Satte 100 Runden drehte er zum Einstand. Bei seinem ersten Test in einem BMW-Formel 1 spulte Timo Glock auf dem Circuit de Catalunya gut zweieinhalb Renndistanzen eines GP2-Laufs ab - ohne gröbere Fehler und mit konstant guten Rundenzeiten.

Der Testtag begann bei Außentemperaturen von nur sieben Grad. Da der Asphalt gerade mal 15 Grad warm war, machte es keinen Sinn, schon gleich ab neun Uhr mit dem vollen Testprogramm zu beginnen - die Reifen wären nicht zum Arbeiten gekommen. Also ließ das Testteam von BMW Sauber Timo erstmal vier Runden auf Intermediates fahren. "Ich sollte zuerst in Ruhe ein Gefühl fürs Cockpit entwickeln und sicherstellen, ob der Sitz wirklich optimal passt", begründet der 24-Jährige. "Weil es noch recht lange kühl blieb, haben wir danach erst noch drei Startversuche eingeschoben, ehe es dann richtig losging."

Timo absolvierte 100 Runden beim Test-Comeback., Foto: Sutton
Timo absolvierte 100 Runden beim Test-Comeback., Foto: Sutton

Das Warten auf die freie Fahrt zeigte bei Timo Wirkung. Einmal im Cockpit sitzend, stellte sich eine gewisse Grundhibbeligkeit ein. "Ich musste zu Beginn noch gut fünf Minuten warten, weil die Mechaniker noch irgendwas an den Reifen kontrollieren mussten. Wenn man da so im Auto hockt und wartet, denkt man schon: 'Jetzt könnte es auch langsam mal losgehen'. Aber das Kribbeln legte sich ziemlich schnell, als ich einmal aus der Box ausbog."

Als die Kälte weniger klirrte, kam Glock zunächst zu mehreren kürzeren Turns, die in jeweils sieben Runden aufgeteilt wurden. "Ich tat mich bis zum Mittag noch ziemlich schwer, weil ich in der Kurvenmitte ein Untersteuern spürte, das dann am Ausgang in ein Übersteuern mündete", rapportiert er. "Mein Ingenieur sagte mir immer, ich sollte tiefer in die Kurven reinbremsen, um mehr Druck auf der Vorderachse zu halten. Aber ich musste mich erst überwinden, das auch wirklich zu tun. Als ich das einmal durchzog, wurde mir schnell bewusst, dass ich den ganzen Vormittag über wie mit einem GP2-Auto gefahren war. Ein Formel 1 verlangt aber einen ganz anderen Fahrstil. Ich hatte das Auto immer viel zu viel rollen lassen; ich hätte von Anfang an spitzer in die Kurven reinfahren müssen. Aber du musst dem Auto erstmal voll vertrauen, um auf der Bremse noch so spät einlenken zu können."

Das tiefe Hineinbremsen in die Kurven war für Timo Neuland; er kannte es auch nicht aus seiner ersten Formel 1-Zeit im Jahre 2004: "Das Einlenken habe ich auch im Jordan nie so erlebt, weil da immer sofort das Heck rauskam, wenn man das versuchte. Der BMW ist da das deutlich bessere Auto." Neben der Brems-Umstellung musste Timo sich auch an die Lenkung gewöhnen. "Die ist in einem Formel 1 hammerhart - viel direkter an in einem GP2. Im direkten Vergleich zum GP2 brauchst du ein Formel 1-Lenkrad nur anzuschauen - und es lenkt schon ein. Diese direkte Lenkung hat dazu geführt, dass am Anfang alles noch ein bisschen unrund wirkte, ich das Auto nicht rund um die Kurven lenkte, sondern immer in kleinen Zacken fuhr."

Als er einmal die kleinen Feinheiten eines modernen Grand Prix-Boliden raus hatte, übertrugen die Ingenieure aus dem Hinwiler Testteam ihm diverse Aufgaben in Sachen Fahrwerksabstimmung, ließen ihn verschiedene unterschiedliche Einstellungen durchprobieren. Glock fuhr dabei das Chassis 09 des F1.06B, das Nick Heidfeld am Vortag pilotiert hatte; im zweiten BMW saß der polnische Stammfahrer Robert Kubica.

Das Team war mit seiner Leistung zufrieden., Foto: Sutton
Das Team war mit seiner Leistung zufrieden., Foto: Sutton

Im Verlauf der Sieben-Runden-Turns steigerte Timo sich beständig und lieferte auch jede Menge Rückmeldungen über die Set-Up-Änderungen ab. "Da lief alles sehr offen", erinnert er sich. "Die Techniker haben mir jedes Mal gesagt, was sie am Auto verändert haben, und ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mir irgendwann mal einen versteckten Test untergejubelt hätten. Aus meiner Sicht hat alles Sinn gemacht, was ich an Feedback und an Anregungen gegeben habe. Inwieweit die Stammfahrer das auch so sehen und da was von übernehmen können, ist eine andere Frage. Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe mich bemüht, meinen Job so gut und zuverlässig wie möglich zu machen - und ich habe den Eindruck, das ist mir auch gelungen."

Nach 60 Runden ließ Glock sich ein Nacken-Stützpolster auf der linken Cockpitseite montieren. "Meine Nackenmuskulatur gaben mir langsam zu verstehen, ich müsste jetzt auch mal an sie denken. Ich hätte sicher noch zehn Runden ohne Stütze ausgehalten - aber ich wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Wenn man den Kopf erst einmal am Cockpitrand anlehnen muss, dann ist automatisch auch die Sicht gleich stark eingeschränkt. Das war mit einer der Gründe dafür, warum ich 2004 bei meinem ersten Test im Jordan abflog. Das wollte ich nun natürlich vermeiden."

Gegen Ende des Testtages ließ BMW Timo noch mal mit einer schwereren Tankfüllung auf einen Long-Run, der zehn Runden dauerte. In der 83. von 100 Runden drehte er in 1.17,632 Minuten seine persönliche Bestzeit. Damit war er in der Tageswertung Neuntschnellster aller Piloten. Zum Vergleich: Kubicas Tagesbestzeit lag bei 1.16,729 Minuten. "Meine Zeiten in diesem Long-Run waren ziemlich konstant. Und ich weiß, mit wie viel Benzin wir beide bei unseren jeweils schnellsten Runden unterwegs waren", deutet Timo eines der großen Testgeheimnisse an. "Wenn man das in Relation zueinander setzt, dann bin ich mit meiner Zeit sehr zufrieden. Ich habe bei meinem ersten Test im BMW nicht so viel Zeit auf Kubica verloren - und ich weiß auch, wo ich die Zeit verliere. Das ist ein Bereich, an dem ich an mir arbeiten kann."

Ein offizielles Führungszeugnis bekam Timo nach seinem ersten BMW-Test zwar nicht mit auf den Weg. Aber er machte sich am Abend guten Mutes auf den Weg zum GP2-Test nach Valencia. "Die Ingenieure würden - glaube ich - niemandem sagen, dass ich schlechte Arbeit abgeliefert hat. Aber man merkt ja an ihrer Gestik, an ihren Mienen und die Art, wie sie sich geben, was sie vom Testverlauf halten. Und da hatte ich den Eindruck, dass sie durchaus zufrieden waren. Ich habe mein persönliches Ziel auch erreicht - und hoffe, dass wir jetzt gemeinsam auf diesem Tag aufbauen können, wenn es am 8. Dezember in Jerez zum zweiten Test mit BMW geht."