Letztes Jahr kamst Du als frisch gebackener GP-Sieger nach Istanbul. Wenn Du daran zurückdenkst - was kommt Dir in den Sinn?
Jenson Button: [lacht] Ich denke das ganze Jahr immer wieder daran, das muss ich manchmal auch. Es war eine seltsame Erfahrung, mein erstes Rennen zu gewinnen. Es war sehr emotional. Riesige Kerle, die aussehen wie Rugby-Spieler, weinten sich die Augen heraus. Dieses Jahr war extrem hart. Aber so etwas passiert eben in einer Fahrerkarriere. Ich kann damit umgehen, bin mental stark, für mich war es kein großes Thema.

Es hilft Dir also in Deiner jetzigen Situation weiter.
Jenson Button: Auf eine gewisse Weise war es eine Erleichterung. Denn die jetzige Situation wäre ohne einen Rennsieg noch härter. Es ist so schon schlimm genug, aber ich habe wenigstens die Erinnerung an dieses Rennen. Das war dieses Jahr nicht nur für mich hilfreich, sondern für das gesamte Team.

Du hast nur einen einzigen WM-Punkt auf dem Konto. Das dürfte Dein Leben nicht gerade einfacher gemacht haben.
Jenson Button: Die Formel 1 ist ein Teamsport. Alle Fahrer sind sehr konkurrenzfähig und sehr schnell. Heutzutage kommt es mehr auf die Autos an als früher. Wenn man kein gutes Auto hat, kann man auch keine Erfolge einfahren. Der Fahrer kann nicht mehr diesen großen Unterschied ausmachen. Das ist frustrierend, aber dieser Sieg hat mir mental geholfen. Ich fahre deswegen nicht schneller, ich gebe immer mein Bestes, aber ich habe dieses Jahr nicht das Material, um zu gewinnen.

Jenson erlebt das schwierigste Jahr seiner Karriere., Foto: Sutton
Jenson erlebt das schwierigste Jahr seiner Karriere., Foto: Sutton

Dein F1-Einstieg begann mit einem Anruf von Frank Williams. Wie war dieser Moment für Dich?
Jenson Button: Es war ein seltsames Gefühl. Ich glaubte nicht, dass es wirklich Frank war; ich dachte, es würde mir jemand einen Streich spielen. Aber er war es tatsächlich. Er fragte mich: "Jenson, bist Du bereit, in der Formel 1 zu fahren?" Und ich antwortete: "Nein. Ich habe erst ein Jahr in der Formel 3 hinter mir." Er meinte, wenigstens sei ich ehrlich. Danach sprach ich mit meinem Vater und fragte: "Warum habe ich das eben gemacht?" Ich rief Frank zurück und sagte: "Ich bin bereit, ein Formel 1-Auto zu fahren - ob es für Rennen reicht, werden wir sehen." Es war also eine sehr merkwürdige Situation und alles ging wahnsinnig schnell. Ich war erst 19, hatte nur zwei Jahre Erfahrung in Rennautos - je ein Jahr in der Formel Ford und der Formel 3. Es war eine große Überraschung, aber auch ein sehr spannender Moment in meinem Leben.

In Deinem ersten Jahr musstest Du die gleichen Erfahrungen mit den britischen Medien machen wie Lewis heute. Hast Du einmal darüber nachgedacht?
Jenson Button: Es ist schon eine ganz andere Situation für Lewis. Er kommt mit viel mehr Erfahrung in die Formel 1. Außerdem sitzt er im schnellsten Auto. Man kann es nicht wirklich vergleichen mit meinem Einstieg.

Wie hast Du es empfunden, damals der Mittelpunkt der britischen Presse zu sein?
Jenson Button: Ich war bei meinem ersten Rennen noch nicht einmal genügend Kilometer für eine Superlizenz gefahren, weil wir so viele Probleme bei den Tests hatten. Es war eine seltsame Erfahrung, zu meinem ersten Rennen zu reisen, und zu wissen: ich bin auf jeder Titelseite in meiner Heimat. Allerdings war ich zu dieser Zeit nicht zu Hause, so dass ich es nicht hautnah mitbekommen habe. Mein erstes Jahr war trotzdem gut; ich hatte eine steile Lernkurve. Ich lernte das Auto zu fahren, mit dem Team und den Medien zu arbeiten. Es war für mich sehr überraschend, wie viel Zeit und Energie die PR-Termine verschlingen. Das ist in so einem jungen Alter sehr schwierig. Denn man muss sehr vorsichtig sein, was man sagt.

Lewis ist jetzt auf dem Weg, den Traum zu leben, an dem Du so lange gearbeitet hast.
Jenson Button: Er macht gute Arbeit. Natürlich kann man auch sagen, dass er Glück hatte, weil er schon im Kindesalter auf die F1 vorbereitet wurde und jetzt im besten Auto sitzt - das war bei mir nie der Fall. Abgesehen von Ungarn letztes Jahr hatte ich nie ein siegfähiges Auto und selbst damals war es nicht das schnellste Auto im Feld. Hoffentlich werde ich eines Tages auch in diese Position kommen. Es wird sicher ein ganz besonderes Gefühl für mich sein, wenn ich nach so vielen Jahren harter Arbeit tatsächlich eines Tages in einem konstant siegfähigen Auto sitzen sollte. Aber es wird ein ganz anderes Gefühl sein als bei Lewis, weil er immer in dieser Situation war.

Schon bald soll das Lächeln zurückkommen., Foto: Sutton
Schon bald soll das Lächeln zurückkommen., Foto: Sutton

Es muss sehr frustrierend sein, um den 8. Platz zu kämpfen. Kannst Du so einen Punktgewinn überhaupt genießen oder ist es eher enttäuschend?
Jenson Button: Es war ein gutes Rennen, wir haben das Maximum [Betonung auf Maximum] aus dem Auto herausgeholt. Schneller ging es nicht. Es war also ein schönes Gefühl, einen Punkt zu holen. Aber jedes andere Rennen in dieser Saison war enttäuschend. Manchmal fuhr ich ein perfektes Rennen, es hätte nicht besser sein können, aber wir kamen trotzdem außerhalb der Punkte ins Ziel. Das ist enttäuschend und hart. Jeder Fahrer will vorne mitfahren. Letztes Jahr waren wir unter den Top-5. Jetzt starten wir außerhalb der Top-10. Das ist sehr hart.

Wie motivierst Du Dich?
Jenson Button: Wenn man negativ ist, wird man nie wieder etwas erreichen. Man muss positiv sein. Das Gute ist, dass unser Team sich selbst aus dieser Lage befreien kann - wir haben die Ressourcen dafür. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre es sehr hart, sich positiv zu geben.

Die Formel 1 rückt immer enger zusammen. BMW Sauber hat große Fortschritte gemacht. Renault wird nicht immer so eine Saison wie diese haben. Wie zuversichtlich bist Du, dass Ihr auf die Siegerstraße zurückkehren werdet?
Jenson Button: Sehr zuversichtlich, die Frage ist nur: Wann? Nächstes Jahr könnte es noch zu früh sein. Aber das müssen wir abwarten. Es stimmt allerdings: es ist sehr eng. Ferrari und McLaren werden auch nächstes Jahr stark sein - auch BMW und Renault. Wir müssen große Fortschritte erzielen.

Wie viel Einfluss hat der Fahrer dabei?
Jenson Button: Wir fühlen im Auto, was falsch ist. Das Team hört auf den Fahrer, vor allem weil Rubens und ich sehr erfahren sind. Aber es bringt nichts, öffentlich Kritik am Team zu üben und zu sagen, dass es schlecht ist. Das bringt uns nicht vorwärts. Wir müssen intern über die Dinge sprechen, dabei auch offen sein, und dann hoffen, dass die neuen Leute das Ruder herumreißen.