Stadtkurse haben im Allgemeinen eines an sich: die Mauern und Leitplanken stehen nah an der Strecke. Das war in Monaco so, das ist in Montreal so. Im Gegensatz zu Monaco, wo jede Stelle eine Schlüsselstelle ist, gibt es in Montreal sogar einen besonderen Platz, um die Mauer zu küssen - die Wall of Champions. Doch gerade dort krachte es am Freitag noch nicht - dafür aber fast überall sonst.

Bei den Rundenzeiten ließ es vor allem Fernando Alonso richtig krachen - zweimal fuhr er deutlich Bestzeit. "Ein guter Start ins Wochenende", lautete die logische Bilanz, "aber ich glaube nicht, dass wir so dominieren werden wie in Monaco." Stattdessen sei es sehr schwierig, das Kräfteverhältnis auf dieser Strecke einzuschätzen. Besonders weil es am Freitag noch sehr rutschig war, die Strecke wenig Grip bot.

Nick Heidfeld war nah dran an der Mauer., Foto: Sutton
Nick Heidfeld war nah dran an der Mauer., Foto: Sutton

"Aber die Strecke wurde immer besser", analysierte Ferrari-Chefingenieur Luca Baldisserri die positiven Punkte des Tages. "Jetzt wissen wir besser, in welche Richtung wir gehen müssen." Das Kräfteverhältnis sei wieder mehr wie vor Monaco, als McLaren und Ferrari gleichauf waren, niemand um eine Sekunde vor dem anderen lag. "Es ist sehr eng und schon eine Kleinigkeit kann das Pendel in die eine oder andere Richtung schwingen lassen", betonte Baldisserri. Felipe Massa ist mit der Situation zufrieden. Er fuhr seine schnellste Runde auf neuen Reifen am Ende eines langen Trainingstages mit vielen Setupänderungen. "Das ist ermutigend", so sein Fazit. "Wir können um die Pole kämpfen. Aber wir erhalten erst morgen einen Hinweis darauf, wo wir im Vergleich zu den anderen stehen. Nämlich dann, wenn wir die gleiche Reifen- und Spritsituation haben."

Hinter dem Ferrari-McLaren-Quartett ist Nick Heidfeld der erste Verfolger. "Wir hoffen vorwärts zu kommen", sagt er, "müssen aber auch nach hinten schauen." Von da drängt seit Monaco Renault mit großen Schritten nach. "BMW ist unser erklärtes Ziel an diesem Wochenende", sagt Giancarlo Fisichella. Aber Heidfeld ist beruhigt: "Wir sind noch schneller als sie, aber ich wäre natürlich gerne näher an Ferrari und McLaren dran." Sein Ziel ist es, am Sonntag mindestens einen McLaren oder Ferrari hinter sich zu lassen, ob das gelingen kann, kann er aber noch nicht abschätzen. Im Duell Renault gegen BMW Sauber steht es nach dem Freitag 1:2 - nach Mauerkontakten. Heikki Kovalainen rutschte links an der Bande entlang, Robert Kubica rückwärts auf der rechten Seite. Für die Entscheidung sorgte Nick Heidfeld. "Ich habe die Mauer heftig geküsst, ich bin überrascht, dass dabei am Auto nichts kaputtgegangen ist."

Doppelt geknickt: Trullis Raudaufhängung., Foto: Sutton
Doppelt geknickt: Trullis Raudaufhängung., Foto: Sutton

Noch heftiger hätte eine andere Situation enden können: "Einmal bin ich heute Nachmittag auch in der Schikane geradeaus gefahren, weil da drei Leute rumbummelten, die offenbar Abstand gewinnen wollten, um eine freie Runde zu fahren", berichtet Nick. "Das fand ich ziemlich daneben. Da kommt man mit 300 km/h angeflogen..."

Genauso daneben empfand Mark Webber einen kleinen Geschwisterzwist mit Toro Rosso-Pilot Scott Speed. "Es war sehr interessant, seinen [Speeds] Fahrstil auf der Inlap zu sehen und wir hatten im Scheitelpunkt ein kleines Treffen. Ich war langsam, aber vielleicht hatte er auch seinen iPod eingeschalten", klagte Webber. Der Amerikaner beurteilte die Situation erwartungsgemäß umgekehrt: "Am Ende der Session, aus einem Grund, den ich nicht verstehe, hat Mark die seltsamste Sache gemacht, seitdem ich in der Formel 1 bin. Ich hatte keinen solchen Bremstest mehr, seit ich in den Karts gefahren bin." Die jungen und erfahrenen Bullen geraten eben gerne einmal aneinander...

Gleich zweimal knallte es bei Jarno Trulli. Einmal zu Beginn, einmal am Ende des 2. Freien Trainings. Beide Male war die Vorderradaufhängung gebrochen. Den Grund dafür konnte weder Trulli noch Toyota-Chefingenieur Dieter Gass nennen. "Momentan haben wir keine Ahnung, keine Idee, was wir machen sollen", war Trulli ratlos. "Der erste Aufhängungsbruch war kein so großes Problem, das kann passieren. Das Problem war das zweite Mal. Da haben wir uns gefragt: wieso passiert das? Da verliert man etwas Vertrauen ins Auto." Trulli setzt jetzt auf ungewöhnliche Hilfe: "Hoffentlich bringt mir der Helm meines Freundes Danilo De Luca Glück."