Immer wieder Toro Rosso. Der Nachfolger des kleinen Minardi Teams sorgt nun schon im zweiten Jahr seines Bestehens in Folge für viel Wirbel vor Saisonbeginn. Im letzten Jahr wetterte die Konkurrenz über den - eigentlich nur für Minardi gedachten - Einsatz von gedrosselten V10-Aggregaten. Diese besaßen laut der Meinung von Oppositions-Wortführer Colin Kolles einen illegalen Leistungs- und Drehmoment-Vorteil gegenüber den V8 der anderen Teams. Letztlich erwies sich dies im Laufe der Saison nicht als entscheidend oder gar erwähnenswert.

Ein Jahr später das gleiche Spiel: Die gleichen Gegner beschweren sich über das gleiche Team aus fast den gleichen Gründen. Diesmal ist es aber nicht der Motor, sondern das Chassis, das die Konkurrenz für regelwidrig hält. Kundenchassis sind erst ab 2008 erlaubt - zudem beteuert Frank Williams, dass diese Regelung noch nicht endgültig sei, weil es noch kein neues Concorde Agreement gebe, das alle Teams unterschrieben hätten.

Toro Rosso sorgt auch im zweiten Jahr für Kontroversen., Foto: Sutton
Toro Rosso sorgt auch im zweiten Jahr für Kontroversen., Foto: Sutton

Da Toro Rosso einen modifizierten Boliden des Schwesterteams Red Bull Racing verwendet, drohen Williams und Spyker mit juristischen Schritten - übrigens genauso wie gegen Super Aguri, die angeblich ein Honda-Chassis einsetzen wollen. Eine Frage, die es zu klären gilt, lautet nun: Wird sich auch der Kundenchassisstreit am Ende als nicht entscheidend und nicht erwähnenswert herausstellen?

Das Team Viel hat sich seit den Tagen von Minardi getan, aber der einzige namhafte Neuzugang ist Alex Hitzinger. Er zeichnete im letzten Jahr für den vorzüglichen Cosworth-Motor verantwortlich, ist nun aber als Technischer Direktor von Red Bull Technologies und Toro Rosso hauptsächlich mit der Organisation des Teams und die Entwicklung der Energierückgewinnungstechnik für 2009 beschäftigt. Wie viel Einfluss er auf die Chassisentwicklung nehmen kann, ist fraglich, aufgrund des Chassis-Sharings mit dem Schwesterteam aber wohl auch nicht entscheidend. Schließlich hat Red Bull Technologies einen gewissen Adrian Newey unter Vertrag, der dürfte auch aus eigener Kraft, ohne Hilfe des Ex-Motorengurus, wissen, was er tut. Ansonsten blieb das Team stabil und kann auf die solide Leistung des Vorjahres aufbauen. Mit Gerhard Berger und Franz Tost wird die kleine Scuderia von einem erfahrenen und kompetenten Duo geführt. Nur eine Frage bleibt offen...

Bereit für den ersten Auftritt., Foto: Sutton
Bereit für den ersten Auftritt., Foto: Sutton

Das Auto Legal oder nicht legal? Das ist die Frage. Toro Rosso hat eine aus Teamsicht klare Antwort: legal, keine weitere Diskussion. Dies haben ihnen die Teamanwälte und die FIA bestätigt. Man ist sich der Sache sicher. Einen Plan B gibt es nicht. Sollte der STR2 in Melbourne nicht erlaubt werden, stünde man vor einem Gau. Die Begründung für die ruhigen Nächte der STR-Leute: Der STR2 hat einen anderen Motor als der RB3. Allein die andere Motorinstallation bedeutet, dass es ein anderes Chassis ist, darauf beruht die Argumentation des Teams. Weiter geht man darauf nicht ein. Die Unterschiede zwischen den beiden Autos will man nicht erklären - es seien eben andere Autos und man würde auch nicht die Unterschiede zum Williams erklären.

Rein äußerlich betrachtet waren die Unterschiede zwischen dem FW29 und dem RB3 bei den letzten Tests übrigens, dass der Williams standfest und schnell war, der RB3 größtenteils nichts von beidem. Die rechtliche Urheberrechts-Konstruktion scheint Toro Rosso Recht zu geben: Die Urheberrechte am Design liegen nicht bei Red Bull Racing, sondern bei Red Bull Technologies, die die Konstruktionspläne sowohl an RBR als auch an STR verkaufen. So redete man im Vorjahr bereits den auf einem RB1 basierenden STR1 legal. Klappt der Trick erneut? Max Mosley, Jurist, Schlaufuchs und FIA-Präsident in Personalunion, sagt ja.

Noch schwebt ein Fragezeichen über dem STR2., Foto: Sutton
Noch schwebt ein Fragezeichen über dem STR2., Foto: Sutton

Die Tests Obwohl der RB3 schon Ende Januar fuhr, ging der STR2 erst Mitte Februar erstmals auf die Strecke. Mangels eines Interimsautos für den neuen Ferrari-Motor testete man also nicht im Januar. Dadurch verlor man anderthalb Testmonate. Nach dem Roll-Out lief der STR2 zuverlässig und war standfester als das Schwesterauto; teilweise sogar schneller. Dennoch: Die Testerfahrung mit dem Auto ist gering. Wenigstens konnte man, im Gegensatz zum Konkurrenten Spyker, im Dezember mit dem Vorjahresauto testen. Auf diese Weise sammelte man erste Erfahrungswerte mit den neuen Bridgestone-Einheitsreifen.

Die Fahrer Es ging hin und her. Erst beim Roll-Out in Barcelona bestätigte das Team Tonio Liuzzi als Stammfahrer. Für die Bekanntgabe von Scott Speed brauchte man sogar noch zwei Wochen mehr. Warum? Diese Frage kann niemand endgültig beantworten. Es ging wohl um eine Mischung aus PR-Effekt und erhobenem Zeigefinger gegenüber den Piloten. Diesen warf man eine zu lockere Einstellung, zu wenig Entschlossenheit und Ehrgeiz vor.

Bei Partyhengst Liuzzi habe man im Winter eine Steigerung feststellen können, bei Speed eben noch nicht sofort. Dennoch dürften beide schon länger als Stammfahrer festgestanden haben, als es das Team zugeben möchte. Immerhin fuhr Speed bei den Demorunden in Abu Dhabi Ende Januar und waren beide im Februar bei den Dreharbeiten zum Red Bull Imagemovie dabei.

Wer wird 2007 auf die Hörner genommen: die Gegner oder STR?, Foto: Hartley/Sutton
Wer wird 2007 auf die Hörner genommen: die Gegner oder STR?, Foto: Hartley/Sutton

Der Durchbruch ist bislang noch keinem der zwei Fahrer gelungen. Beide müssen sich 2007 steigern, sie müssen beweisen, dass sie einen Platz in der Königsklasse verdienen. Jacques Villeneuve spricht ihnen dieses Privileg ganz entschieden ab. Andere Red Bull-Junioren scharren bereits mit den Rennschuhen. Sollten Speed und Liuzzi ihr Können nicht unter Beweis stellen, kann ihr F1-Abenteuer schnell vorbei sein, das hat das Beispiel Christian Klien gezeigt. Für ihn stieg Red Bull einst als großer Jaguar-Sponsor ein, im letzten Jahr wurde er dennoch vorzeitig abgesägt.

Das Fazit Die Erwartungen an Toro Rosso stehen und fallen mit der Entscheidung über die Kundenchassis. Sollte diese negativ ausfallen, stehen STR zwei Szenarien ins Haus: Sie dürfen mitfahren, aber keine WM-Punkte holen, oder sie haben ein großes Fahrzeugproblem. Sollten sie mit dem STR2 antreten dürfen, könnte ihnen immer noch ein Dilemma drohen. Denn der RB3 ist momentan noch nicht gerade der Hit. Andererseits sollte es helfen, wenn Adrian Newey am Auto arbeitet. Interessanterweise schien man bislang mit dem STR2 besser zu liegen als RBR mit dem RB3. Andererseits: Wer weiß schon mit welcher Spritmenge bei den Tests agiert wurde?

Red Bull sieht beide Teams als Konkurrenten. Sollte also das Experiment glücken und erlaubt bleiben (wonach es wohl aussieht), wird es interessant, wie gut sich Toro Rosso gegen Red Bull Racing schlagen kann und wie die Konzernmutter und der große Bruder in England reagieren, wenn die kleine italienische Schwester ihnen um die Ohren fahren sollte. Dafür müssten die Fahrer aber über ihren Schatten springen, denn wenn nur die Renault- und Ferrari-Motoren den Unterschied zwischen den Autos ausmachen (gleiche Reifen, fast gleiches Chassis, jeder ein Top-Motor), kommt es zum direkten Duell jung (Speed & Liuzzi) gegen alt (Webber & Coulthard). Nur das Niveau dieses Duells muss dann noch festgelegt werden: Findet es in den Punkterängen oder am Ende des Feldes statt?

Scuderia Toro Rosso Ferrari

Pluspunkte Minuspunkte

+ Ferrari-Motor
+ Alex Hitzinger
+ eingespieltes Team
+ RBR-Unterstützung

- später Testbeginn
- Auto spät fertig
- Chassisstreit
- Fahrerwirrwarr

Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose

Ungewissheit über das Chassis, spätes Roll-Out, noch spätere Fahrerwahl und wenig Tests. Die Vorbereitung hätte besser laufen können. Note: 4

Wenn der STR2 legal und konkurrenzfähig ist, könnte man einige Etablierte ärgern, darunter auch RBR. Ansonsten wird es so oder so ein Reinfall.