Für jeden der beim Grand Prix von Brasilien dabei war, war es offensichtlich, dass es ein großer Anlass für unseren Sport war. Es gab in ganz Sao Paulo Banner die uns an das Duell um die Weltmeisterschaft erinnerten und natürlich ist das letzte Rennen des Jahres immer eine große Sache.

In den vergangenen Jahren (in denen ich gearbeitet habe) waren die Titelentscheidungen immer in Japan und Australien, also war dies das erste Mal, dass ich bei so etwas in Brasilien dabei war. Sie trafen es genau auf den Punkt. Der südamerikanische Hang zur Dramatik schien uns alle zu berühren und es gab sehr viele Emotionen.

Ralf wurde beim Kartenspielen erwischt, Foto: Sutton
Ralf wurde beim Kartenspielen erwischt, Foto: Sutton

Im Paddock war es ein komisches Gefühl, weil so viele schmerzliche Abschiede passierten. Es gab die offensichtlichen wie den Rücktritt von Michael Schumacher oder dass Fernando Alonso Renault und Kimi Räikkönen McLaren verließen. Aber es gab auch andere, die genauso viel Traurigkeit verursachten. Wie Cosworth, die nur widerwillig nach 35 Jahren von brillanter Ingenieursarbeit die Formel 1 verließen. Und Michelin…

Natürlich bedeutete das viele Möglichkeiten, zu fotografieren - das was wir die langweiligen "cake shots" nennen. Es gab aber auch viele Gelegenheiten DEN Moment zu erwischen. Es gab davon aber so viele, dass es entscheidend war, am rechten Ort zur rechten Zeit zu sein, um sie alle zu erleben - auch mit vier Fotographen.

Pele winkte auf Anfrage den Zuschern, Foto: Sutton
Pele winkte auf Anfrage den Zuschern, Foto: Sutton

Das Rennen selbst machte es nicht besser, weil es durchgängig Action gab. Die beiden Williams-Cosworth-Fahrer kollidierten in der ersten Runde und dann flog Nico Rosberg ab. Es war ein ziemlicher Einschlag. Die Trümmer, die sein kaputtes Auto auf der Strecke zurückließ, waren vielleicht der Grund für Michael Schumachers Reifenschaden, der das Ende des WM-Kampfes bedeutete.

Der Held des Tages war ohne Frage Felipe Massa. Er holte den ersten brasilianischen Heimsieg seit Ayrton Senna. Es ist besonders ironisch, wenn man bedenkt, wie lange Rubens Barrichello als Nationalheld galt. Eine Sache, die man immer über die Brasilianer sagen kann ist, dass sie wissen wie man feiert. Es war bereits voll, als wir am Renntag zur Strecke kamen. Als Massa dann die Ziellinie überquerte begann der Samba, Konfetti flogen und der Ort ist einfach explodiert. Es ist großartig, dass er gewonnen hat. Es bedeutet, dass die Fans nächstes Jahr wieder kommen werden.

Am Ende des Rennens mussten wir entscheiden, welchen Moment wir einfangen wollen: Schumacher in der Box oder Massa wie er feiert? Wir wählten Massa. Bei Schumacher war es das Wichtigste, dass wir seine Karriere bildlich beenden. Wir erwischten ihn, wie er zum allerletzten Mal die Rennstrecke verließ, umgeben von Bodyguards mit einem großen Lächeln im Gesicht.

Ayrton Senna im Marlboro McLaren, Foto: Sutton
Ayrton Senna im Marlboro McLaren, Foto: Sutton

Ein anderer trauriger Abschied war für uns Fotographen jener von den Tabakfirmen. Wenn man die gesundheitlichen Aspekte einmal beiseite lässt, die wir ohnehin alle kennen, dann schuldet der Sport ihnen einiges. Nicht nur das, aber die dynamischen Farben, die sie uns über die Jahre vor die Linse gebracht haben, werden wir vermissen.

Mild Seven blau, Camel gelb, diese rot-weißen Marlboro-Winkel… die Liste ist noch lange. Wenn man sich an all diese lebhaften, ikonischen Farben erinnert, die vorbeigezogen und jetzt für immer weg sind, ist es schwer, nicht das Gefühl zu haben, dass für den Sport eine Ära geendet hat. Beinahe alle Fahrer der letzten 30 oder 40 Jahre kann man mit der einen oder anderen Zigarettenmarke in Verbindung bringen. Wenn man an Emerson Fittipaldi denkt, dann denkt man an John Player Special, wenn man sich an Ayrton Senna erinnert, dann in einem Marlboro McLaren.

Einige komische Dinge sind während des Wochenendes passiert. Ich erwischte Ralf Schumacher am Samstagnachmittag beim Kartenspielen im Toyota Motorhome. An sich ist das nichts Ungewöhnliches, außer, dass man einen Rennfahrer bei einem Grand Prix nur selten etwas tun sieht, das außerhalb seines Plans liegt - und das machte es dann wieder interessant. Ralf, als der, der er ist, konnte das nicht verstehen.

Renault feierte am Ende mit Super Aguri, Foto: Sutton
Renault feierte am Ende mit Super Aguri, Foto: Sutton

Ein anderer großartiger Moment war es, Pele in der Startaufstellung zu fotografieren. Es wurde eine Aufnahme an der Startlinie vorbereitet, aber dort war es von Fotographen überfüllt. Also habe ich mich vor ihn gestellt, als er auf dem Weg dorthin war und bat ihn, den Zuschauern zuzuwinken. Pele war von einigen sehr ernst aussehenden Sicherheitsleuten umringt, aber er wies sie zurück und ich bekam das Bild. Dann schaffte ich das noch einmal für meinen Freund Steven Tee! Er erschien mir wie ein normal gebliebener Mensch.

Der beste Moment kam aber nach dem Rennen. Ich hing ein bisschen bei Renault herum, da ich dachte, dass dort die ganze Action sein würde, nachdem sie wieder beide Titel gewonnen hatten. Dann sah ich all diese Renault-Ingenieure, die in Champagner getränkt waren und Meisterschafts T-Shirts anhatten und die Boxengasse mit Magnumflaschen des Sprudelwassers entlang spazierten. Sie blieben nicht stehen, bis sie bei Super Aguri waren und dort teilten sie ihren Champagner mit jenem Team, das gerade das beste Ergebnis der Saison gefeiert hatte - einen zehnten Platz für Takuma Sato. Es war ein großartiger Moment, wie die Großen mit den momentanen Zwergen der Formel 1 gefeiert haben. Das zeigt einfach, dass es immer noch ein großartiger Sport ist, egal in welcher Ära.