Die Ruhe hat ausgedient - Magny Cours im Portrait

Magny-Cours ist im Herzen Frankreichs gelegen - eigentlich ideal als Austragungsort für einen Großen Preis von Frankreich, könnte man meinen. Zu dumm nur, dass die Region in Burgund abgesehen von ihrer geographischen Lage alles andere als der französische Mittelpunkt ist. So ist Magny Cours, nahe der Stadt Nevers, in der Formel 1-Welt doch nur das Synonym für Verkehrschaos und tote Hose - nicht gerade die besten Vorraussetzungen für ein Gastspiel des Grand Prix Zirkus.

Dennoch macht Bernies lustige Truppe seit nunmehr 17 Jahren Station. Doch nun reichts! Aus und Vorbei! Der Zirkusdirektor bittet zur Abschiedsgala und weint dem Austragungsort keine Träne nach. Was soll er auch beweinen? Die vielen Kühe, die in der Region gezüchtet werden? Die vielleicht gerade nicht. Doch auch abseits der mondänen Weltstadt Paris und der malerischen französischen Atlantikküste entwickelt Frankreich seine Reize, selbst wenn es der Formel 1-Chef kam glauben mag.

Nachhilfe kann ihm einer seiner Artisten geben. "Ich freue mich auf Magny-Cours, weil der Kurs anspruchsvoll ist, weil ich die Landschaft schön finde, und weil man in Frankreich gut essen kann", sagt Nick Heidfeld über den Frankreich GP. Lassen wir den Kurs ausnahmsweise Mal beiseite und schauen, in welcher Landschaft sich der BMW Sauber-Pilot wohl fühlt. Denn die Region um Nevers liegt in einer hügeligen Gegend am Ufer der Loire, wo sie mit dem Nièvre zusammenfließt. Und diese Kombination aus Hügeln und Wasser verleiht ihr in der Tat ein recht malerisches und eben auch beschauliches Panorama, auch wenn die 1.012 Kilometer lange Loire als letzter großer Wildwasserfluss in Europa gilt.

Der Fluss prägt die Landschaft und lockt auch die Touristen ins Niemandsland, die die ländliche Idylle mit Kanufahrten oder Wanderungen zum Auftanken nutzen. Seinen Status als Naherholungsgebiet hat die Region schon seit vielen Jahrhunderten. So wird das Loire Tal häufig auch als "Freigehege der Majestäten" bezeichnet. Doch diese "Majestäten" sind dafür verantwortlich, dass sich entlang des Flussufers zahlreiche Schlösser in allen Baustilen vom sechsten bis ins zwanzigste Lahrhundert befinden - einzigartig in Europa.

Die vielen Baustile aus vielen Jahrhunderten deuten es schon an. Die Region hat nicht nur eine schöne Landschaft zu bieten, sondern auch eine bewegte Geschichte hinter sich. Kelten, Gallier, Römer, Franken - sie alle herrschten abwechselnd an der Loire. Und auch der Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich - ab 1340 - peinigte die Region. Jeanne d'Arc, Heldin jener Zeit, die 1431 als Ketzerin verbrannt wurde, ist heute Frankreichs legendäre Figur schlechthin.

Am stärksten spürbar wird die Geschichte in Nevers, der ältesten Stadt Burgunds. Schon zu römischen Zeiten existierte die Stadt als Siedlung unter dem Namen Neviodunum. Julius Caesar ließ während seiner Gallien-Feldzüge hier ein Nachschublager errichten. Im Jahre 1097 wurde die Kirche St. Etienne fertiggestellt, die als eine der besterhaltensten frühromanischen Sakralbauten gilt.

In der Touraine, 200 Kilometer westlich von Magny-Cours, wird das angeblich beste Französisch gesprochen. Hier lebten auch viele bekannte Dichter und Schriftsteller des Landes, unter anderem Honoré de Balzac. Sogar Leonardo da Vinci verbrachte seine letzten Jahre an der Loire, als "Erster Maler und Konstrukteur des Königs". Er starb 1519 in Amboise.

Neben der Schönheit der Landschaft lobte Nick Heidfeld auch das gute Essen in der Region. Für kulinarischen Hochgenüsse sorgen in der Burgund sorgen unter anderem das Charolais-Fleisch, Fisch aus der Loire und der Ziegenkäse aus der Region, die durch die Kunst der Köche entsprechend veredelt werden. Nicht zu vernachlässigen sind die Süßspeisen "Négus" und "Nougatine", die jedoch während eines Grand Prix Wochenendes nicht unbedingt auf den Speiseplan eines Formel 1-Piloten gehören - ebenso wenig wie die hervorragenden und weltbekannten Weine, die in der Gegend angebaut werden.

Doch spätestens im nächsten Jahr wird es mit dieser Beschaulichkeit vorbei sein. Der Zirkus sucht eine neue Kulisse für sein Spektakel. Irgendwann heißt es für Nick Heidfeld und Co. wahrscheinlich Triumphbogen statt Freigehege. Doch zumindest das Essen soll auch in Paris ganz gut sein.

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