Es ist jedes Jahr das gleiche Prozedere: Kaum hat der Weihnachtsmann unsere Stuben erobert und hoffentlich ein paar hübsch verpackte Pakete zurückgelassen, richtet sich der Blick auf das große Neujahrsfeuerwerk. Für motorsport-magazin.com bedeutet das: der Geburtstag rückt näher. Am 1. Januar 2001 öffnete ein damals noch f1welt.com getauftes Formel 1-Portal seine virtuellen Pforten. Seitdem sind unzählige Terrabyte die Datenleitungen des Internets hin und her geflossen und wurde aus f1welt.com das Motorsport-Magazin motorsport-magazin.com.

Wir werfen mit Ihnen einen Blick zurück auf die besten, lustigsten oder einfach nur skurrilsten Artikel des vergangenen Jahres 2006. Wenn wir Schreiberlinge unsere Arbeit richtig machen, bleiben unsere werten Leserinnen und Leser von Ihnen verschont: den Team Press Releases und ihren sinnlosen Worthülsen. Leider gilt das nicht überall, so dass die totale Phrasendrescherei andernorts Hochkonjunktur hat. Wir nahmen die Zettelwirtschaft der Pressemitteilungen schon vor Saisonbeginn ins Visier.

PR-Alarm: Sie sind wieder da!

BMW Sauber, Renault, Toyota, McLaren, Williams und selbst Super Aguri haben eines verschickt. Nur Ferrari hat auch weiterhin keines.

Stephan Heublein, Erstveröffentlichung: 7. März 2006

Egal ob in Papierform, per Fax oder per digitaler Ausgabe im E-Mail-Posteingang: Die Preview Press Releases sind wieder da!

Nicht dass wir diese inhaltslosen Textchen über den Winter vermisst hätten. Schließlich gab es in Form von Test Press Releases genügend beinahe 'gleichwertigen' Ersatz. Doch so eine GP-Vorschau ist dann schon etwas ganz Besonderes. Gerade im Vergleich zu den hyperinformativen Test-Statements vom Schlage eines: "Wir hatten heute einen sehr produktiven Tag, konnten auf Long Runs viele Kilometer zurücklegen und wichtige Testarbeiten mit unserem Reifenpartner durchführen. Jetzt freuen wir uns auf den nächsten Test."

Frisch aus dem Papierkorb: Ein FIA-PR., Foto: Sutton
Frisch aus dem Papierkorb: Ein FIA-PR., Foto: Sutton

So eine GP-Preview bietet da schon viel mehr hochsensible Top Secret-Informationen. "Ich bin mit dem MP4-21 am 24. Januar erstmals gefahren und habe an zwölf Testtagen über 3.500 Kilometer zurückgelegt", verblüffte Juan Pablo Montoya mit einer geradezu erschütternd offenen Aussage. "Darüber hinaus habe ich acht Tage mit den Ingenieuren im McLaren Technology Centre an Rennsimulationen gearbeitet. Dennoch gibt es immer noch viel zu tun."

Wenn Sie jetzt glauben, dass nur der heißblütige Kolumbianer mit solchen Insiderinformationen um sich warf, dann haben sie sich fürchterlich geirrt. Auch der stille Ice Man war in der Team McLaren Mercedes GP-Preview Bahrain nicht zu bremsen: "Wir hatten den Winter über viel zu tun und jeder im Team hat hart gearbeitet. Seitdem ich am 26. Januar erstmals mit dem MP4-21 gefahren bin, habe ich über 3.200 Kilometer mit dem neuen Auto absolviert." Fantastisch, diese Informationsdichte und dieser Informationsgehalt. Einfach der blanke Wahnsinn.

Aber nicht nur beim Vizeweltmeister öffnete man sich der Öffentlichkeit auf solch spektakuläre Art und Weise. Auch der Weltmeister nahm kein gelb-blaues Blatt vor den Mund: "Ich bin sehr glücklich", philosophierte Fernando Alonso. "Das ganze Team hat mit dem neuen Auto einen fantastischen Job erledigt." Mit noch mehr Herzblut ging Giancarlo Fisichella an seine ersten Aussagen zur Saison 2006 heran: "Ich bin sehr motiviert und glücklich, ein Teil von Renault zu sein, dem amtierenden Weltmeisterteam." Ehre wem Ehre gebührt - oder wenigstens dem, der den Lohnscheck unterschreibt...

Apropos Ehre: "Bevor die Saison am nächsten Wochenende beginnt, möchte ich mich bei allen Teammitgliedern für ihren enormen Einsatz bedanken - die Lichter gingen selten aus in den letzten sechs Wochen, weder auf der Rennstrecke noch in Woking, Brixworth oder Stuttgart." Hätte Norbert Haug hier nicht die drei Standorte des McLaren Mercedes Teams genannt, hätte diese Aussage von jedem x-beliebigen Teamboss stammen können. So verhinderte er aber geschickt die Ausnutzung seines Statements durch die Industriespione der Konkurrenz.

Aber die Lobeshymnen auf die harte Arbeit des Teams an der Rennstrecke und zuhause in der Fabrik, sind nicht immer nur leere Floskeln zum Saisonstart oder Saisonende. "Das Team hat großartige Arbeit geleistet und damit sichergestellt, dass wir beim ersten Rennen dabei sind. Das ist eine fantastische Leistung." Für einmal hat Takuma Sato mit diesen Worten an sein Super Aguri Team den Nagel wahrlich auf den Kopf getroffen.

Die beliebteste PR-Aussage vor dem Start in die 57. F1-Saison war jedoch eine andere: "Wir werden erst nach ein paar Rennen sehen, wo wir im Vergleich mit den anderen wirklich stehen", leitete McLaren-CEO Martin Whitmarsh einen Trend ein, dem Kimi Räikkönen nicht widerstehen konnte: "Für eine Prognose ist es noch zu früh. Wir werden erst nach dem Qualifying am Samstag in Bahrain wissen, wo wir im Vergleich zu den anderen Teams stehen."

Das Übernahme-PR war noch schlicht gehalten., Foto: Sutton
Das Übernahme-PR war noch schlicht gehalten., Foto: Sutton

Bei Toyota scheint man beinahe zur selben Zeit in die gleiche Kristallkugel geblickt zu haben. "Natürlich müssen wir erst einmal abwarten, wie die ersten Rennen verlaufen, um unsere Position richtig einschätzen zu können", brachte Ralf Schumacher eine gänzlich neue Sichtweise ein, die in Köln-Marsdorf weit verbreitet zu sein scheint. Denn während sein Teamkollege "erst an diesem Wochenende" herausfinden wird, "wie konkurrenzfähig wir sind", ist es für seinen Technikdirektor "wirklich schwierig vorherzusagen, wo wir stehen werden".

Neben diesen abwechslungsreichen Pressetexten aus den 'spitzen' Federn der Medien- und Marketingfachleute der Teams und Automobilhersteller, gibt es auch in dieser Saison noch die ultimativen Langweiler von Red Bull. Diese verbreiten 2006 nur noch ein 'ödes' Textdokument für beide Bullenställe. Das Wichtigste für sie ist: "Hauptsache alles ist cool und crazy."

"Das Red Bull-Glaubensbekenntnis wird nicht angetastet", heißt es in der ersten gemeinsamen Preview von Red Bull Racing und der Scuderia Toro Rosso. "Tatsächlich stand bei allen Bewerbungsgesprächen während des zurückliegenden Winters im Vordergrund, herauszufinden, ob der Betreffende cool und crazy ist. Adrian Newey? Spielte es aus unserer Sicht eine Rolle, dass seine Rennwagen bisher jede Menge Rennen und Titel gewonnen haben? Nein, uns beeindruckte es, dass er so cool und crazy genug ist, unbedingt in Milton Keynes arbeiten zu wollen. Gerhard Berger? Spielt seine reiche Erfahrung als Rennfahrer, Teamchef und Businessman eine Rolle? Nein, was allein zählt, ist, dass er ein lebendes Lexikon der Coolness ist (das Wörtchen "crazy" lassen wir auf seinen persönlichen Wunsch hin weg)."

Solche Texte sind ja nun wirklich stinklangweilig. Vor allem wenn man stattdessen Ralf Schumachers Wintertestzusammenfassung genießen kann: "Wir haben seit November hart am TF106 gearbeitet, wodurch wir viel Zeit hatten, um alle mechanischen Teile zu testen. Die Tests verliefen beim Auto und beim neuen V8-Motor gut und zuverlässig."

Nach diesem literarischen Meisterwerk von einem Preview-Quote, kann man sich nur noch die folgende Aussage aus einem Honda MotoGP Test Press Release von Nicky Hayden auf der Zunge zergehen lassen: "Ich bin keiner dieser Jungs, der darüber spricht wie hart wir gearbeitet haben. Denn normalerweise machen das immer nur die faulen Kerle!"