Es war heiß, an jenem Samstagnachmittag Ende Juli des vergangenen Jahres. Die Sonne brannte geradezu auf den Nürnberger Dutzendteich herunter. Nur gut, dass wir in der Mercedes DTM-Hospitality ein schattiges und kühles Plätzchen gefunden hatten. Mit uns saß ein gewisser Lewis Hamilton am Tisch. In Deutschland dürfte der damals 20-jährige Brite nur den absoluten Motorsport-Kennern bekannt gewesen sein. Und das obwohl er die Formel 3 Euro Series Saison 2005 nach Belieben dominierte und am Ende überlegen gewinnen sollte.

Auf der grünen Insel war der Name Lewis Hamilton hingegen schon länger bekannt. Schließlich kommt es nicht alltäglich vor, dass mit McLaren Mercedes einer der besten und traditionsreichsten Formel 1-Rennställe einem 13-jährigen Nachwuchsrennfahrer unter die Arme greift - und das auf lange Sicht. Noch dazu einem Rennfahrer, der Bernie Ecclestone perfekt ins Bild passen würde: Der große F1-Zampano wünscht sich bekanntlich seit langer Zeit einen Chinesen, eine Frau und einen Farbigen in der Formel 1. Mit Lewis könnte Bernie den dritten Punkt auf seiner Wunschliste abhaken - Hamiltons Familie stammt aus Grenada.

Der Förderer und sein Schützling (1997)., Foto: Sutton
Der Förderer und sein Schützling (1997)., Foto: Sutton

"Wenn mich McLaren und Mercedes nicht seit meinem 13. Lebensjahr unterstützen würden, wäre ich heute nicht hier", sagte uns der sympathische und höfliche Jungstar am Tag seines F3-Sieges in den Straßen von Nürnberg. "Wir betreiben einen extrem teuren Sport und es ist verdammt schwierig das notwendige Budget zusammenzubekommen und gute Ergebnisse abzuliefern. Deshalb verdanke ich McLaren und Mercedes sehr viel."

Der Beginn der Zusammenarbeit ist fast schon legendär: Im Alter von zehn Jahren gewann Hamilton 1995 den Autosport Award. An diesem Tag sollte sich seine Karriere, ja sein ganzes Leben verändern. Schnurstracks spazierte der Zehnjährige auf McLaren-Teamboss Ron Dennis zu und fragte ihn, ob er eines Tages für McLaren Rennen fahren dürfe. Das hinterließ Eindruck. Drei Jahre später klingelte bei Familie Hamilton das Telefon - Ron Dennis erinnerte sich an den Jungen, der seit dieser entscheidenden Begegnung so ziemlich alles gewonnen hatte, was es zu gewinnen gab. Der Rest ist Geschichte - Titelgeschichte: 2003 Formel Renault-Meister, 2005 F3 EuroSeries-Meister, 2006 überlegener GP2-Meister. In der Saison 2007 erfüllt sich nun sein sehnlichster Wunsch; er darf für McLaren Mercedes sein Formel 1-Debüt geben.

Melbourne darf sich schon jetzt auf den Jungspund freuen. Auch wenn nicht er, sondern vielmehr sein weltmeisterlicher Teamkollege Fernando Alonso den Favoritenkreis für den Saisonauftakt anführt, könnte Hamilton an die erfolgreichen Melbourne-Debüts von Mark Webber oder Fernando Alonso anschließen. Wie er in der Formel 3 oder GP2 ein ums andere Mal eine Bestzeit auf die Strecke knallte, beeindruckte auch die Formel 1-Welt. Selbst GP2-Kollege und Ex-F1-Pilot Timo Glock wunderte sich: "Wo Lewis diese Zeiten herzaubert, verstehe ich absolut nicht."

Seine F1-Feuertaufe hat Lewis schon doppelt hinter sich. Im Jahr 2004 durfte er einige Schnupperrunden in einem MP4-19 absolvieren. "Das war absolut fantastisch! Man kann sich die Geschwindigkeit mit 900 PS im Rücken vorher gar nicht vorstellen", schwärmte er uns vor. "Es ist so viel Power und so viel Downforce. Das kann man sich einfach nicht vorher ausmalen. Nachdem ich mich etwas daran gewöhnt hatte, war ich richtiggehend sprachlos. Es war einfach fantastisch!"

Lewis wird noch viele Pokale in Empfang nehmen., Foto: GP2
Lewis wird noch viele Pokale in Empfang nehmen., Foto: GP2

Genauso fantastisch fühlte sich der MP4-21 bei Hamiltons erstem richtigen F1-Test Ende September in Silverstone an. Der größte Schock war für ihn aber nicht die Power des Mercedes-Motors oder die Wirkung der Bremsen. "Es waren unzählige Menschen im Paddock und ich wurde geradezu von Autogrammwünschen überschwemmt, wenn ich zwischen der Box, den Trucks und der Hospitality hin und her ging. So etwas habe ich noch nie erlebt und schon gleich gar nicht erwartet", war er verblüfft.

Der Grund für den riesigen Wirbel ist einfach erklärt: England ist ein verrücktes Land. Die Autos fahren auf der falschen Seite, die Menschen essen seltsame "Sachen", die Steckdosen sehen nicht wie welche aus und die Uhren ticken völlig anders. Vor allem ist England aber ein Motorsport-verrücktes Land. Auf der grünen Insel zieht jedes Rasenmäherrennen mehr Zuschauer an, als die Tourenwagen-WM hierzulande Fans hat. Umso verblüffender ist es, dass die Briten schon lange auf ihren neuen großen Superstar warten. Seit dem Titelgewinn von Damon Hill 1996 musste man auf den Schotten David Coulthard und den erst seit diesem Jahr frisch gebackenen GP-Sieger Jenson Button bauen. Mit Lewis Hamilton haben die britischen F1-Verrückten vielleicht ihren neuen Star gefunden.