Der einzig richtige Weg

von Philipp May

2008 ist es nach langer Durstrecke wieder so weit. Wenn Prodrive als zwölftes Team hinzukommt, wird es wieder ein volles Starterfeld mit 24 Autos geben - nach über 10 Jahren. Das verspricht Spannung auf der Strecke, ein engeres Feld, mehr Überholmanöver und auch mehr Sieg-, Podest- und Punkteanwärter. Was will man als Formel1-Fan denn noch mehr?

Welches Auto versteckt sich hier? Vielleicht spielt die Antwort bald keine Rolle mehr..., Foto: Sutton
Welches Auto versteckt sich hier? Vielleicht spielt die Antwort bald keine Rolle mehr..., Foto: Sutton

Die Horrorvision, dass alle Top-Teams drei Autos an den Start bringen müssen, nur damit Bernie Ecclestone 20 Autos im Feld hat, wozu er nach den TV-Verträgen verpflichtet ist, scheint abgewendet. Stattdessen werden Erinnerungen an die goldenen 80er Jahre wach, als es noch eine Vorqualifikation gab, um den Grid zu begrenzen.

Wie ist der große Marsch in die Königsklasse für so viele auf einmal wieder möglich? Schließlich ist es gar nicht so lange her, dass die Teams reihenweise aus der F1 ausscheiden mussten. Prost oder Arrows sind nur zwei von vielen Beispielen. Der Grund ist einfach: Mit Kundenchassis wird der finanzielle Aufwand gerade für die kleinen Teams auf ein normales Maß reduziert. Und nur durch konsequente Kostenreduzierung kann die Formel 1 langfristig mit allen Herstellern erhalten bleiben.

Schon seit Jahren werden private Teams mit Kundenmotoren beliefert und niemand nimmt Anstoß daran. Warum sollte es auf einmal den Geist der Formel 1 zerstören, wenn dies nun auch mit dem Chassis möglich ist? Auch wenn offiziell von der "Konstrukteurs-WM" gesprochen wird, so meint man doch die "Team-WM". Und genau darum geht es in der modernen Formel 1: Die Abstimmung des Gesamtpaketes Fahrer, Chassis, Motor, Reifen etc. durch das Team ist entscheidend und nicht die schönste Skizze auf dem Reißbrett.

Und nicht zu vergessen nervt die ewige Diskussion um angeblich illegale Kundenchassis bei Super Aguri und Co. nur noch, und es ist an der Zeit, dass diese Never Ending Story endlich beendet wird. Also kann das Fazit nur lauten, Kundenchassis zuzulassen ist der einzig logische und damit richtige Weg.

Das böse Wort

von Stephan Heublein

Vor Saisonbeginn 2006 waren die gedrosselten V10-Triebwerke der Scuderia Toro Rosso der große Aufreger. Ein Jahr später stehen die Jungbullen erneut im Mittelpunkt der Aufregung: Diesmal ist es die Kundenchassis-Diskussion, die die F1-Welt in Atem hält. In kleinerem Ausmaß gab es diese übrigens auch schon 2006...

Eigentlich spricht alles für die Benutzung von Kundenchassis. Mehr konkurrenzfähige Autos, härtere Kämpfe um Platzierungen, Podestplätze und vielleicht sogar Siege. Das sollte dem geneigten F1-Fan doch reichen. Andererseits plädierte genau dieser F1-Fan in der großen FIA-Fan-Umfrage nicht nur für mehr Überholmanöver. Er wollte auch mehr Technologien.

Machen bald nur noch die Farben den Unterschied?, Foto: Sutton
Machen bald nur noch die Farben den Unterschied?, Foto: Sutton

Damit schwimmt er auf der gleichen Wellenlänge wie die Hersteller, deren Hauptargument in den Regeldiskussionen mit Max Mosley die Entwicklung neuer Technologien ist - egal ob auf Motoren-, Elektronik- oder eben Chassisseite. Aber ist die F1 noch die Königsklasse des Motorsports, wenn jeder - zugestanden gute - Geschäftsmann sich einen Motor und Chassis kaufen und damit Erfolge feiern kann?

Wo bleibt dann der Ruf der britischen Bastelbuden? Wo der Wettkampf der Konstrukteure, der im Konstrukteurs-WM-Titel gipfelt? Was ist das für ein F1-Team, wenn es noch nicht einmal Designer, Aerodynamiker und Konstrukteure beschäftigt? Wenn es noch nicht einmal ein eigenes Auto entwirft oder gar zusammenbaut? Wo bleibt der Charme eines Sauber Teams, der Hard Rock eines Eddie Jordan, die Sympathie für das Minardi Team? Als B-Teams der großen Automobilhersteller werden sie kaum ein tolles Image erlangen - schließlich kämpfen schon die Hersteller selbst um und mit ihrem Ruf.

Noch gefährlicher wird es, wenn den Chassislieferanten Einfluss auf die Kunden unterstellt wird - ja, bei den Motoren funktioniert es, aber auch hier wurde Ferrari oft eine Beeinflussung der Sauber-Strategie vorgeworfen. Wenn ein Team ein komplettes Auto erwirbt, dürften diese Schreie nicht weniger werden. Teamorder mag verboten sein, aber was ist bei Inter-Teamorder zwischen zwei verschiedenen Rennställen?

Dem Interesse an der Formel 1 dürfte das nicht gut tun. Unser Kollege Peter Windsor schrieb deshalb in seiner F1Racing-Kolumne offensiv: "Am Sonntag packt jeder seinen blauen McLaren oder gelben BMW ein und schickt ihn an den Hersteller zurück. Wenn das die Zukunft der F1 sein soll, dann könnte man es genauso gut auch ChampCar nennen." Schließlich tendiert die Formel 1 mit Einheitsreifen, Einheitselektronik, eingefrorenen Motoren und einer möglichen Einheitsaerodynamik immer mehr in Richtung einer Einheitsformel.

Mit böser Zunge könnte man also behaupten: Ein voller Grid ist erstrebenswert, aber nicht auf Kosten richtiger Fahrzeugkonstrukteure und zu Gunsten von eingekauften und schlimmstenfalls fremdbestimmten Autos. David Richards und Prodrive haben den letzten Platz im 12er Grid verdient, denn sie besitzen alle Voraussetzungen und Fähigkeiten ein eigenes Auto zu bauen. Genau das sollten sie auch machen, ansonsten sollte vielleicht einer der angeblich vielen, vielen anderen Anwärter auf den letzten freien Platz die Chance erhalten ein echtes Formel 1-Team aufzubauen. Manchmal ist weniger eben doch mehr.