bringen. Und umgekehrt - auch kein Teamchef hätte sich bemüßigt gefühlt, sich darum zu kümmern, wenn ein Ingenieur über private Kanäle etwas erfährt und sich darüber mit seinen Fahrern austauscht.

Dass es sich Dennis zum Teil selbst zuzuschreiben hat, dass er im Formel-1-Fahrerlager mehr Feinde als Freunde hat, steht auf einem anderen Blatt. Natürlich agiert er manchmal unglücklich, vor allem im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Da kommt es schon mal als pure Arroganz an, was in Wirklichkeit wohl eher ein Verstecken eigener Unsicherheit ist. Da sind fein gewählte Formulierungen in einer hochgestochenen Sprache für viele Nicht-Englisch-Muttersprachler nicht nachzuvollziehen und fordern chronische Missverständnisse geradezu heraus. Da wird betont zur Schau getragene Kühle und Gelassenheit, in England ein Muss, im Rest der Welt als Gefühlskälte und Emotionslosigkeit gedeutet. Und wenn dann unter größtem Druck, wie jetzt, die Fassade einmal bricht und die andere, die verletzliche, die menschliche Seite des Ron Dennis zum Vorschein kommt, dann ist dieses andere Bild schon so gefestigt, dass das aktuelle als unehrliche Show abgetan wird.

Zu wissen, dass er einen großen Teil des ganzen Ärgers nicht nur seinen Dauerfeinden bei Ferrari und in der Person von Flavio Briatore auch bei Renault zu verdanken hat, die ihn liebend gerne ganz unten sähen, sondern dass er auch an oberster Stelle bei der FIA einen persönlichen Gegner sitzen hat, macht es für ihn nicht einfacher. Auch wenn FIA-Präsident Max Mosley natürlich immer wieder betont, all das sei ein völlig neutrales Vorgehen der FIA ohne Ansehen der Person: Die Probleme, die er, der Aristokrat aus der englischen Oberschicht, mit dem Aufsteiger Dennis, der sich vom Mechaniker in seine jetzige Position hocharbeitete, hat, sind bekannt. Probleme, bei denen auch britisches Klassendenken, auf der Insel bei den Eliten immer noch extrem verbreitet, eine Rolle spielen.

Mansour Ojjeh soll an einer Lösung mitgearbeitet haben, Foto: Sutton
Mansour Ojjeh soll an einer Lösung mitgearbeitet haben, Foto: Sutton

In Monza kursierten ja sogar schon Theorien, dass unter Beteiligung von Bernie Ecclestone, Luca di Montenzemolo und McLaren-Mitbesitzer Mansour Ojjeh nach Lösungen gesucht wurde, die die Formel 1 als Ganzes möglichst wenig beschädigen würde. Etwa die, McLaren mit einem milden - um nicht zu sagen, fairen - Urteil davonkommen zu lassen, wenn das Team im Gegenzug dafür Dennis zum baldigen Rücktritt bewegen könne. Ob dieses Szenario realistisch sein könnte, wird sich zeigen. Dass es aber für Dennis auch eine persönliche Niederlage darstellen würde, obwohl es dann im Interesse seines Unternehmens, seines Lebenswerkes, geschähe, scheint sicher...