Ist das nicht herrlich?
Nach monatelangem Rätselraten haben wir endlich ein klares Bild. Die Wintertests sind alljährlich das dringend benötigte Futter für eine gut geölte Maschinerie an Formel 1-Magazinen, Zeitungen, Websites. Die Aussagekraft hat sich zwar in den letzten Jahren deutlich erhöht, aber wie heißt es so schön: "Only when the flag drops, the bullshit stops!"

Wie oft waren in den letzten Jahren Teams "Winterweltmeister", nur um dann in die völlige Bedeutungslosigkeit zu verschwinden? Nachzufragen bei Prost, BAR, Jordan usw. Auf diese Weise gelang es sogar Red Bull Racing heuer im Februar in Jerez mal eine Tagesbestzeit aufzustellen. Dass dies ausgerechnet an jenem Tag passierte, da die Chefetage zu Besuch weilte, war wohl ein glücklicher Zufall.

Jetzt sind die Karten aufgedeckt, jetzt wissen wir endlich, wohin die Reise geht. Trotzdem warne ich vor voreiligen Rückschlüssen, die Kimi Räikkönen als neuen Weltmeister schon fix einplanen. Der Saisonauftakt hat immer eigene Gesetze. Da waren in den letzten Jahren Namen wie Coulthard, Barrichello, Fisichella drunter. Alle sind bis heute vom WM-Titel so weit entfernt wie ich vom Formel 1-Fahren.

Auf dem Weg zum Titelgewinn?, Foto: Sutton
Auf dem Weg zum Titelgewinn?, Foto: Sutton

Mit Prognosen muss man also vorsichtig sein.
Ich behaupte trotzdem: Der Champion 2007 wird Fernando Alonso heißen.
Warum? Weil er es drauf hat!
Ferrari sieht im Moment deutlich stärker aus, keine Frage.
Dennoch gibt es gute Gründe für meine Annahme.

Fernando ist ein Fahrer, der seine Mitte gefunden hat. Einer, der sich nahtlos in das neue Umfeld einfügt, sich seine Haare kurz schneiden lässt, unaufdringlich aber bestimmt in wenigen Wochen den Laden unter seine Kontrolle gebracht hat.
Einer, der auch erstmals in der Topliga der Gehaltsempfänger spielt - ein für die Psyche eines Rennfahrers nicht unwesentlicher Faktor.
Wer ihn und sein Team in Melbourne beobachtet hat: Da hatte man den Eindruck, hier wird seit Jahren zusammen gearbeitet.

Und mit 2 WM-Titeln im Gepäck hat er den Mut, Dinge anzusprechen. Es sei kein Wunder, dass Kimi mit dem 2006er-Auto keine Chance hatte, meinte er nach den ersten Tests. Wie viel "balls" muss einer haben, um zum Einstand seinem neuen Arbeitgeber auszurichten: "Euer Auto war Schrott..." Wie viel Respekt man im Team vor Alonso hat, zeigen Aussagen wie: "In einem Tag mit Fernando haben wir mehr gelernt als mit Kimi in drei Jahren."

Womit wir beim entscheidenden Punkt wären: Wer soll den Ferrari über die Saison weiterentwickeln?
Räikkönen hat mehrfach bewiesen, dass er kein Entwickler ist. Felipe Massa hat viel von Michael Schumacher gelernt. Aber er ist mehr der Instinkt-Racer. Bleibt Michael Schumacher selbst. Und der wird den Teufel tun, seinen Nachfolgern Ruhm und Ehre zu verschaffen. Ferrari hat meiner Meinung nach eine einzige Chance: Am Saisonbeginn das Maximum rauszuholen. Jetzt ist der Erfahrungsvorsprung mit den Bridgestones noch groß genug. Der Abstand wird von Rennen zu Rennen kleiner werden.

Schon die Trauer um den verlorenen Titel?, Foto: Sutton
Schon die Trauer um den verlorenen Titel?, Foto: Sutton

Problem Nummer 2: Massa und Räikkönen stecken mitten in einem beinharten Kampf um die Nummer 1. Beide wittern die Chance ihres Lebens und werden unter Garantie nicht zurückstecken. Was das im Kampf um WM-Punkte heißt, ist jedem Formel 1-Fan klar. Beide werden sich ans Limit treiben, um sich gegenseitig Punkte wegzunehmen. Da spricht die Arithmetik ganz klar für Alonso, der kaum zu befürchten hat, dass ihm Lewis Hamilton den Weg zum Titel versperren wird.

Dazu kommt die Teamstruktur in Woking und Maranello. Bei Ferrari ist Umbau pur. Mit Ausnahme der einzigen Konstante Jean Todt klafft dahinter ein riesiges Loch. Nicht zahlenmäßig, aber an Erfahrung. Und mit dem Abgang von Michael Schumacher ist auch das eine oder andere Kartenhaus zusammengebrochen. Todt regiert mit eiserner Faust - "management by fear" nennt man das. Einige haben davon die Schnauze voll.

McLaren hingegen brennt auf den ersten Titel seit 8 (!) Jahren. Ja, so vergeht die Zeit. Ron Dennis hat es geschafft, nach den Chaos-Jahren mit Montoya und Kimi wieder Ruhe reinzubringen. Viele belächeln ihn wegen seines scheinbar affektierten Auftretens. Doch ich behaupte: Der Typ hat es wirklich drauf. Von Lauda über Senna, von Prost über Mansell, von Häkkinen bis Kimi und Fernando - er hat es geschafft, das Vertrauen der wahren Champions zu gewinnen.

Als ich ihn einmal nach seinem Weg aus Krisensituationen gefragt habe, lächelte er nur milde und meinte: "Meine Kinder fragen mich manchmal Dinge wie: ‚Wie isst man Elefanten?´. Und dann sage ich: ´Ganz einfach: Stück für Stück für Stück..."