Es begann wie ein rotes Märchen: Kimi Räikkönen fuhr an seinem ersten Rennwochenende für Ferrari allen davon, holte sich im ersten Rennen für den neuen Arbeitgeber seinen ersten Sieg und war somit der erste WM-Führende des Jahres 1 nach Michael Schumacher. Schon beim nächsten Rennen nahm sich der Märchenerzähler eine Pause, Rennen für Rennen verstrich, aber Räikkönen hatte Pech, machte Fehler und fiel mit technischen Problemen aus.

Schnell stand er im Kreuzfeuer der Kritik. Er sei noch nicht im Team angekommen, er sei zu langsam, arbeite nicht hart genug, komme mit den Reifen, dem Auto nicht klar. Die Spekulationen überschlugen sich: Er sollte ausgetauscht werden gegen Michael Schumacher, gegen Nico Rosberg, gegen Fernando Alonso, gegen jeden, der den Gerüchteköchen in den Sinn kam. Ausgerechnet in der Einsamkeit von Magny Cours scheint der Märchenerzähler wieder aus seinem Dornröschenschlaf erwacht zu sein; vielleicht haben ihn die Kühe vor Nico Rosbergs Motorhome geweckt. Nur eine Woche nach seinem zweiten Saisonsieg ließ Räikkönen in Silverstone den dritten folgen - zwei Siege innerhalb von sieben Tagen, plötzlich war er wieder der Ice Man, der große Herausforderer von McLaren. Kritik? Fehlanzeige.

"Ich habe Räikkönens Runden genossen", sagte Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo. "Diese fünf fehlerfreien Runden waren auf einem Level mit den besten von Michael Schumacher." Großes Lob vom Chef also. Es sollte nicht das einzige bleiben. "Wir wussten, dass wir bei Rennen wie Monaco, Kanada, Indianapolis nicht auf dem Level unseres Hauptkonkurrenten waren", sagte Jean Todt. "In Magny Cours und hier waren wir vielleicht wegen ihm besser." Balsam auf die finnische Seele. "Wir freuen uns über seine Leistungen. Jeder weiß, dass wir ein paar schwierige Rennen hatten, aber jetzt läuft es wieder rund für ihn", freute sich Kimis Renningenieur Chris Dyer mit ihm. "Er hat einen Schritt in der Performance gemacht, das kann man momentan sehen", betonte Stefano Domenicali. "Er ist jetzt viel schneller als noch vor ein paar Monaten." Noch fehlen ihm aber 18 Punkte bis zum Happy End.

Die 5 Fragezeichen

Saisonsieg Nummer 3 für Kimi Räikkönen., Foto: Sutton
Saisonsieg Nummer 3 für Kimi Räikkönen., Foto: Sutton

Was war das Problem mit den Reifen?
Pauschal lässt sich das nicht beantworten, doch die Reifen spielten auch in Silverstone eine wichtige Rolle - beim einen funktionierten sie besser, beim anderen weniger. Ferrari begann das Rennen mit den weichen Pneus, sie wollten ihren Startnachteil auf der schmutzigen Seite wettmachen und hatten ohnehin keine Probleme mit einer der beiden Reifenmischungen. Auch im zweiten Stint setzte Räikkönen auf die weichen. "Im dritten musste ich auf den harten gar nicht mehr pushen." Bei McLaren gestand man derweil ein, dass es vielleicht ein Fehler war, mit den harten Reifen zu starten. "Aber wir wollten nicht zu viel riskieren", sagte Lewis Hamilton.

Denn bei Renault und Toyota ging der Schuss nach hinten los. Jarno Trulli kämpfte das ganze Wochenende mit zu hoher Reifenabnutzung. Ralf Schumacher hatte erstaunlicherweise keine Probleme. Noch seltsamer war die Lage bei Renault: Dort hatte Heikki Kovalainen auf den ersten beiden Stints mit harten Reifen große Probleme. "Erst im letzten Stint fühlte sich das Auto besser und konstanter an." Da fuhr er mit der weicheren Reifenmischung. Bei Giancarlo Fisichella verhielt sich das Problem genau umgekehrt: Die ersten beiden Stints auf den harten Reifen liefen gut. "Nach dem letzten Stopp fühlte sich das Auto auf den weichen Reifen ganz anders an, es hatte weniger Grip", klagte Fisichella. "Das Auto war unkonstant, schwer zu fahren, fast, als ob es ein Problem gab."

Wieso konnte Hamilton nicht mithalten?
Am Samstag war er der strahlende Held - Pole für Lewis Hamilton beim Heim-GP. Doch im Rennen wurde er nach dem ersten Stint auf Position 3 durchgereicht. "Wenn Massa nicht sein Problem gehabt hätte, wäre ich wohl nur Vierter geworden", gestand er ehrlich. Woran lag das? "Ich wollte pushen, hatte aber Probleme mit der Balance", begann Hamilton. "Lewis hatte Probleme mit den Reifen", fügte Martin Whitmarsh hinzu. Im ersten Stint sei es noch gut gelaufen, der zweite sei enttäuschend gewesen. "Im 3. Stint hätte er schneller sein können, aber heutzutage musst du am ersten Rennwochenende die Motoren schonen."

So habe man schon früh gemerkt, dass Lewis allenfalls Dritter werden konnte, "deshalb haben wir seinen Motor für das nächste Rennen geschont", verriet Teamboss Ron Dennis. "Wenn man die nötige Pace nicht hat, sollte man vernünftig sein. Wir müssen auf den Punktestand achten und daran denken, was beim nächsten Mal alles passieren kann." Zusätzlich klagte Hamilton darüber, dass er das ganze Wochenende kein perfektes Setup gefunden hat. "Ich hatte mich hier für eine andere Abstimmung entschieden als Fernando, vor allem im Heckbereich - das war falsch, das hat mich einiges an Zeit gekostet", gestand Hamilton. "Schon im Qualifying hat es nicht ganz gepasst, aber da war es schon zu spät, um noch was dran zu ändern."

Lewis Hamilton konnte nur einen Stint vor Ferrari bleiben., Foto: Sutton
Lewis Hamilton konnte nur einen Stint vor Ferrari bleiben., Foto: Sutton

"Außer auf der Pole-Runde hat er es nicht auf die Reihe bekommen. Im Rennen war es auch so, er hat sein Auto nicht so perfekt abgestimmt wie Alonso, der bei diesem Rennen der stärkere war", analysierte Niki Lauda. "Die ganzen Engländer müssen realisieren: Ferrari und Alonso waren hier schneller. Er hat aber das Beste daraus gemacht, mehr kann man von ihm nicht verlangen."

Was ist bei Hamiltons Boxenstopp passiert?
Abgesehen vom Setup unterlief Hamilton noch ein weiterer Fehler: "Das Heck des Autos wurde abgesetzt, ich habe den ersten Gang eingelegt, war bereit loszufahren - ich dachte, dass der Lollipop sich etwas bewegen würde, aber ich lag wohl falsch." Deswegen ließ er die Kupplung zu früh los. "Man versucht immer so schnell wie möglich loszufahren, wenn der Lollipop hochgeht, ich wollte es vorausahnen, war aber zu früh." Das hat wertvolle Zeit gekostet, am Endergebnis aber nichts mehr verändert. "Nachdem er seinen Heim-GP angeführt hat, kann man einen kleinen Adrenalinstoß verstehen", war Martin Whitmarsh nicht allzu böse. "Er versuchte, so schnell wie möglich zurück ins Rennen zu gehen." Das misslang.

Was ist Massa am Start passiert?
Der erste Patzer des Rennens passierte Felipe Massa bereits am Start, sein Motor ging aus - aber ihn traf keine Schuld. Sobald der Fahrer in die Startaufstellung fährt, läuft ein automatischer Prozess an, auf den der Fahrer kaum Einfluss nehmen kann. Massa würgte den Motor also nicht ab, die Elektronik übernahm das für ihn. In der Box sprang der Motor sofort wieder an. "Wir müssen daran arbeiten, dass wir unsere Leistungs-Entwicklung vorantreiben, um wieder die maximale Zuverlässigkeit zu haben", fordert Jean Todt.

Wieso hat es gekracht?
Zweimal hat es gekracht, zweimal war ein Williams-Fahrer mittendrin. Bei Nico Rosberg endete der Kontakt mit David Coulthard noch ohne Karbonschaden. Dennoch war Rosberg sauer. "Das war nicht korrekt von ihm", klagte Rosberg. "Wenn ich ihm nicht aus dem Weg gegangen wäre, hätte es schlimmer enden können, das war meine Kurve. Ich war innen, aber er hat mich rausgedrückt, wir haben uns touchiert." Über Funk beschwerte er sich bei seinem Team, aber die Rennleitung sah keinen Verstoß des Briten.

Richtig geknallt hat es danach bei Alexander Wurz und Scott Speed. "Ich wollte die blaue Flagge von Alonso nutzen und mich vorbeipressen", sagte der Österreicher. "Er [Speed] ist dann komisch nach außen und dann wieder zurück." Der Amerikaner beurteilte die Situation anders. "Als wir in die Kurve kamen, wirklich nahe beisammen, entschied Alex sich für ein sehr optimistisches Manöver auf der Innenseite, konnte das Auto aber nicht halten, kam nach außen und fuhr in mich hinein. Ich habe Alex nicht gesehen, bis wir in der Kurve waren." Da war es schon zu spät.