Red Bull Racing hat in den vergangenen Jahren den Personalmarkt leer gekauft, die Headhunter durch die Paddocks getrieben und den Geldbeutel bis zum Anschlag geöffnet. Doch letztlich ruhen die Hoffnungen des gesamten Teams auf nur einem Mann. Ein Mann soll das bestfinanzierte Privatteam aller Zeiten zum Erfolg führen. Soll den Nachfolger des chronisch erfolglosen Jaguar-Teams dahin zurückbringen, wo es unter dem allerersten Namen Stewart GP schon einmal war: auf den obersten Podestplatz. Dieser Mann ist Adrian Newey. Seines Zeichens Weltmeisterautobauer, Stardesigner und Aerodynamikgenie - nicht zwingend in dieser Reihenfolge.

Ein neuer Helm, ein neues Team, ein neues Auto - aber noch läuft es bei Webber nicht rund., Foto: Sutton
Ein neuer Helm, ein neues Team, ein neues Auto - aber noch läuft es bei Webber nicht rund., Foto: Sutton

Als Newey seinen Abschied von McLaren Mercedes nahm, suchte er eine neue Herausforderung. Statt sie mit einer Yacht für den Americas Cup zu suchen, fand er sie bei einem Privatteam - oder zumindest dem, was einem echten F1-Privatteam am nächsten kommt: Red Bull Racing. Auf die Konstruktion des RB2 für die Saison 2006 konnte er aufgrund seines späten Arbeitsbeginns keinen Einfluss mehr nehmen. Auch im Laufe des Jahres konnte er dem nicht konkurrenzfähigen Boliden keine Flügel verleihen. Sein Augenmerk lag auf dem RB3, für dessen Entwicklung schon Mitte 2006 die Weiterentwicklung des RB2 eingestellt wurde. Das Ergebnis ist der RB3, der erste Newey-Red Bull.

Das Team RBR hat auch für diese Saison das Team weiter verstärkt, allen voran mit Neweys kongenialen McLaren-Partner Peter Prodromou. Dessen Einfluss auf den RB3 ist jedoch noch gering. Dafür ist das Auto eine komplette Newey-Konstruktion, für dessen Bau er die Unterstützung von Top-Leuten wie Ben Agathangelou, Mark Smith und Rob Marshall genoss. Red Bull verfügt fast über zu viele gute Leute im Team. Nur die Infrastruktur ist noch nicht ganz auf der Höhe der Zeit; das Update des Windkanals wurde erst kürzlich abgeschlossen. Dennoch: So eine Ansammlung an Spitzenleuten und hoch qualifizierten Topstars in ihren jeweiligen Fachgebieten muss zwangsläufig ein gutes Auto bauen und Erfolge erzielen - jedenfalls rein theoretisch.

Webber und Coulthard mussten zu oft zu Fuß zurück zur Box laufen., Foto: Hartley/Sutton
Webber und Coulthard mussten zu oft zu Fuß zurück zur Box laufen., Foto: Hartley/Sutton

Das Auto Der RB3 ist ein typischer Newey-Bolide. Er weist alle Charakteristika der modernen Designphilosophie des Briten auf - ein enges Heck, kleine Kühleinlässe, er baut direkt auf dem McLaren-Konzept der letzten Jahre auf, welches mit dem sagenumwobenen MP4-18 seinen Anfang genommen hat. Allerdings war der 18er ein Reinfall, erst der 19B brachte die Wende für das Projekt; der 20er war dann der schnellste Wagen im Feld - aber immer noch unzuverlässig. Muss RBR also noch zwei Newey-Autos abwarten, bevor der große Geniestreich ins Bullenhaus steht? So viel Zeit wollte man sich dafür nicht nehmen. Newey steht alles zur Verfügung, was er sich gewünscht hat - das nötige Personal, ein nahezu unbeschränktes Budget und der gewünschte Renault-Motor, der als Weltmeistertriebwerk alles andere als schlecht ist. Jetzt muss nur noch das Auto stimmen, was bislang nicht der Fall ist.

Die Tests Der RB3 war bei den Wintertests zu langsam und gleichzeitig nicht standfest. Das ist die schlechteste aller Ausgangspositionen. Zudem klagten die Piloten, allen voran Mark Webber, über zu wenig Platz im Cockpit. Angesichts dieser Probleme war es vielleicht gar nicht einmal so schlecht, dass Red Bull zum Roll-Out des Boliden noch nicht einmal ein Press Release verschickte. Bei den letzten Tests in Bahrain schien sich das Auto etwas zu fangen, in Barcelona verbuchte Coulthard sogar eine Tagesbestzeit für sich, aber mit einem guten, beruhigenden Gefühl gehen die roten Bullen nicht in die neue Saison.

Coulthard & Webber sollen sich gegenseitig zu Höchstleistungen treiben - wenn das Auto mitspielt., Foto: Red Bull/GEPA
Coulthard & Webber sollen sich gegenseitig zu Höchstleistungen treiben - wenn das Auto mitspielt., Foto: Red Bull/GEPA

Die Fahrer Im letzten Jahr war die RBR-Fahrerpaarung eine Umsetzung des Duells alt gegen jung. In diesem Jahr ist von den vielen Red Bull-Junioren keiner mehr übrig - wenigstens nicht als Stammfahrer. Mit Mark Webber und David Coulthard setzt man auf erfahrene Piloten, keine Eigengewächse. Nur Michael Ammermüller ist als Testfahrer noch übrig geblieben. Robert Doornbos ist ein Zögling von Sportdirektor Christian Horner, der übrigens auch immer wieder mal ins Schussfeuer der Kritiker gerät.

Coulthard freute sich schon im letzten Jahr auf die Wiedervereinigung mit Adrian Newey. Immerhin hat der Schotte alle seine Grand Prix in einem Newey-Auto gewonnen. Derzeit sieht es aber so aus, als ob so schnell kein weiterer Sieg mit einem Newey-Auto hinzukommen sollte. Mark Webber kennt das Team noch aus seiner Jaguar-Zeit, das sollte ihm helfen sich einzuleben. Zudem wird er Coulthard mächtig einheizen und ihn zu besseren Leistungen antreiben. Schon bei den Tests war der Qualifyingspezialist meistens schneller. Trotzdem müssen sich beide beweisen und zeigen, dass sie noch zurecht in der Formel 1 sind.

Wohin führt der Weg von Red Bull Racing?, Foto: Patching/Sutton
Wohin führt der Weg von Red Bull Racing?, Foto: Patching/Sutton

Robert Doornbos wartet weiter auf den Durchbruch in Form eines Stammcockpits. Es ist fraglich, ob er jemals die Chance dazu bekommen wird. Dieses Jahr tritt er in der ChampCar Serie an, seine Chancen 2007 einen der beiden RBR-Fahrer zu beerben, dürften aber eher gering sein. Besser sieht es für Michael Ammermüller aus. Der RB-Junior gilt in dieser Saison als Mitfavorit auf den GP2-Titel. Wenn ihm der Titelgewinn oder eine gute Gesamtplatzierung gelingen sollten, könnte das die Eintrittskarte in die Königsklasse sein. Die GP2-Gewinner der letzten Jahre sind heute alle in der F1.

Das Fazit Red Bull mag in anderen (Marketing-)Sphären schweben als alle anderen, aber vor der neuen Saison hat man die Realität durchaus erkannt: Dem Team steht eine schwierige erste Saisonhälfte ins Haus. Selbst wenn man die Zuverlässigkeitsprobleme zu Saisonbeginn in den Griff bekommt und danach den Speed des Autos verbessert, wird es einige Zeit dauern, bevor man den Anschluss an die extrem starke und breit gefächerte Konkurrenz gefunden hat - selbst mit der Hilfe von Adrian Newey.

Entsprechend wird bereits langfristig geplant und gedacht. Diese Pläne müssen jedoch aufgehen, sonst droht großer Ärger. Denn mit diesem Budget und dieser Ansammlung an Fachkompetenz muss Red Bull über kurz oder lang Erfolg haben. Vorerst sieht es aber nicht danach aus, als ob dieser Erfolg schon bald eintreten wird.

Red Bull Racing Renault

Pluspunkte Minuspunkte

+ Newey
+ Budget
+ Renault-Motor

- Speed
- Zuverlässigkeit

Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose

Die Vorbereitung von RBR war mit einem Wort unbefriedigend. Sowohl der Speed als auch die Standfestigkeit fehlten dem ersten Newey-Auto. Note: 5

So wird das nichts. Aber Newey kennt die Schwächen des Autos und werkelt unermüdlich an Verbesserungen. Das wird nur seine Zeit brauchen. Hoffentlich dauert es nicht zu lange, um noch 2007 Punkte und vielleicht etwas mehr einzufahren.