Nun ist es also offiziell, wen Jean Todt am Sonntag in Silverstone gemeint hatte, als er von einem leitenden Mitarbeiter eines anderen Teams sprach, gegen den am Dienstag im Londoner High Court eine Anhörung beginnt. So ließ sich der Tagungsliste des Gerichts folgender Fall entnehmen: "Ferrari Spa v Coughlan & Anr". Anr steht dabei für another, also eine weitere Person. Damit ist der Name Coughlan nicht nur inoffiziell in die Spionageaffäre verwickelt, sondern erstmals auch offiziell aufgetaucht. Bislang hatte ja nur Nick Fry von ihm gesprochen und dabei ging es nur darum, dass er bei ihm wegen eines Jobs vorstellig geworden war und währenddessen keine Informationen angeboten oder ausgetauscht wurden.

Dementsprechend wenig Licht konnte er auch in die Angelegenheit bringen, als er unsere Kollegen von Autosport zu einem Gespräch traf. Denn für ihn waren Coughlan und auch Nigel Stepney einfach nur zwei Leute, die einen Job wollten. "Die Unterredungen, die wir hatten, waren genau so wie andere Unterredungen, die wir mit vielen anderen Leuten hatten." Natürlich hatte sich auch Fry gewundert, was denn los sei, als im Juni die Geschichten über das weiße Pulver in den Ferrari-Tanks auftauchten, doch deswegen machte er sich auch keine weiteren Gedanken, da Stepney und Coughlan einfach nur wegen Jobs bei ihm waren.

Als sich dann die Polizei einschaltete, wurde er etwas interessierter an der Sache. "Von unserer Seite haben wir das aber mehr oder weniger nur aus Interesse verfolgt, weil wir nichts damit zu tun gehabt hatten, außer dass wir mit ihnen gesprochen haben", erklärte er. Deswegen sah Fry auch keinen Grund, umgehend Ron Dennis über Coughlans Besuch zu informieren, als bekannt wurde, dass ein leitender Angestellter bei McLaren suspendiert wurde. "Ich denke, das war ein lächerlicher Vorschlag, wahrscheinlich von McLaren. McLaren hat am Dienstag etwas gemacht, als ich auf dem Weg nach Japan war. Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Grund für mich, einen Mitbewerber anzurufen und zu sagen: 'oh, übrigens, wir haben gerade einen von euren Leuten gesprochen.'"

Denn auch in der Formel 1 sind Jobgespräche vertrauliche Dinge, deswegen sähe es Fry als großen Vertrauensverlust gegenüber potentiellen Arbeitnehmern an, wenn er sofort deren aktuellen Arbeitgeber anriefe und ihm über das Gespräch erzählte. Und es gab noch andere Gründe. "McLaren hatte zunächst Mike Coughlans Namen gar nicht erwähnt, also wäre es für mich etwas bizarr gewesen, zu diesem Zeitpunkt einen Anruf zu tätigen. Zweitens war ich am Mittwoch auf dem Weg nach Japan. Als ich am Donnerstagnachmittag um 16:00 in Heathrow ankam, hat mich meine PR-Lady gebrieft, dass es aus anderen Quellen - wahrscheinlich Nigel - geheißen hatte, dass ich beide gesehen hätte. Zu diesem Zeitpunkt habe ich Martin Whitmarsh angerufen."

Als er am Freitag dann Ron Dennis und Jean Todt traf, sprach er mit beiden. Doch für Fry ist die Sache nach wie vor eine Angelegenheit zwischen Ferrari und McLaren. Sollte die FIA aber Kopien von E-Mails sehen wollen, dann würde man die ihnen sofort geben. Allerdings hatte Max Mosley am Wochenende betont, dass er keinen Anlass habe, zu glauben, dass Honda mit dem Fall etwas zu tun hat. Fry freute diese Aussage natürlich, dennoch ist er zu jeder Unterstützung bereit. Dass seine nicht sofortige Mitteilung an Ron Dennis bezüglich des Coughlan-Gesprächs das Verhältnis zum McLaren-Teamchef verschlechtert hat, glaubt Fry auch nicht. "Ich bin überhaupt nicht besorgt deswegen. Sie hätten sich genauso verhalten. Es gab keinen Grund, etwas zu tun, bis es zu dem Punkt kam, an dem der Name öffentlich war. Sie würden mich auch nicht anrufen und sagen: 'wir haben übrigens gerade einen von euren Leuten interviewt'", gab er sich etwas genervt.