In der 26. Runde hielt die Formel 1-Welt den Atem an. Um 19:41 Uhr hob Robert Kubicas BMW Sauber kurz ab, drohte sich rückwärts zu überschlagen, raste dann ungebremst in die Mauer, prallte zurück auf die Strecke, überschlug sich und blieb erst an der nächsten Mauer liegen. Eine knappe Viertelstunde später geht das Feld nach der zweiten von insgesamt vier Safety-Car-Phasen wieder auf die Reise. Erst einige Minuten später kommt die Entwarnung aus dem Medical Centre: Kubicas Zustand ist stabil, der Pole ist ansprechbar, kann sich bewegen. Er wird zu weiteren Untersuchungen per Helikopter in ein nahe liegendes Klinikum geflogen.

Das Chaos hatte begonnen., Foto: Sutton
Das Chaos hatte begonnen., Foto: Sutton

Soweit die wichtigste Nachricht des Tages. Sportlich setzte sich das britische Hamilton-Märchen fort - obwohl der erste Sieg von Lewis Hamilton vom Chaos verschluckt wurde. Denn der Große Preis von Kanada war eines der chaotischsten Rennen der letzten Jahre. Vier Safety-Car-Phasen, ein Horrorunfall, mehrere Stop-and-Go-Strafen, zwei schwarze Flaggen, Überholmanöver, blankes Chaos und eine kleine Sensation am Ende, als Takuma Sato zunächst Ralf Schumacher und dann Weltmeister Fernando Alonso überholte - in einem Super Aguri! Ralf und Fernando hatten mit dem Graining ihrer weichen Reifen zu kämpfen, während Sato auf den harten Pneus unterwegs war. Die Fans rissen die Szenen dennoch von den Sitzen.

So nahm es seinen Lauf

Er solle ihn doch bitte am Start vorbeilassen, forderte Fernando Alonso am Samstag von seinem Teamkollegen Lewis Hamilton. Doch der Brite nahm den Scherz des Spaniers erwartungsgemäß nicht ernst, er wollte seine erste Pole Position in seinen ersten GP-Sieg umsetzen. Also musste sich Alonso etwas anderes einfallen lassen. Auch dafür legte er sich schon am Samstag einen Plan zurecht: "Ich habe Felipe Massa in Malaysia überholt und in Spanien beinahe." Überholmanöver sind also möglich.

Die Überlebenszelle von Kubicas BMW rettete ihm das Leben., Foto: Sutton
Die Überlebenszelle von Kubicas BMW rettete ihm das Leben., Foto: Sutton

Das sollte der Kanada GP bestätigen, allerdings nicht wie von Alonso gewünscht. Der McLaren-Star wollte direkt in der ersten Kurve außen an Hamilton vorbei gehen, kam jedoch auf die schmutzige Spur und rodelte durch die Wiese - eine Szene, die sich noch zwei Mal an genau der gleichen Stelle wiederholen sollte. So fuhr Alonso nicht auf Platz 1 vor, stattdessen kam Nick Heidfeld auf Position 2 aus der ersten Kurvenkombination heraus. Alonso reihte sich dahinter als Dritter vor Felipe Massa ein. Der zweite Ferrari von Kimi Räikkönen verlor einige Plätze und rutschte hinter Nico Rosberg auf Platz 6 zurück. Noch schlimmer: Räikkönen beschädigte sich seinen Frontflügel, es sollten nicht die letzten Teile sein, die an diesem Sonntag flogen.

Das Chaos begann

Den ersten Mauerkontakt hatte ein Spyker: Christijan Albers schlitterte an der Mauer entlang. Dann krachte es zum ersten Mal richtig. Wieder war ein Spyker beteiligt. Diesmal landete Adrian Sutil in der Mauer. Das Aus für den Deutschen bedeutete die erste Safety Car-Phase des Tages und den Anfang vom Ende für vier Toppiloten. Fernando Alonso und Nico Rosberg begingen ihren Fehler bei der Boxeneinfahrt. Sie gingen zu früh an die Box, als diese noch nicht geöffnet war. Allerdings hatten sie keine andere Wahl, sonst wären sie ohne Sprit liegen geblieben. Für das Vergehen bekamen sie folgerichtig eine 10 Sekunden Stop-and-Go-Strafe aufgebrummt, die sie weit nach hinten zurückwerfen sollte. Felipe Massa und Giancarlo Fisichella begingen ihren Fehler bei der Boxenausfahrt; sie überfuhren wie einst Juan Pablo Montoya die rote Boxenampel und wurden dafür beide mit der schwarzen Flagge disqualifiziert.

Die McLaren beharkten sich - von Teamorder keine Spur., Foto: Sutton
Die McLaren beharkten sich - von Teamorder keine Spur., Foto: Sutton

Kaum war das Safety Car das erste Mal in die Box zurückgekehrt, musste es schon wieder auf die Strecke. Robert Kubica hatte seinen üblen Unfall, den er Gott sei Dank weitestgehend wohl behütet überstand. Nach der zweiten SC-Phase war das Feld endgültig durcheinander gewirbelt, hinzukamen die Strafen und Disqualifikationen. In Runde 50 musste das Safety Car erneut ausrücken. Christijan Albers hatte Teile seines Frontflügels ungünstig auf der Strecke verteilt. Aber auch das sollte nicht der letzte Einsatz von Bernd Mayländer sein. Kurz darauf rauschte Tonio Liuzzi in die berüchtigte Wall of Champions. Wieder ging der silberne Mercedes auf die Strecke, um Lewis Hamilton einzubremsen. Er war aber der einzige, der das an diesem Tag vermochte.

Ungewöhnliches Ergebnis

Neben Hamilton durften sich zwei deutschsprachige Piloten über einen Podiumsbesuch freuen. Nick Heidfeld fuhr das ganze Rennen im Schatten von Hamilton und belegte einen verdienten zweiten Platz. Als Überraschung schaffte Alex Wurz im Williams den Sprung aufs Treppchen - von Startplatz 19 und mit einem seit einer Kollision mit Scott Speed angeknacksten Heckflügel!

"Wir könnten uns hier nicht so für Nick freuen, wenn wir nicht wüssten, dass Robert fast nichts passiert ist", sagte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen. "Er ist im Krankenhaus, es steht fest, dass er keine größeren Verletzungen davon getragen hat." Insgesamt freute sich Theissen über ein starkes Rennen des Teams. "Auch Robert hätte heute aufs Podium fahren können. Das ist ein hoch verdienter Podestplatz." Das gilt auch für Wurz und Heikki Kovalainen, der zwar nicht auf dem Podest landete, aber immerhin Platz 4 einfuhr. Hinter ihm minimierte sein Landsmann Kimi Räikkönen den WM-Schaden mit Platz 6 - noch vor Takuma Sato und Fernando Alonso. Der letzte WM-Punkt ging an Ralf Schumacher. Dahinter kamen nur noch vier Fahrer ins Ziel - Webber, Rosberg, Davidson und Barrichello. Alle anderen schieden im Laufe des Chaos GP von Montreal aus.