Robert Kubica hatte in Kanada viel Glück, Nico Rosberg zuletzt beim Testen ebenso. Timo Glock hatte in Magny Cours ebenfalls eine Portion Dusel. Und Ernesto Viso kann sich nach dem GP2-Abflug bei seinen Schutzengeln gar nicht genug bedanken. Wer in den letzten Monaten beobachtet hat, wie risikobereit die junge Garde an den GP-Rennstrecken ist, der wird leicht nachdenklich.

Wir haben es heute mit einem komplett neuen Typus Rennfahrer zu tun. Kohlefaser-Kids, für die das Rennfahren immer noch ein Video-Game ist. Faktoren wie Fitness und Ausdauer spielen eine Rolle, um den Fliehkräften zu trotzen, die die Playstation noch nicht simulieren kann. Aber die Angst, sich ernsthaft wehzutun, existiert nicht mehr. Und je öfter ein junger Fahrer nach einem Totalschaden wie zuletzt scheinbar unverletzt am Tag danach das Krankenhaus verlässt, desto eher wird beim nächsten Mal wieder Gas stehen gelassen.

Der Kubica-Crash war nicht der einzige besorgniserregende Unfall., Foto: Sutton
Der Kubica-Crash war nicht der einzige besorgniserregende Unfall., Foto: Sutton

Ich habe mit Niki Lauda über die Unterschiede zwischen den Rennfahrer-Generationen gesprochen. Auch er sah sich dem Phänomen der übernatürlichen Jungen ausgesetzt: "Ronnie Peterson war so ein Übernatürlicher. Risikobereit und schnell. Aber Gilles Villeneuve war uns allen damals ungeheuer. Er hatte die größten Eier von allen." Beide haben ihren Mut mit dem Leben bezahlt. Und das ist es, was die Generation der Hamiltons, Rosbergs, Kubicas oder Visos so gefährlich macht.

Sie sind alle fantastische Rennfahrer mit perfekten Reflexen. Körperlich auf dem absoluten Höhepunkt und größtenteils intelligente Burschen. Aber als in der Formel 1 zuletzt die Sonne vom Himmel fiel, indem Senna und Ratzenberger aus dem Leben gerissen wurden, da hatten die Jungs zum Großteil noch ihre Milchzähne drin. Und von Gonzalo Rodriguez haben die meisten noch nie etwas gehört. Das Sterben im Rennauto steht nicht in ihrer 'job description'.

Sid sei Dank: Das Auto ist Schrott, der Fahrer bald wieder im Einsatz., Foto: Sutton
Sid sei Dank: Das Auto ist Schrott, der Fahrer bald wieder im Einsatz., Foto: Sutton

Sie sind groß geworden mit einem aalglatten Super-Hero Michael Schumacher, der nahezu unzerstörbar alle Rekorde brechen konnte. Ich behaupte mal, sie haben nie bewusst einen erwachsenen Mann um einen Sportskollegen weinen gesehen. Professor Sid Watkins ist für mich einer der größten Menschen im Grand Prix Sport (ich durfte mal live bei einer seiner Operationen im Londoner Princess Grace Hospital dabei sein. Aber das ist wieder eine andere Geschichte...). Durch seine unermüdliche Tätigkeit sind die Visos und Kubicas noch unter uns. Ich habe ihn mal gefragt, wie vielen Rennfahrern seine Sicherheitsstandards wohl das Leben gerettet haben könnten. Er nannte mir keine Zahl, aber lächelte wissend. Ich behaupte, es waren alleine seit Senna mindestens 10.

Das Paradoxe ist, dass der Rennsport eben dadurch wieder aus seinem Dornröschenschlaf geholt wird. Den Viso-Crash gab es bereits Minuten später auf Youtube in unterschiedlichsten Variationen. Die Sicherheitsstandards sind so perfekt, dass die Monocoques noch unversehrt bleiben, wenn dem Piloten bei einem Frontalcrash die inneren Organe zerplatzen. Oder wie es Professor Watkins sehr treffend beschrieben hat: "Stell Dir vor, Du steckst eine Melone in einen Sturzhelm. Dann wirfst Du den Helm aus dem 10. Stock. Der Helm hat vielleicht ein paar Kratzer. Und die Melone sieht auch noch ganz gut aus. Aber das Innere der Melone kannst Du rauslöffeln."

Der Schlauch gehört nicht ans Auto., Foto: Sutton
Der Schlauch gehört nicht ans Auto., Foto: Sutton

Das Problem der offenen Cockpits ist auch mit den besten Crashtests nicht gänzlich auszuschließen. Ich habe heute die größte Angst vor herumfliegenden Rädern oder ganzen Autos, gegen die ein festgeschnallter Fahrer im Cockpit trotz HANS-System machtlos ist. Bei Alex Wurz haben in Melbourne nur Zentimeter gefehlt, als David Coulthard über ihn flog, bei Timo Glock war es am Wochenende auch nicht viel mehr. Und wenn Viso eine Handbreit weiter hinten auf der Mauer einschlägt, geht die Sache nicht so glimpflich aus. Und dass Spyker die letzte Box bewohnt, hat sich bei Albers Tankrüssel-Experiment als Riesenglück herausgestellt. Nicht auszudenken, wenn er mit dem schweren Ding die ganze Boxengasse abgeräumt hätte. Kurzum, im Moment passiert mir ein bisschen zu viel von diesen Dingen. Und ich hoffe, ich bin nur ein ganz pessimistischer Schwarzmaler, und es ist alles eigentlich nur Zufall!