"Alles was wir sind, ist Sand im Wind, Hoschi", wussten schon die zwei großen Philosophen Bill & Ted zu sagen, als sie bei ihrer Reise durch die Zeit auf Sokrates trafen, den sie auch liebevoll Sockratte Johnson nannten. Und so wie Magny Cours wohl bald als Anekdote in der F1-Geschichte verschwinden wird, wird auch das Rennen vom vergangenen Sonntag nicht lange in den Köpfen der Menschheit bleiben - schließlich ist die blanke Statistik, die zurückbleibt, einfacher zu deuten. Da kann man schon philosophisch werden, so wie es auch vier Deutsche und ein Österreicher machten.

Zu solch tiefgehenden Weisheiten wie Bill & Ted ließen sie sich dann zwar nicht hinreißen, aber es ging ja auch nicht darum, einen virtuellen Philosophie-Wettstreit mit Sokrates, Hegel oder Kant auszutragen. "Es hat Spaß gemacht", lächelte Nick Heidfeld deswegen auch, nachdem er den Zweikampf mit Fernando Alonso von der geistigen Ebene auf die Strecke gebracht und statt mit den Waffen des Geistes mit jenen der Pferdestärke gekämpft hatte. "Ich hatte alle Hände voll zu tun, ihn hinter mir zu halten. Es war unheimlich spannend, er hat es öfter versucht, ich bin ab und zu Kampflinie gefahren, aber einmal ist er durchgeschlüpft", fügte er nach seinem Kampf um das Dasein in höheren Sphären an. Und er konnte einen Sieg erringen, denn am Ende stand es P5:P7 für den BMW Sauber-Piloten.

Bei Nico Rosberg verschob sich die Suche nach philosophischer Erleuchtung in die psychologische Ebene. "Ich habe mich heute nicht so wohl gefühlt im Auto, besonders auf den harten Reifen war es schwierig", sagte er uns nach seinem Ausflug in die Windungen des Seins von Magny Cours. Denn der Grip fehlte und damit war auch für ihn im Kampf gegen Denkerkollege Jenson Button nicht viel zu holen. "Das einzig Enttäuschende war Button, aber er ist ein saustarkes Rennen gefahren, ich konnte ihn einfach nicht schlagen." Er fand also doch noch eine philosophische Wahrheit, die gerade in Formel 1-Kreisen nur schwer zu ertragen ist: er wusste, dass er nicht überholen konnte. Die Doktrin, wonach manchmal weniger einfach mehr ist, half ihm deswegen auch nichts, denn Null Punkte sind weniger als einer und in der Formel 1 wird noch das klassische Gedankenmodell angewandt, wonach mehr Punkte besser sind.

Nichts Zählbares aber doch eine größere Erkenntnis, Foto: Sutton
Nichts Zählbares aber doch eine größere Erkenntnis, Foto: Sutton

Auch Ralf Schumacher musste sich damit abfinden, dass er nach der allgemeinen Faustregel nicht wirklich etwas Zählbares mitnehmen konnte. Doch er überwand diese gedanklichen Grenzen und stieß in eine neue Ebene des Denkens vor. "Das Rennen lief recht gut, abgesehen von der ersten Runde", forschte er nach dem Positiven im Meer des Wahnsinns von 70 Runden. Und er wurde fündig. In den Tiefen der philosophischen Zeitenstudie grub er eine Theorie aus, deren allgemeine Gültigkeit aber wohl erst in den nächsten Rennen ihre Bestätigung finden wird. "Wir haben weitergekämpft und gute Rundenzeiten gefahren, was das echte Potential des Autos gezeigt hat", meinte Ralf.

Die ständige Gier nach mehr, die in der heutigen Gesellschaft beinahe allgegenwärtig ist, beschäftigte Alex Wurz. "Überholen ist nicht einfach - ich machte ein Manöver, hätte aber mehr gebraucht", war dann der Kern der Weisheit des Österreichers. Doch nicht nur dort suchte er nach dem fundamentalen Mehr, das vor allem in einer Welt, welche die Ersten belohnt und die Letzten mit Gleichgültigkeit und Kritik straft, von übergeordneter Bedeutung ist. "Ich steckte im Zug hinter Coulthard fest und weder unsere Strategie, noch unsere Pace ermöglichten es uns, an ihm vorbeizukommen." Strategie und Pace sind es also, die im realitätsbezogenen Kontext den Unterschied zwischen Sein und Nichtsein ausmachen. Es ließe sich also die Formel aufstellen: Strategie + Pace = Katharsis.

Wie soll man diese aber erreichen, wenn sich die ganze Welt, physisch und metaphysisch, gegen einen verschworen hat. "Ich hatte ein Elektrikproblem am Start und musste deshalb ins T-Car wechseln", erklärte Adrian Sutil die Irrungen und Wirrungen, die ihn schon vor dem Start in den Wettstreit einbremsten und ihn danach dazu veranlassten, von einem "nicht perfekten Rennen" zu sprechen. Denn obwohl er dann eine recht gute Pace (wir erinnern uns an die Formel) gehen konnte, bekam er eine Durchfahrtsstrafe für eine zu schnelle Pace in der Boxengasse. (neue Formel: Strategie + Pace (-Boxengasse) = Katharsis). "Am Ende waren wir dann einfach nicht schnell genug an diesem Wochenende, um gegen irgendwelche Autos zu racen", musste er dann aber feststellen. Da blieb dann wohl nur noch die eine der ursprünglichen philosophischen Weisheiten übrig: irgendwann, werden die Letzten auch einmal die Ersten sein. Und vielleicht kehrt ja auch Frankreich wieder einmal in den Formel 1-Kalender zurück.