Das Ungarn-Wochenende war die Fortsetzung der Testosteron-Kur in der Formel 1. Und um nicht missverstanden zu werden schicke ich eines voraus: Was Alonso im Qualifying mit Hamilton gemacht hat, war unsportlich. Ein grobes Foul, für das er beim Fußball je nach Schiedsrichter Gelb gesehen hätte oder zumindest verwarnt worden wäre. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber alle Kommentare wie "eines Champions unwürdig" halte ich für schwer übertrieben. Alonso hat seine Strafe ohnehin bekommen. Und er hat meines Erachtens das getan, was jeder Spitzensportler in seiner Situation getan hätte: Zuerst an seine Karriere gedacht. So wie im Profifußball jeder aufmüpfige Neuling in der Mannschaft nach den ersten Trainings mit blauen Flecken an den Beinen in die Kabine geht. Und da haben wir noch gar nicht vom Eishockey geredet...

Auch Everbodys Darling macht einmal einen Fehler., Foto: Red Bull
Auch Everbodys Darling macht einmal einen Fehler., Foto: Red Bull

Lewis Hamilton hat den Fehdehandschuh zuerst geworfen. Der talentierteste und reifste Neueinsteiger der Geschichte hat für einen Augenblick vergessen, dass sich die Welt nicht um ihn alleine dreht. Und ganz der gute Junge, der er einmal ist, ist er danach wie ein geprügelter Hund durchs Fahrerlager geschlichen. Er wusste: Ich habe Mist gebaut. Und damit ein Fass zum Überlaufen gebracht, dass ohnehin kurz vor der völligen Detonation stand.

Verlierer Nummer 1 - die FIA: Da eiert man jahrelang herum, dass Stallorder verboten ist. Dann gehen endlich mal zwei aus einem Team richtig aufeinander los und was machen die Rennkommissäre? Aus meiner Sicht wieder mal alles falsch: Statt Zivilcourage zu beweisen, bestraft man den einen, aber nur irgendwie halb. In einer anderen Rennserie hätte man wahrscheinlich gesagt: "Geht nach Hause, Ihr zwei Deppen und macht Euch das unter Männern aus!"

Verlierer Nummer 2: McLaren-Mercedes - ziemlich armseliges Krisenmanagement, finde ich. An einem Tag, an dem die Weltpresse jubiliert und über einen neuen Krieg der Sterne berichtet hat man die Nerven so zu tun, als wäre alles okay. Da geht eine Pressemitteilung raus, in der steht sinngemäß: Tolle erste Startreihe. Wir freuen uns auf ein spannendes Rennen. Das - mit Verlaub - grenzt an Veräppelung. Und ist doch ein Sinnbild dafür, welches Selbstverständnis man dort hat. Streng nach Ron Dennis: "We make history, you write about it!" Zumindest hatte man mit Tagen Verzögerung die Größe, sich dazu ordentlich zu äußern.

Lewis Hamilton soll das berühmte F***-Wort nie benützt haben. Das glaube ich dem Team sogar. Denn ich weiß nur zu gut, wie in der Formel 1 Gerüchte die Runde machen. Da sagt ein Wichtigtuer aus dem Team-Umfeld einem befreundeten Schreiberling irgendwas wie "...and I think he just told him to f*** off..." oder so. Aus der Interpretation des einen macht der andere eine gute Neuigkeit, die ein Dritter dann zitiert und irgendwann von einer windigen Website als Faktum präsentiert wird. Damit haben alle eine Quelle, die sie zitieren können und plötzlich weiß jeder: Da hat Lewis Hamilton seinen Ziehvater aufs übelste beschimpft. Selbst dabei war aber keiner.

Fernando ware gerne der Alleinherrscher in seiner neuen Heimat., Foto: Sutton
Fernando ware gerne der Alleinherrscher in seiner neuen Heimat., Foto: Sutton

Verlierer Nummer 3: Lewis Hamilton. Durch den teaminternen Hype zum Äußersten gepusht, hat er sich selbst plötzlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Gratulationen zum Sieg aus dem Team waren relativ kühl und bescheiden. Auch das ist Ron Dennis - er kann Fahrern einen wohligen Kokon spinnen, um sich perfekt abgeschirmt zu entwickeln. Er kann aber auch unglaublich kühl reagieren. Mit Liebesentzug - der Höchststrafe für ein Formel 1-Baby wie Hamilton.

Von den Fakten her ist in Budapest wenig passiert: Ein Betriebsunfall mit einer moderaten Strafe. Da haben Senna und Prost ganz andere Stücke geliefert. Da wurden Weltmeisterschaften durch absichtliche Kollisionen entschieden. Oder Piquet gegen Mansell: das ging von absichtlich früher reinkommen zum Stopp, damit man dem anderen das Rennen versaut bis zum versteckten Klopapier, als einer der beiden Durchfall hatte. Alle waren übrigens trotz Todfeindschaft Manns genug, sich trotzdem gemeinsam den Fotografen zum berühmten Viererfoto zu stellen. Dass das im Jahr 2007 - Jean Todt sei Dank - nicht mehr möglich war, das erscheint mir auch ein sehr vielsagendes Zeugnis über den inneren Zustand der Formel 1.