Die Formel 1 hielt den Atem an. In den ersten Minuten nach dem Horrorcrash von Robert Kubica in Runde 27 beim Großen Preis von Kanada herrschten Fassungslosigkeit und Angst um den Gesundheitszustand des polnischen BMW-Piloten. Auch Timo Glock machte sich zunächst ernsthaft Sorgen - bis die Entwarnung kam, dass es dem Polen gut gehe.

Der 25-jährige Odenwälder schaute das Rennen in der Hospitality vom BMW Sauber F1 Team. "Ich habe mir den Unfall nur ein einziges Mal angeguckt", berichtet er. "Nach den ersten Bildern stand ich auf und lief planlos in der Hospitality hin und her - nur, um irgendwo anders hinzuschauen." Als Testfahrer für das BMW Sauber F1 Team verfügt Timo über eine andere Perspektive als der normale Betrachter. "Ich war schockiert", gesteht er, "denn das war ein Unfall, wie ich in einer solchen Brutalität schon ewig nicht mehr gesehen habe. Im ersten Moment fürchtete ich: Der steigt da nicht gesund aus."

Das tat Kubica auch nicht. Er wurde ins Krankenhaus Sacré Couers gebracht - allerdings schon am Montag wieder entlassen, weil er nur einen verstauchten Knöchel und eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen hatte. "Ich war echt erleichtert, als ich hörte, dass er so glimpflich davon gekommen ist", strahlte Timo. "Aber bei einem solchen Unfall realisierst du, dass - egal wie sicher die Autos sind - immer was Blödes passieren kann. Man denkt darüber nach, dass man sich gerade mit einem Formel 1-Auto in Geschwindigkeits-Bereiche begibt, in denen der Körper einen Einschlag unter Umständen nicht mehr verkraften kann. Es gibt im Körper vielleicht Gefäße, die solche Kräfte irgendwann nicht mehr aushalten. Solche Gedanken kommen einem unweigerlich, wenn man sich mit dem Unfallhergang auseinandersetzt."

Am Tag 1 nach dem brutalen Crash begab sich Timo noch einmal an die Strecke auf der Insel Nôtre Dame im St. Lorenz-Strom - mit Premiere-Mitarbeitern musste er einen Spot über die Deutsche Post Speed Academy drehen. Die Dreharbeiten fanden in mittelbarer Nähe zur Kubica-Unfallstelle statt. "Wir waren auf der Tribüne neben der vorherigen Kurve", sagt Timo. "Deswegen mussten wir auch an der Unfallstelle vorbei fahren. Ich habe mir die Gegebenheiten dort noch einmal sehr genau angeguckt: Die Mauer ist nicht hoch genug; wenn Robert noch höher abgehoben wäre, hätte er sogar dort drüber hinwegfliegen können. Außerdem kommt sie in einem ungünstigen Winkel zurück. Und für nächstes Jahr sollte man in der Auslaufzone vor der Mauer vielleicht auch kein Gras mehr haben." Sondern rauen Asphalt, der ein rutschendes Auto drastischer verzögert.

Dennoch will Glock seine Analyse nicht als grobe Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen verstanden wissen: "Einen solchen Unfall hat es an der Stelle der Strecke noch nie gegeben. Er war für die Passage auch äußerst untypisch. Ich kann verstehen, dass die Streckenbetreiber ihn in solch einer Form nie erwartet hatten und deswegen jetzt auch anders über die Sicherheitsvorkehrungen nachdenken, als sie das aufgrund ihrer Erfahrungen aus all den langen Jahren, seit es diesen GP schon gibt, taten."