Auch Weltmeister lernen ständig dazu. Trotz zweier WM-Titel in Folge sieht sich Fernando Alonso in seinem neuen Team gerade erst einmal bei 85-90 Prozent seiner wahren Leistungsstärke angekommen. Einer der Gründe dafür sind die Reifen. Eigentlich sollten diese durch die Vereinheitlichung, den Wegfall eines zweiten Herstellers an Bedeutung verlieren. Eigentlich. Denn die neuen Einheitsreifen von Bridgestone haben eine besondere Charakteristik, wollen anders behandelt werden als ihre Vorgänger des Jahres 2006. Über den Winter mussten sich die Fahrer deshalb einen neuen Fahrstil aneignen - manche mehr, manche weniger.

"Sicher gibt es immer noch Dinge, die ich noch über das Auto und die Reifen lernen muss", gesteht Alonso, der in Monaco viel über das Verhalten der Pneus gelernt hat. "Wie sie sich über einen kompletten Stint verhalten, wie man sie über den kompletten Stint fahren muss, um sie optimal zu nutzen." Aber nicht nur der Weltmeister kämpft aufgrund seines aggressiven Fahrstils, seines extrem späten, aber harten Einlenkens mit den neuen Reifen. Das gilt auch für Kollegen wie Heikki Kovalainen, Kimi Räikkönen, Christijan Albers und Robert Kubica.

Der Pole gilt als eines der extremsten Beispiele, da er der aggressiven Fahrweise von Alonso am nächsten kommt. "Ich bin gespannt, wie ich mit den Bridgestone-Reifen im Vergleich zu den Michelin-Pneus aus dem Vorjahr klarkomme und wie ich meine Fahrweise anpassen muss", wird Kubica in der offiziellen Teamvorschau für den Kanada GP zitiert. Wenn es in der offiziellen Version schon so deutliche Worte gibt, dann ist die Wahrheit meistens noch einen Tick klarer. "Wenn ich auf zwei Monitoren nebeneinander die Aufnahmen meiner Onboard-Kamera vom letzten Jahr und von diesem Jahr sehe, dann sind es völlig unterschiedliche Fahrstile", verriet Kubica unserem Redakteur Juha Päätalo in einem Gespräch für den Kölner Stadtanzeiger.

Im Renault durfte Fernando Alonso noch instinktiv fahren., Foto: RenaultF1
Im Renault durfte Fernando Alonso noch instinktiv fahren., Foto: RenaultF1

Spätes Bremsen, scharfes Einlenken und sofort Beschleunigen - so zeichneten sich im letzten Jahr die Fahrsteile von Kubica und Alonso aus. "Ich bin möglichst lange geradeaus gefahren und habe erst in letzter Sekunde gebremst", erinnert sich Kubica. "Dann habe ich das Auto in die Kurve geschmissen, sehr aggressiv, und sobald das Lenkrad wieder gerade war, habe ich Vollgas gegeben." So konnte er die beste Bremswirkung erzielen und trotzdem so früh wie möglich wieder beschleunigen. Das brachte gleich zweimal wertvolle Zeit. Doch die Seitenwände der neuen Bridgestone-Reifen sind viel weicher als die der Michelins aus dem Vorjahr. Wenn er jetzt scharf in die Kurve einlenkt, fehlt ihm sofort der Grip - eine schlimme Krankheit für moderne F1-Autos. Um den Gripverlust zu verhindern, muss er viel früher als gewohnt einlenken. Auch beim Herausbeschleunigen verliert er Zeit. Er muss viel länger warten, bis die Hinterachse wieder genügend Grip bietet, die Reifen besser greifen.

Kubica mag diesen Fahrstil nicht. "Ich finde, dass damit nur noch ein einziger Fahrstil möglich ist", sagt er. "Ich musste alles ändern, nicht nur meinen Fahrstil, sondern auch die Abstimmung des Autos. So ein Auto muss man fahren wie ein Mädchen", klagt er. "Man muss fast ein wenig wie in der Formel 3 fahren", pflichtet Alex Wurz bei. "Ich hingegen bremse gerne weit in die Kurven hinein und nehme auch auf der Bremse viel Speed mit." Das funktioniere mit dem Einheitsreifen nicht so gut. Man neige dazu, das Auto zu überfahren und sei dann Mitte der Kurve schlecht positioniert. "Dadurch habe ich einen gewissen Vorteil verloren, den ich noch letztes Jahr hatte", sagt Kubica, "dasselbe gilt auch für Fernando Alonso und Kimi Räikkönen."

Wurz muss seinen Williams wie einen Formel 3 fahren., Foto: Williams
Wurz muss seinen Williams wie einen Formel 3 fahren., Foto: Williams

Und andere Fahrer. "Die Piloten, die einen aggressiven Fahrstil haben, wie Kubica, Alonso und vielleicht auch Kimi, ich glaube die haben zur Zeit die gleichen Probleme wie ich", beschwert sich Christijan Albers. Sein Teamkollege Adrian Sutil hätte deswegen einen Vorteil, denn er kennt die alten Reifen nicht. "Wenn du nicht weißt, was du hattest, dann lernst du einfach, wie es ist", spielt Albers auf Rookies wie Sutil und Lewis Hamilton an. Der dritte Rookie Heikki Kovalainen ist ein Sonderfall - er ist schon seit Jahren Renault-Testfahrer und hat zigtausend Kilometer mit den alten Pneus absolviert, zumeist auch noch Reifentests. "Ich fuhr den Renault so, wie es Alonso gemacht hat. Ich musste es dann aber wieder zurück ändern und dadurch kam ich näher an den Fahrstil von Giancarlo heran", erklärt Kovalainen. Fisichella gilt wie Heidfeld als Fahrer, der die Reifen schont - sie haben keine Probleme mit den neuen Pneus und können ohne Probleme auch einmal für einen langen Stint die weichere Mischung aufziehen.

Dass die Neulinge wirklich einen kleinen Vorteil auf diesem Gebiet haben, bestätigte uns Timo Glock schon nach seinem ersten BMW Sauber-Test im Dezember. Vorher war er seine letzten F1-Runden im Jordan gefahren - die 2006er Reifengeneration ließ er komplett aus. "Die Bridgestones waren letztes Jahr ganz anders als 2007", betont Alex Wurz, der ebenfalls zugibt, noch Probleme mit den neuen Reifen zu haben. "Es gibt Fahrer, die sich schneller an den Fahrstil der neuen Reifen gewöhnt haben." Allerdings sei es nicht so einfach, den instinktiven Fahrstil der Piloten zu ändern. "Wir haben uns über die Jahre an die anderen Reifen gewöhnt, das zu ändern, ist nicht einfach. Auch ich reagiere manchmal noch instinktiv falsch, man muss ein komplett neues Programm im Kopf entwickeln." Nicht nur Weltmeister müssen ständig dazulernen.