Es ist vorbei.

"Buongiorno a tutti." Der Mann der sich soeben in der ungewohnten roten Teamkleidung der Scuderia Ferrari der Weltpresse vorgestellt hat, ist Finne, wenig redselig, mag Rot viel lieber als Silber und bestreitet in Melbourne das erste Rennen einer neuen Ära - für ihn, für Ferrari, für die Formel 1. Die erfolgreichste Fahrer-Team-Konstellation der Geschichte ist selbige. Der Neuanfang hat begonnen.

Mehr italienische Sprachfetzen darf man vom neuen Mann in Maranello im Laufe des Jahres nicht erwarten, dafür aber Siege, Erfolge und vielleicht den ersehnten WM-Titel. Den ersten einer neuen Ära, den ersten nach Michael Schumacher. Irgendwann musste der Name ja fallen.

Buongiorno - er ist der Neue., Foto: Sutton
Buongiorno - er ist der Neue., Foto: Sutton

Das Team Aber nicht nur Schumacher hat Ferrari verlassen. Auch Motorenboss Paolo Martinelli und Technikdirektor Ross Brawn sind abgewandert, Ex-Chefdesigner Rory Byrne steht nur noch Teilzeit und für Zukunftsprojekte zur Verfügung. Ferrari wird wieder italienischer. Angefangen beim Logo mit der Tricolore, fortgesetzt bei der neuen Teamkleidung, die an Kimi Räikkönen bei dessen ersten Auftritt in Madonna di Campiglio noch so fremd aussah. Neuer Sportdirektor ist Stefano Domenicali, die Technische Leitung übernimmt Landsmann Mario Almondo.

Aber bedeutet italienischer auch chaotischer? Werden wieder Reifen verlegt, Schrauben verdreht und Strategien vermasselt? Die Gefahr besteht immer, aber sie ist minimal. Immerhin schwingen am Ende immer noch alte Bekannte das Zepter - noch dazu zwei Franzosen. Jean Todt ist der neue Ferrari-Boss, Gilles Simon hat die Leitung der Motorenabteilung übernommen.

Alle anderen Posten wurden, wie bei Simon, intern besetzt. Die langjährigen Mitarbeiter wurden für ihre Treue und harte Arbeit belohnt. Es hagelte Beförderungen und neue Positionen - wie beim Konkurrenten McLaren. Von dort kam der einzige Externe, der aber auch ein alter Bekannter ist: Nicolas Tombazis. Nur einer wurde bei den Beförderungen und Umstrukturierungen vergessen: Technikmanager Nigel Stepney. Prompt beschwerte er sich über die Presse, sprach offen von einem Teamwechsel. Ihm wurde eine neue Rolle in der Fabrik zugeteilt, vielleicht nur bis zum Ende seines Gardening Leave - also seiner Freigabe für ein anderes Team...

Die Titeljagd kann beginnen., Foto: Hartley/Sutton
Die Titeljagd kann beginnen., Foto: Hartley/Sutton

Trotz der vielen Umstellungen scheint das Team zu funktionieren. Auch Kimi Räikkönen fühlt sich in Maranello wohl. Er hat Spaß am Arbeiten, versteht sich mit den Ingenieuren und meint das ernst. Ferrari ist ein Top-Team mit viel Tradition, aber es ist dennoch ein ganz anderes Team als beispielsweise McLaren, die ebenfalls ein Top-Team mit viel Tradition sind. Aber bei den Roten genießt der Finne mehr Freiheiten, es geht lockerer zu als bei den Silbernen. Jedenfalls so lange der Erfolg stimmt.

Das Auto Das neue Arbeitsgerät von Michael... nein, der ist ja nicht mehr da; wenigstens als Rennfahrer. Ansonsten war er bei allen wichtigen Veranstaltungen vor Ort, egal ob Launch, Roll-Out oder letzter Europatest. Nur hielt er sich im Hintergrund, gab keine Statements ab und überließ der neuen Generation Taten und Worte. Spekulationen über seine Zukunft sind sinnlos. So schnell wird er sicher keine offizielle Rolle übernehmen.

Zurück zum Auto. Ferrari wurde schon im letzten Jahr vorgeworfen, dass sie einen unfairen Vorteil genießen würden, weil sie die Bridgestone-Reifen aus dem Effeff kennen. Ferrari widersprach: Nein, alles ist anders, alles ist neu, alle müssen lernen. Die Kritiker erwiderten, dass Ferrari die Reifen noch aus der Saison 2005 kenne würde, weil diese damals eine ähnlich harte Mischung gehabt hätten. An diesem Punkt intervenierte Bridgestone: Nein, die Reifen sind ganz anders, komplett neu. So schnell ließen sich die Verschwörungstheoretiker aber nicht ausbremsen. Plötzlich sollten die Reifen auf jenen von 2004 basieren, jener Saison, in der Ferrari das Feld nach Belieben dominierte. Wirklich Sinn macht das nicht, weil 2004 Reifenwechsel erlaubt waren und die Reifen ganz anders als 2005 und 2007 waren.

Kimi lag bislang hinter Felipe zurück., Foto: Sutton
Kimi lag bislang hinter Felipe zurück., Foto: Sutton

Einen Vorteil hat Ferrari trotzdem, das geben sowohl sie als auch Bridgestone zu: Sie kennen die Japaner schon seit Jahren, arbeiten seitdem ununterbrochen mit ihnen zusammen, kennen die Leute und Arbeitsweisen, haben diese sogar mitentwickelt und geprägt. Diesen Wissensvorsprung über Abläufe und Zusammenhänge kann ihnen niemand nehmen.

Die Tests Die neue Ära begann in zwei Teilen. Akt 1 fand im Dezember statt. In Abwesenheit von Kimi Räikkönen drehte Felipe Massa seine Runden mit dem Vorjahresmodell. Der Vorhang für Akt 2 wurde Mitte Januar zur Seite gezogen. Wieder war es Massa, der im Auto sitzen durfte. Räikkönen war aber nicht verärgert, immerhin kannte Massa das Team und das Auto, konnte beim Roll-Out also viel bessere Vergleiche ziehen. Er war die logische Wahl. Zunächst fielen die Testergebnisse des F2007 nicht berauschend aus. Es gab technische Probleme, Motor- und Getriebeschäden.

Hinzukam Kritik am Design des Autos. Die so genannten Experten beklagten den verlängerten Radstand, das höhere Gewicht, welches Probleme bei der Gewichtsverteilung mit sich bringen sollte, den Zero-Keel und die Gewichtsverlagerung auf die Hinterachse, wo doch alle anderen aufgrund der neuen Reifen den entgegen gesetzten Weg gingen. Am Ende des letzten Wintertests stand Ferrari trotzdem vorne und war plötzlich für alle der Topfavorit. So ist es in der F1.

Huckepack: Auch zuletzt gab es noch das eine oder andere Problem., Foto: Hartley/Sutton
Huckepack: Auch zuletzt gab es noch das eine oder andere Problem., Foto: Hartley/Sutton

Nachdem die "Alten" wie Brawn und Byrne den Weg freigegeben haben, setzen ihre Nachfolger Costa, Iley und Tombazis auf eigene Ideen. Sie gehen Risiken ein, beschreiten neue Wege. Das gilt vor allem für Tomabzis, der bei McLaren unter Newey viele Dinge gesehen hat - Dinge, die funktionieren und Dinge, die man besser unterlassen sollte...

Die Fahrer Erstmals seit Michael Schumacher 1996 bei Ferrari anheuerte, gibt es in diesem Jahr keine klare Nummer 1 im Team. Mit Massa und Räikkönen hat Ferrari zwei gleichberechtigte Fahrer. Also genau umgekehrt zu McLaren, wo man bisher auf zwei Fahrer setzte und jetzt Alonso die Nummer 1-Position hat. Werden sich Kimi und Felipe also gegenseitig wichtige Punkte stehlen? Machen sie es so der Konkurrenz einfacher im Titelkampf?

Bislang schien Massa bei den Tests die Oberhand zu haben. Vor Testbeginn sah die Mehrheit der Beobachter Kimi vorne und als neuen Top-Piloten und Titelanwärter der Scuderia. Allerdings vernachlässigten sie die Fortschritte des zweiten Mannes. Massa hat an der Seite von Schumacher viel gelernt, ist im Team beliebt, arbeitet hart an sich und am Auto, kann ein Auto weiterentwickeln, weiß es abzustimmen, passt zu den Südländern, spricht fließend italienisch und hat den erfolgreichsten F1-Fahrer aller Zeiten im letzten Jahr mehrmals im Qualifying und Rennen unter gleichen Bedingungen geschlagen.

Kann Kimi die finnische Finne hoch halten?, Foto: Sutton
Kann Kimi die finnische Finne hoch halten?, Foto: Sutton

Auf den Iceman trifft nur wenig bis gar nichts davon zu. Er gilt als eher trainingsfaul, ist kein Redner und Motivator, spricht kein italienisch, hat auch nicht vor, es zu lernen, ist kein großer Techniker, nimmt das Auto und fährt damit, ist aber kein Abstimmungskünstler und Fahrzeugentwickler. Marc Surer sieht das interne Duell trotzdem offen. Die Testergebnisse würden noch nichts aussagen. Kimi sei nur dann gut, wenn es darauf ankomme. Das sei bei den Tests noch nicht der Fall gewesen.

So oder so: Es wird eine spannende Saison. Intern bei Ferrari und extern gegen die starke Konkurrenz. Kann Felipe Massa den WM-Titel holen? Entschieden ja. Kann Kimi Räikkönen den Titel gewinnen? Genauso ja. Wenn das Auto gut und zuverlässig ist, wonach es momentan aussieht, können beide Fahrer um den Titel kämpfen. Mit einem schnellen, vielleicht sogar dem schnellsten Auto wird Räikkönen aufblühen. Erst wenn es einmal schwierig werden sollte, wird sich zeigen, wie gut die beiden Fahrer wirklich sind. Und wie gut Ferrari wirklich ist - ohne sie; Michael und Ross.

Die neue Ära hat begonnen., Foto: Sutton
Die neue Ära hat begonnen., Foto: Sutton

Das Fazit Mit Andauer der Testfahrten zeigte die Formkurve von Ferrari stetig nach oben. Beim letzten Test in Bahrain hatte man die Bestzeiten abonniert. War das vielleicht nur Taktik, wollte man die Konkurrenz an der Nase herumführen und in Sicherheit wiegen? Timo Glock und BMW hatten von Anfang an noch mehr von Ferrari erwartet. In Bahrain wurden ihre Vorhersagen bestätigt. Aber war es wirklich Taktik? Hat Ferrari die gesamten Tests vorher geblufft?

Daran glauben mag man nicht. Natürlich zeigt niemand bei den Testfahrten alles und kennt niemand die genauen Spritmengen, insofern bluffen alle auf die eine oder andere Weise. Aber absichtlich Teile zurückhalten und nicht ans Limit gehen? Genau dafür sind Testfahrten da. Um neue Teile auf Zuverlässigkeit und Performance zu prüfen, deren Auswirkungen auf den Rest des Autos zu checken und das am Limit. Es ist schwer vorstellbar, dass diesbezüglich jemand extrem blufft. Viel mehr war zu erwarten, was für alle Teams gilt: das letzte Aerodynamikupdate für den Saisonauftakt kommt immer erst beim letzten Test. Mit diesem sah es so aus, als ob die neue Ära rot beginnen könnte.

Es fängt gerade erst an.

Ferrari

Pluspunkte Minuspunkte

+ Testform Bahrain II
+ Budget
+ Bridgestone-Erfahrung
+ Motivation

- kein Schumacher
- Personalumstellungen
- keine Nr. 1

Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose

Langsam angefangen und dann das Tempo immer weiter gesteigert. Die anfänglichen Probleme wurden behoben, das Auto verbessert und im letzten Test aufgedreht. Eine gewisse Ungewissheit bleibt aber immer. Note: 2

Als Vizeweltmeister des Vorjahres gibt es nur ein Ziel: beide WM-Titel. Die Chancen scheinen besser, als vor einem Jahr zu stehen. Die neue Ära könnte wieder eine rote werden, aber noch haben Silber und Buntgesprenkelt nicht alle Karten aufgedeckt.