Die Erleichterung über das "Wunder von Montreal" ist natürlich überall riesig: Dass Robert Kubica seinen Horrorunfall in Montreal fast unverletzt überstand, hätte nach den ersten Bildern wohl niemand wirklich zu hoffen gewagt. Dass jetzt alle, einschließlich BMW-Motorsportdirektor Dr. Mario Theissen, die immer besseren Sicherheitsmaßnahmen in der Formel 1 preisen, scheint da nur logisch. "Vor zehn Jahren hätte er so einen Crash wahrscheinlich nicht überlebt," sagt Theissen.

Das Glück der heutigen Formel-1-Piloten: Die Autos sind unglaublich sicher geworden, die Kohlefaser-Monocoques können gewaltige Kräfte absorbieren, ohne sich zu verformen oder zu brechen, selbst bei einem Aufprall in einem äußerst ungünstigen Winkel, wie jetzt bei Kubica. "Zu meiner Zeit, in unseren Aluminium-Autos, wäre man bei so einem Umfall zweimal tot gewesen", sagt auch Niki Lauda, "da hätte man keine Chance gehabt." Dazu kommen noch weitere Errungenschaften: Vor allem das Sicherheitssystem HANS, das Kopf und vor allem den Nacken der Piloten - normal immer die größte Schwachstelle bei einem schweren Unfall - optimal schützt und abstützt. So blieb der Formel 1 die erste Tragödie seit 13 Jahren, seit den tödlichen Unfällen von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger in Imola, noch einmal erspart.

Kubica wurde weitestgehend unverletzt geborgen., Foto: Sutton
Kubica wurde weitestgehend unverletzt geborgen., Foto: Sutton

Daraus jetzt den Schluss zu ziehen, dass man dann ja weiterhin hohe Risiken eingehen und auch schon mal mehr als gewagte Aktionen probieren könne, könnte sich allerdings trotzdem als fatal erweisen. Wenn einmal nicht mehr alle Schutzsysteme und Schutzengel zusammen wirken, dann muss nicht immer alles so gut ausgehen wie diesmal in Montreal. Gegen ein herumfliegendes Aufhängungsteil etwa, wie 1994 in Imola bei Senna - wäre auch heute niemand wirklich gefeit. Pech und unglückliche Zufälle mit bitteren Folgen lassen sich nicht ausschließen, absolute Sicherheit bei Unfällen kann und wird es nie geben - wer daran glaubt, gibt sich Illusionen hin.

Das sollten sich auch einige Fahrer zu Herzen nehmen. Denn dass angesichts der "gefühlten Sicherheit" der letzten Jahre teilweise immer riskanter gefahren wird, nach dem Motto, "wenn es kracht, dann kracht es halt, passiert ja eh nix", war ja nicht erst im Chaosrennen von Kanada zu beobachten. Da allerdings zum Teil drastisch. Denn auch wenn man einerseits vielleicht nicht darauf herumreiten sollte - wegdiskutieren lässt sich die Tatsache nicht, dass ja auch Kubica für seinen Crash schon selbst verantwortlich war.

Niki Lauda sprach es ja in seiner sehr direkten Art deutlich aus: "Das war eine absolute Dummheit, das kann man an der Stelle einfach nicht probieren, jeder weiß doch, dass die Strecke hier neben der Ideallinie so dreckig ist, das man da keine Chance hat." Er könne wirklich nicht nachvollziehen, was sich Kubica bei der Aktion gedacht hätte - überhaupt, so Lauda, "haben bei diesem Rennen wohl einige Leute völlig ihr Hirn ausgeschaltet. Der eine, Trulli, fliegt dann hinter dem Safetycar voll ab, Massa und Fisichella fahren bei Rot aus der Boxengasse, andere landen auch mehr oder weniger unnötig in den Mauern. Sicher ist die Strecke hier kritisch, schnell, aber mit relativ kleinen Auslaufzonen, aber so viel muss nicht passieren..."

Hätte Trulli das Rennen vorzeitig aufgeben sollen?, Foto: Sutton
Hätte Trulli das Rennen vorzeitig aufgeben sollen?, Foto: Sutton

Wobei im Fall Trulli noch anzumerken bleibt: Der sagte ja ganz offen, nach dem Unfall ziemlich schockiert und von der Rolle gewesen zu sein, das Rennen sei ihm völlig egal gewesen. Dass er zugibt, dass da für einmal die menschliche Reaktion die Professionalität besiegte, ehrt ihn - genauso, wie es andere ehrt, dass sie, wie etwa Nick Heidfeld ihre vorhandene Sorge wegschieben konnten, ohne die Konzentration zu verlieren. Allerdings könnte man noch einen Schritt weitergehen und fragen: Hätte Trulli in dieser Verfassung dann nicht besser von sich aus aussteigen sollen? Und wäre es nicht schön, wenn in der Formel 1 und in der Öffentlichkeit eine Einstellung herrschte, die eine solche Entscheidung dann auch akzeptieren, den Mut zu außergewöhnlichen Entscheidungen in außergewöhnlichen Situationen respektieren könnte? Der Sicherheit aller wäre es sicher dienlicher...