Es gibt Tage im Jahr, die muss man sich rot im Kalender anstreichen. Weihnachten, Ostern, wichtige Geburtstage, alle Formel 1-Termine und natürlich den monatlichen Patchday, mit dessen Hilfe ein Redmonder Softwareriese auch die F1-Welt terrorisiert. Schließlich wäre es unzumutbar, Fehler gleich zu beheben, ein fester Rhythmus ist da schon angebrachter - welche zahlenden Kunden brauchen schon sofort Hilfe? Vielleicht ist es da kein Wunder, dass die zukünftige Einheits-ECU der F1-Boliden aus dem Hause McLaren Electronics Systems und eben Microsoft derzeit äußerst argwöhnisch beäugt wird.

Aber zurück zum Patchday. Alle MAC-User können sich jetzt entspannt zurücklehnen, sie kennen diese Probleme nur vom Hörensagen - dafür fehlt ihnen jedoch auch das unbeschreibliche Gefühl der großen Erleichterung, die einen Windows-Geschädigten durchflutet, wenn nach dem Patchday tatsächlich noch etwas funktioniert oder sich die Zahl der Fehler nicht um ein Vielfaches multipliziert hat...

Alexander Wurz wird die dreiwöchige Sommerpause nicht nur für einen kleinen Familienurlaub auf Mallorca genutzt haben - auch ein Firmwareupdate stand an. Als erfahrener Pilot konnte er in den chaotischen Situationen in Kanada und am Nürburgring seine Stärken ausspielen, doch für den Rest der Saison litt er unter einem Programmfehler im Qualfiyingcode. Das soll ein Update für den Rest des Jahres beheben; an die neuen Reifen passt sich Alex ohnehin Schritt für Schritt an. "Wir haben uns über die Jahre an die anderen Reifen gewöhnt, das zu ändern, ist nicht einfach", betont der Österreicher. "Auch ich reagiere manchmal noch instinktiv falsch, man muss ein komplett neues Programm im Kopf entwickeln." Aber auch sein Arbeitgeber tut es ihm gleich. "Wir haben Upgrades für die drei Überseerennen, hoffentlich können wir dort wieder aus eigener Kraft punkten", gibt Alex die Devise für den Endspurt aus.

Da hilft auch kein Patchday mehr..., Foto: adrivo Sportpresse
Da hilft auch kein Patchday mehr..., Foto: adrivo Sportpresse

Auch für seinen Teamkollegen Nico Rosberg wäre das ein Anfang. Doch der junge Deutsche will noch mehr als nur ein Upgrade. Er wünscht sich von seinem Team vor allem eins: einen Zuverlässigkeitspatch. Zu oft ließ ihn sein FW29 auf einem Punkterang im Stich, zu oft sind der Motor, das Getriebe oder andere Teile kaputt gegangen. Sogar so oft, das er jetzt gar nicht mehr offen sagt, was schief ging. "Ich habe letztes Mal eins auf die Ohren bekommen", schmunzelt er, "deswegen sage ich ab sofort lieber gar nichts mehr." Die Zuverlässigkeitsprobleme gingen sogar so weit, dass Nico bei seinem Punktgewinn in Ungarn bis zur Zieldurchfahrt im Cockpit zitterte. "Jedes Mal, wenn ich etwas gespürt habe, dachte ich mir: oh je, nicht schon wieder, tu mir das bitte nicht an!" In Budapest blieb der fatale Bluescreen aus. Es gibt also Hoffnung - zumindest für Nico, wohl kaum für alle Windows-Nutzer.

Ralf Schumacher ist das Prinzip Hoffnung sehr gut bekannt. Er baut seit Saisonbeginn darauf, dass es besser wird. Zur Überraschung vieler wurde es das in den letzten Rennen vor der Sommerpause. Toyota kam besser in Fahrt, Ralf konnte seinen Teamkollegen Jarno Trulli wieder in die Schranken weisen und in Qualifying sowie Rennen in die Top8 fahren. Dennoch benötigt sein TF107 dringend ein Performanceupdate. "Wir wissen, woran wir arbeiten müssen", sagt Ralf. "Die Testpause sollte also kein direkter Nachteil sein." Die wichtigsten Entwicklungen und Verbesserungen an seinem Auto seien ohnehin Aerodynamiksachen, "da kann man auch die Zeit ohne Tests gut im Windkanal nutzen." Damit sollten bis zum Saisonende wenigstens die schweren Ausnahmefehler verschwinden, das Saisonziel des ersten Toyota-Sieges bleibt wohl einer der Nachfolgerversionen vorbehalten.

Einer unter den sechs F1-Deutschen bräuchte eigentlich gar kein Update. BMW Sauber liegt wieder einmal über dem Soll, der Plan ist übererfüllt, denn Nick Heidfeld durfte schon zweimal auf dem Podium jubeln. Da mit Spa-Francorchamps und vor allem Monza noch zwei High-Speed-Strecken kommen, die dem F1.07 ganz besonders liegen sollten, sind die Weiß-Blauen gar nicht so versessen auf Patches und Updates. Die dringendste Verbesserung gab es nämlich schon zwischen dem Nürburgring und Budapest. Mit einem rigorosen Spezialpatch schloss Mario Theissen eine gefährliche Sicherheitslücke bei beiden Fahrern direkt nach dem Start. "Das wird nicht mehr passieren", bestätigt Nick. "Es hat uns am Ring ein Podium gekostet, das ist ärgerlich genug."

Keinen läppischen Patch, kein kleines Update, Spyker schenkt Adrian Sutil in der Türkei gleich ein ganzes Upgrade-Paket, quasi ein echtes Service Pack für den F8-VII. Die B-Version wurde stilecht schon lange vor dem Release angekündigt, nämlich vor Saisonbeginn. Aber wird sie die großen Erwartungen erfüllen? Zwischen 8 Zehnteln und einer Sekunde versprechen sich Sutil und Cheftechniker Mike Gascoyne vom neuen Auto. "Manchmal sieht etwas im Windkanal sehr gut aus und klappt auf der Strecke nicht mehr", bleibt Sutil vorsichtig. "Andererseits: es muss besser werden." Denn bislang konnte er in seiner Debütsaison höchstens mit seinem Teamkollegen kämpfen, alle anderen waren außer Reichweite - und Kollege Christijan Albers meistens zu weit hinter ihm. Zum Ausgleich küsste Sutil dafür hin und wieder die Wand. Dafür scheint er zuletzt aber einen eigenen Patch installiert zu haben.

Spyker lädt das Service Pack 1 für den F8-VII., Foto: Sutton
Spyker lädt das Service Pack 1 für den F8-VII., Foto: Sutton

Markus Winkelhock würde sich auch gerne am F8-VII SP1 erfreuen, aber er wurde selbst nur als temporärer Patch missbraucht. Seit Ungarn muss er sich wieder mit einer Zuschauerrolle als inaktive Systemroutine, quasi als geheimes Easter Egg zufrieden geben; vielleicht muss das Team diesen Cheat ja noch einmal freischalten... Sebastian Vettel ist momentan wohl der einzige Mensch, nicht nur in der F1-Welt, der sich über eine Rolle als öffentlicher Betatester freut. "Das Auto ist eine Herausforderung. Es macht Spaß zu wissen, im Team etwas bewegen zu können", sagt er. "Natürlich ist das Auto nicht so konkurrenzfähig wie der BMW, aber wir haben Zeit, das zu ändern; auch im nächsten Jahr." Diese Patchday-Einstellung teilt Sebastian mit den Redmonder Freunden. Nur Tonio Liuzzi passt das gar nicht ins Programm. "Vielleicht dachten sie [Franz Tost und Gerhard Berger], dass sie ihn ins Auto setzen und er direkt eine halbe Sekunde schneller ist als ich." Das war nicht der Fall, aber der nächste Patch ist schon angekündigt. Er heißt Sebastien, mit Nachnamen Bourdais und wird einen kleinen Eingriff ins System vornehmen - der Dienst Liuzzi wird ersetzt. Der Termin für den nächsten Patchday steht bereits fest.