Die Formel 1, der Traum aller Nachwuchsrennfahrer. In den letzten Jahren ging dieser Traum für immer mehr Jungtalente in Erfüllung. Sebastian Vettel, Robert Kubica, Lewis Hamilton, Adrian Sutil, Nico Rosberg - die Liste an jungen Piloten lässt sich noch lange fortsetzen. Ex-F1-Pilot Marc Surer stellte deshalb schon die Frage in den Raum, ob die F1 zu einfach sei? Elektronische Fahrhilfen, Datenaufzeichnungen, Telemetrievergleiche mit dem Teamkollegen, erfahrene Ingenieure, perfekte Computersimulationen - all das führte dazu, dass die Neulinge gerne davon sprechen, dass die GP2 schwieriger sei, weil man dort keine Traktionskontrolle habe. Ein F1-Auto fahre sich wie ein Formel 3-Wagen. Neulinge wie Hamilton und Sutil hatten aufgrund der Reifenumstellung sogar einen Vorteil gegenüber erfahrenen Piloten wie Alonso, Wurz und Albers.

Aber keine Angst: die Formel 1 ist noch immer die Königsklasse des Motorsports, noch ist es nicht zu einfach, darin Fuß zu fassen und Erfolg zu haben. Das zeigt der Fall Scott Speed. Offen wurde der Amerikaner von seinen Teamoberen kritisiert, offen schlug er zurück. Zusammen mit Tonio Liuzzi stammt Speed aus dem Red Bull Junior Team. Mit den beiden Toro Rosso-Fahrern haben die Dosennachwuchsförderer zwei ihrer vielen Junioren in die F1 gebracht, aber wie lange bleiben sie noch darin? Sébastien Bourdais und Sebastian Vettel werden bereits offen als Nachfolger gehandelt, und zwar von der Teamführung selbst.

Eines wird dabei schnell vergessen: viele der Nachwuchstalente mögen schnell, begabt und viel versprechend sein, aber sie sind auch noch jung, unerfahren und unkonstant. Nicht jeder ist ein Lewis Hamilton, der bei seinen ersten neun F1-Rennen direkt auf das Podium fährt. "Man darf die Fahrer nicht verheizen", betont motorsport-magazin.com-Experte Sven Heidfeld. "Sie können nur Spitzenleistungen bringen, wenn sie sich wohl fühlen. Druck ist immer da, aber sie dürfen keine Angst haben, dass sie nach einem oder zwei schlechten Rennen sofort ausgetauscht werden." Man müsse ihnen Zeit geben; 18-20-Jährige sind eben noch nicht perfekt. "Zudem kann es auch am Umfeld, dem Team und dem Material liegen, dass sie nicht so erfolgreich sind."

Anfang 2007 war noch alles in Ordnung. Michael war Red Bull so wichtig, er wurde für einen Tag nach Australien eingeflogen., Foto: Sutton
Anfang 2007 war noch alles in Ordnung. Michael war Red Bull so wichtig, er wurde für einen Tag nach Australien eingeflogen., Foto: Sutton

Bei Red Bull scheint man diesen Punkten wenig Beachtung zu schenken - sowohl in der Formel 1 als auch darunter in der GP2. Der erste große Erfolg des Red Bull Junior Programms war Christian Klien, doch er wurde zu schnell aus der Formel 3 in die Formel 1 gehievt. Ende 2006 ließ man ihn dann fallen. Mit Michael Ammermüller glaubte man den nächsten großen Star an der Angel zu haben. Er kam direkt aus der Formel Renault in die GP2, gewann auf Anhieb am ersten Rennwochenende und stieg schnell zum F1-Testfahrer auf. Nach Kliens unfreiwilligem Abgang durfte er sogar als Freitagstester ran; für 2007 galt er als einer der Topfavoriten in der GP2. Dann die Wende: eine Handverletzung im ersten Rennen, eine lange Pause, kein besonders erfolgreiches Comeback und schon wurde Ammermüller wieder ins zweite Glied versetzt. An seiner Stelle wird Sébastien Buemi als neues Wunderkind gehandelt. Ammermüller kennt diese Rolle genau - ein Jahr zuvor wurde er genauso hochgejubelt, durchlief er die gleichen Stationen, in der gleichen irrsinnigen Geschwindigkeit.

Offiziell wird ein Comeback von Ammermüller noch nicht ausgeschlossen, doch schon am Nürburging kam die Frage auf: Wer würde denn jetzt als F1-Ersatzfahrer einspringen? Die anderen Red Bull Junioren besitzen keine Superlizenz. Die Antwort hätte man sich denken können: Ammermüllers Ersatzmann Sébastien Buemi feierte in Jerez sein F1-Testdebüt. Red Bull scheint aus dem Fall Ammermüller nicht gelernt zu haben. "Er hätte nicht so schnell in die GP2 geholt werden sollen", sagte Ammermüllers ehemaliger Formel Renault-Teamchef Andreas Jenzer schon vor dessen Austausch. "Ein Jahr Formel 3 wäre besser für ihn gewesen. Jetzt besteht die Gefahr, dass er verheizt wird." Zu spät. Buemi droht nun das gleiche Schicksal. Er soll parallel die Formel 3 EuroSerie fahren (und gewinnen), erste Schritte in der GP2 machen und F1-Tests bestreiten.

Vielen half Red Bull in den Motorsport, für manche ging es danach zu schnell nach oben., Foto: Sutton
Vielen half Red Bull in den Motorsport, für manche ging es danach zu schnell nach oben., Foto: Sutton

Diese Kombination wurde im letzten Jahr schon einem anderen Red Bull Junior zum Verhängnis. Auch wenn er es selbst immer abstritt, aber die Doppelbelastung mit Formel 3, Formel 1, Reisestress hin, Reisetress her kostete Sebastian Vettel 2006 viel Kraft und vielleicht sogar den F3-Titel. Aber es ist logisch, dass solche Strapazen an einem 18-Jährigen nicht spurlos vorbeigehen. Auch wenn er immer betonte: "Ich bin ja noch jung." Genau das war und ist er immer noch. Das musste auch Mario Theissen einsehen, der Vettel in dieser Saison an den Freitagen aufbauen wollte. Nach zwei Versuchen schenkte er dem Wehklagen der Stammfahrer Gehör und stufte Vettel zurück. Wirklich gelernt hat daraus also nur BMW, nicht Red Bull.

"Willi Weber macht das in meinen Augen mit Nico Hülkenberg und Christian Vietoris viel besser", sagt Sven Heidfeld. "Sie fuhren oder fahren im Formel 3 Cup, um langsam aufgebaut zu werden. Denn selbst von der Formel BMW in die Formel 3 EuroSerie ist es ein großer Sprung. Spitzenfahrer schaffen es immer irgendwie, aber lieber ein, zwei Jahre später in die F1, dafür aber kompletter und gereifter; das macht mehr Sinn." Dessen ist sich Weber bewusst, der mit Marco Wittmann noch ein drittes Jungtalent betreut. "Ich werde den Teufel tun und einen von ihnen ganz schnell dort [in die F1] hineinzwängen", sagte Weber im Interview mit motorsport-magazin.com. "Sie sollten jede Klasse beherrschen, in der sie fahren." Derzeit müsse jeder Fahrer in der Formel 1 sofort gewinnen und aufs Treppchen fahren. "Wenn er das nicht schafft, wird er gleich als nicht gut genug erachtet. Das ist im Moment eine Situation, die sehr, sehr unbefriedigend ist." Den drei Weber-Schützlingen in ihren roten Anzügen, roten Autos und mit ihren roten Kappen wird dennoch oder gerade deswegen eine große Zukunft vorausgesagt. Die vielen übrig gebliebenen Red Bulljunioren in ihren dunkelblauen Anzügen und den beiden Bullen im Logo müssen hingegen aufpassen, dass sie nicht von ihren Wappentieren auf die Hörner genommen werden.