Auch wenn Fernando Alonso im Moment ein bisschen im Schatten von Lewis Hamilton zu stehen scheint, zumindest sehr viele nicht-britische Experten sind sich einig, dass es Alonso war, der entscheidend dazu beitrug, dass McLaren-Mercedes in dieser Saison überhaupt wieder zum dominierenden Team in der Formel 1 wurde. Der letzte, der jetzt in diese Kerbe schlug, ist der zweimalige Weltmeister Emerson Fittipaldi, der betont: "Jedes Team bekommt einen ganz neuen Motivationsschub, wenn es den besten Fahrer verpflichtet", sagt der Brasilianer. "Und Fernando hat ja schon lange bewiesen, wie gut er ein Auto entwickeln kann. Er macht bei McLaren genau das, was er auch bei Renault getan hat."

Genau deswegen ist Alonso wohl auch nicht so ganz glücklich, dass ausgerechnet sein Teamkollege Lewis Hamilton so stark von seiner Arbeit profitiert. Dass bei McLaren-Mercedes der komplette freie Datenaustausch herrscht, ist nicht neu - das ist fester Bestandteil der Teamphilosophie der absoluten Gleichbehandlung beider Piloten, seit ewigen Zeiten. Aber selten ist die Situation halt so, dass davon einseitig ein Fahrer so stark profitiert, wie das sicherlich bei Hamilton mangels eigener F1-Erfahrung der Fall ist. Und noch dazu einer, der so gut ist, all das sofort aufzusaugen und auch sofort perfekt umsetzen zu können - so gut, dass er damit gleich zu einer echten Gefahr für den amtierenden Weltmeister wird. "Er hat all meine Daten, und auch die von Pedro de la Rosa vom Testen, ich bin sicher, dass das für ihn eine große Hilfe ist", meinte Alonso in Indy leicht säuerlich gegenüber spanischen Journalisten - wohl wissend wahrscheinlich, dass er an diesem Punkt nichts wird ändern können.

Am Samstag hatte Hamilton ja zugegeben, in Indy bis ins Qualifying hinein keine hundertprozentig optimale Abstimmung gefunden zu haben - dann plötzlich schon. Das wird auch nicht gerade dazu beigetragen haben, Alonsos Stimmung in dieser Hinsicht zu verbessern, eher im Gegenteil. Was auch mit der Gesamtsituation zu tun hat, die der langjährige McLaren-Mercedes-Testfahrer Alexander Wurz so analysiert: "Fernando muss mit neuen Leuten zusammenarbeiten und sie auf seine Seite bringen. Das ist eine Arbeit, die oftmals schwieriger ist als das Rennen auf der Strecke."

Während Hamilton da halt kein Problem habe: "Der ist in dem Team aufgewachsen ist. Das ist sein Vorteil. Er kennt das Team, die Struktur, die Leute - er hat dort eine Freundschaft aufgebaut, über viele Jahre, weil er immer dabei war. Die Schwierigkeit für Fernando ist: Er hatte eine ähnliche Situation bei Renault, ist dort groß geworden vom Testfahrer zum Superstar, zum zweifachen Weltmeister. Jetzt kommt er mit einer extrem großen Erwartungshaltung, mit seinem sturen Kopf, den er hat und durch den er zweifacher Weltmeister geworden ist, in ein britisches Team - und steht vor einem Neuanfang. Das ist nicht einfach. Aber er braucht diese Beziehung zu den Mechanikern, Ingenieuren, zum Teamchef, denn es geht nicht nur mit dem Kopf und mit dem reinen Speed."

Wobei letzteres garantiert das geringste Problem sein dürfte - mit der Teamführung, die seinen Beitrag zum Gesamterfolg sehr wohl zu würdigen weiß, hat Alonso garantiert weniger Probleme als mit der unteren und vielleicht auch noch einigen Leuten auf der mittleren Ebene. Da ist sein Pech ganz einfach, dass der Rivale Brite ist...