Der Standort änderte sich nicht, wohl aber die Perspektive. Timo Glock war in Montreal weiterhin gefragter Interview-Partner vor den Fernsehkameras. Aber der Odenwälder musste für einmal keine Fragen nach der eigenen Leistung beantworten - sondern selbst journalistisch denken. Denn er vertrat Hans-Joachim Stuck als Experte neben Moderator Peter Lauterbach.

Der Rollen-Wechsel sagte Timo außerordentlich zu. "Das Wochenende hat einen großen Teil dazu beigetragen, die Arbeitsweise und Bedürfnisse von Journalisten und Fernsehjungs besser zu verstehen", sagt er. "Es war interessant zu sehen, wie eine Sendung aufgebaut ist. Ich kann jetzt viel besser verstehen, dass die Journalisten hin und wieder mal unangekündigt mit einem Interview-Wunsch zu einem kommen müssen und sich dabei auch durchsetzen, wenn man eigentlich gerade andere Dinge im Kopf hat. Denn schließlich sind die Sendungen sehr genau geplant - da ist keine Zeit, lange auf ein Interview zu warten, wenn eine Live-Sendung läuft und man dringend ein Statement braucht."

Timo versuchte, "den Zuschauern die Strecke und das Geschehen von der Fahrerseite her näher zu bringen. Das fing mit reinen Fakten zur Strecke an. Besonders interessant wurde es natürlich, als die Safety-Car-Phasen kamen. Denn konnte ich sehr gut erklären: Was macht ein Fahrer jetzt? Mit wem wird am Funk geredet? Wer entscheidet, wann an die Box gefahren wird oder nicht?"

Timo bleibt lieber Rennfahrer., Foto: Sutton
Timo bleibt lieber Rennfahrer., Foto: Sutton

Über solche Informationen verfügen die meisten normalen Formel 1-Berichterstatter nicht. "Man merkt, dass die Formel 1 extrem abgeschottet ist", fiel Timo bei seinem Aushilfsjob durch Gespräche mit anderen echten Journos auf, "dass es für Journalisten extrem schwierig ist, wirklich hinter die Kulissen zu blicken. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, warum es bei der Berichterstattung hin und wieder zu Missverständnissen kommen kann."

Da Timo auch Testfahrer vom BMW Sauber F1 Team ist, trat er in offizieller Teamkleidung auf. Deswegen verzichtete er von Anfang an darauf, bei anderen Rennställen selbst auf Recherche-Pirsch zu gehen - sondern beschränkte sich voll auf seine Erfahrung aus dem Cockpit. "Mir hätte ohnehin niemand von einem anderen Team irgendwas gesagt..." Aber wenigstens die eigenen Teamkollegen standen ihm brav Rede und Antwort.

Der Arbeitsalltag eines Fernseh-Moderators unterscheidet sich laut Glock schon zeitlich reichlich von dem eines Piloten. "Wenn du fährst, bist du abends oft bis 20 oder 21 Uhr an der Strecke, um mit deinen Ingenieuren die ganzen Auswertungen durchzugehen und Änderungen oder Strategie zu besprechen. Jetzt hatte ich im Prinzip direkt nach Ende der Übertragungen Feierabend." Das gilt übrigens nur für die lieben Fernsehkollegen, die schreibende Zunft macht hingegen gerne das Licht im Media Centre aus...

Trotzdem nutzte er die unerwartet gewonnene Freizeit nicht dazu, sich in die Innenstadt von Montreal zu stürzen - obwohl der kanadische Grand Prix immer mit riesigen Stadtfesten rund um die St. Catherine Street und die Crescent Street einher geht. Keine Stadt lebt sein Rennen so intensiv wie Montreal. Auf den Straßen herrscht Gedränge, von überall her dröhnt Live-Musik, alle Restaurants und Kneipen sind voll. Timo ging aber nur einmal ins "Newtown", das Kult-Restaurant des kanadischen Ex-Weltmeisters Jacques Villeneuve essen. "Gut, aber teuer", befand er nach dem Abend-Mahl mit BMW-Vertretern. Und am Sonntag folgte ein Abschlussessen mit den temporären TV-Kollegen. Ansonsten blieb Timo dem Trubel fern. "Ich konzentrierte mich lieber darauf, bei den Besprechungen mit den Ingenieuren vom BMW Sauber F1 Team dabei zu sein, und blieb deswegen auch länger an der Strecke. Denn wenn ich schon mal die unverhoffte Chance zu einem zusätzlichen Grand Prix-Besuch bekomme, dann will ich auch die Gelegenheit nutzen, noch mehr zu lernen."