Die Welt ist in Aufruhr. Sie rast mit über 300 km/h auf 17 Asphaltbändern rund um sich selbst. Da geraten selbst der Klimawandel, das Ozonloch und die prophezeiten Umweltkatastrophen in Vergessenheit. Mit seiner Weltkugellackierung verstärkte Honda eine Lawine, die Max Mosley im letzten Jahr langsam ins Rollen gebracht hatte. Eine Lawine auf dem Weg zu einer grünen F1.

Technologien zur Energierückgewinnung aus Auspuffgasen und Bremsen sind schon seit dem letzten Jahr in der Entwicklung. Damit soll die F1 ihr Image weiter pflegen. Niemand soll ihr Umweltverschmutzung vorwerfen, wozu hätte Honda sonst eine (Um)Weltlackierung? Ganz besonders nicht, weil die FIA immer wieder daran erinnert, dass die F1 schon seit 1997 "carbon neutral" sei, weil man zum Ausgleich gefährdete Wälder schützt und neue Bäume pflanzt.

Alles wird grün: Der Nasenbär kommt zurück!, Foto: Sutton
Alles wird grün: Der Nasenbär kommt zurück!, Foto: Sutton

Nach dem Saisonstart zündete Max Mosley in Abstimmung mit den Teams heute die zweite Phase der grünen F1-Rakete. Die zweite grüne Welle kehrt zu den Wurzeln zurück: kein Jahr ohne neues Qualifying-Format! Nachdem es Honda in Melbourne vorgemacht hat (sie nahmen insgeheim aus Protest nicht an der dritten Qualifyingsession teil, weil ein (Um)Weltauto natürlich nicht an dem sinnlosen Spritverbrennen teilnehmen darf), zieht Mosley nach: die ersten beiden Qualifying-Abschnitte werden wie bislang ausgetragen. Das Top-10-Qualifying wird unterdessen um das Spritverbrennen erleichtert. Stattdessen tragen die besten Zehn das Q3 auf der neuen PlayStation 3 aus, womit Bernie gleichzeitig einen neuen Multimillionen-Dollar-Deal an Land ziehen konnte.

Anthony Davidson lernte den Streckenverlauf von Melbourne bereits am Monitor. "Es ist unglaublich realistisch und ich sollte meinen Vertrag ändern lassen und nur noch PlayStation spielen", sagte er vor dem Auftaktrennen. "So könnte ich für Super Aguri die WM gewinnen." Colin Kolles dürfte das nur ungern hören...

Doch der virtuelle Durchbruch ist noch nicht alles. Als erste Teams springen Red Bull und Williams auf den umweltfreundlichen Zug auf. Die roten Bullen holen den Jaguar R5 aus der Garage und tauschen den STR2 des Schwesterteams gegen das einzig wahre grüne F1-Auto aus. Spyker ist damit natürlich nicht zufrieden, ihnen gefiel ja schon die PlayStation-Qualifikation nicht. Obwohl das Auto völlig veraltet ist, kritisiert Colin Kolles, dass man keine illegalen Kundenchassis für Marketingzwecke nutzen dürfe...

Williams setzt ebenfalls auf eine Idee aus der Vergangenheit. In den vergangenen drei Jahren entwickelte man klammheimlich die Frontpartie des FW26 weiter. Jetzt schlägt die Stunde des Nasenbären! Zumindest rein optisch sollte sich der Nasenbär vom Typ FW29 in der grünen Formel 1 viel wohler fühlen als sein Urahn. Wer braucht jetzt noch den CDG-Wing? Nach den diversen Reifenmarkierungstests der vergangenen Woche bekommen die Bridgestone-Pneus einen grünen Punkt auf die Flanke. Dadurch werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe gestreichelt (schlagen würde ja sofort die Tierschützer auf den Plan rufen): eine Imagekampagne für Recycling und die optische Unterscheidung der Reifenmischungen.

Jacques, der Grüne., Foto: Sutton FM
Jacques, der Grüne., Foto: Sutton FM

Es tut sich etwas in der Formel 1. Davon ist nicht nur die Gegenwart betroffen. Denn den großen Schlager haben sich Bernie und Max für den Schluss ihres Presseschreibens aufgehoben: Audi steigt ab 2011 unter dem neuen Motorenreglement mit seinem Le Mans erprobten Dieselmotor in die Formel 1 ein. Bis dahin soll die Technik im Langstreckenprojekt verfeinert werden.

Fahrer hat man ebenfalls schon unter Vertrag genommen. Schon im Winter kursierten Gerüchte, jetzt ist es amtlich: Juan Pablo Montoya und Jacques Villeneuve tragen ab dem nächsten Jahr die Audi-Ringe. "Jacques und Juan Pablo passen perfekt in unser Team und unser Konzept", heißt es aus der Kommunikationsabteilung der Ingolstädter. "Sie sind unkomplizierte Fahrer, die genau unsere Corporate Identity widerspiegeln." Bis zum F1-Comeback werden sie in der ALMS Erfahrung mit dem R10 TDI sammeln. Zur Einstimmung auf die neue grüne F1 tauchte Villeneuve bei der Pressekonferenz mit grünen Haaren auf. Hoffentlich bekommt er von den Färbemitteln keine Kopfschmerzen wie nach seinem letzten F1-Rennen in Hockenheim 2006.

Übrigens beteiligt sich auch motorsport-magazin.com an der grünen F1. Allerdings nicht mit schrägen Haarfarben. Nein, wir haben auch keinen Kuhmist zum Ausgleich des CO2-Ausstoßes aller unserer Leser gekauft; das überlassen wir der FIA. Trotzdem ist motorsport-magazin.com das erste Motorsport-Magazin ohne CO2-Ausstoß, Max & Co würden es "carbon neutral" nennen. Warum? Hier stehen acht verschieden große Pflanzen allein um diesen Schreibtisch - das nennen wir grün...