Für viele war es eine Überraschung, für Norbert Haug nur eine logische Konsequenz. "Für mich war Ferrari nie weg", sagte er nach dem Doppelsieg der Scuderia in Frankreich. Trotz des roten Erfolgs ist Haug mit der ersten Saisonhälfte zufrieden. "Die Hälfte der Aufgabe haben wir gelöst", sagte er. "Es hat uns geholfen, dass Massa nur zwei statt vier Punkte auf Lewis gutgemacht hat."

Das sieht auch Martin Whitmarsh so. "Wir sind in einer starken Position, führen komfortabel in beiden WM-Wertungen." Natürlich würde man am liebsten jedes Rennen mit einem Doppelsieg beenden, aber in Magny Cours waren die Plätze 3 und 4 das Maximum. "Ferrari hatte ein starkes Paket und wir haben als Team keine so gute Leistung gebracht. Am Samstag konnten wir das überspielen, aber in Realität waren die Plätze 3 und 4 für uns vorgesehen - wenn wir es hinbekommen hätten."

Dieses Vorhaben ging schief. "Wenn es Rennen gibt, wo du nicht 1. und 2. werden kannst, musst du 3. und 4. werden - also haben wir mit Fernandos 7. Rang effektiv nur 3 Punkte verloren", betonte Haug. "Wir haben also nicht allzu viel von unserem Polster verloren." Dieses könnte irgendwann noch einmal wichtig werden. "Denn es kann immer mal etwas passieren; ein Starttunfall, technische Ausfälle, dann ist es gut, von einem Polster zehren zu können." Den großen Rückstand auf Ferrari nimmt Haug nicht ernst. "Die halbe Minute ist für mich nicht realistisch." Hamilton habe schon früh den Speed rausgenommen, um den Motor zu schonen und sicher ins Ziel zu fahren.

Denn Whitmarsh wusste schon bald: "Es gab heute keine Strategie, die uns schnell genug gemacht hätte, um Ferrari zu schlagen." Also entschied man sich bei Hamilton für eine konservativere Lösung mit drei Stopps. Bei Fernando Alonso hätte man mit einer anderen Strategie vielleicht mehr erreichen können. "Er hat drei fantastische Überholmanöver gezeigt, aber das ist immer schwierig und kostet viel Zeit. Mit freier Fahrt, hätte er vielleicht besser abschneiden können." Alonso war auf einer Zweistoppstrategie unterwegs. "Vielleicht hätte er mit drei Stopps mehr freie Fahrt gehabt", mutmaßte Whitmarsh. Den frühen ersten Stopp in der gleichen Runde wie Hamilton erklärte er so: "Wir waren besorgt, dass Fernando hinter eine Fahrzeugkette zurückfallen könnte, die von Rubens Barrichello angeführt wurde." Deshalb tankte man früh und wenig. "Fernando kam drei Sekunden vor der Gruppe heraus, also war die Entscheidung richtig."

Nach drei Siegen in Serie mussten die Silberpfeile wieder eine Niederlage einstecken. Für Whitmarsh bedeutet das noch keine Trendwende. "Wir sind erst Mitte der Saison und werden uns nicht ausruhen, sondern weiter pushen. Vielleicht können wir den Spieß schon in Silverstone umdrehen." Die Streckencharakteristik in Magny Cours habe den Silbernen nicht so gut gelegen wie Ferrari. "Wir haben das Beste herausgeholt", so Whitmarsh. "Aber die Charakteristik lag uns wie in Barcelona nicht so gut." Bei den nächsten Rennen erwartet er jedoch keine Probleme. "Ferrari wird auf jeder Strecke schwer zu schlagen sein, aber wir sollten ab jetzt auch überall stark sein." Als WM-Favorit sieht Haug sein Team trotz der Führung in beiden Wertungen nicht. "Das Wichtigste ist: Wenn man Weltmeister werden will, muss man siegfähig bleiben - und auch siegen."