Am 22. Oktober endete nach 16 Jahren die Karriere des erfolgreichsten F1-Piloten. Einen Monat danach geht es Michael Schumacher "gut", er könne nicht klagen, verriet er in seinem ersten Interview nach dem Rücktritt dem SZ Magazin. Dabei hätte seine Karriere schon einige Male früher enden können. Schließlich hatte er sich zu Beginn seines F1-Daseins nur "einige Jahre" in der Königsklasse gegeben, danach wollte er aufhören. Dann wurden es immer mehr, wenn auch zwischendrin Zweifel aufkamen - wie 1994 beim Tod des großen Ayrton Senna, zu dem Schumacher eine ganze besondere Beziehung pflegte. Damals überlegte Schumacher "nicht nur eine Sekunde lang" aufzuhören.

"Ich war im Motorsport zu der Zeit schon zwanzig Jahre unterwegs, hatte aber nie irgendwelche schlimmen Erlebnisse gehabt", erinnerte er sich. "An jenem Wochenende starb nicht nur Senna, sondern auch Roland Ratzenberger. Ich habe mich sehr intensiv mit dem Tod der beiden auseinandergesetzt und mich gefragt, was mir die Formel 1 und der Rennsport noch bedeuten können." Deshalb sei er auch nicht zu Sennas Beerdigung nach Brasilien gereist. "Ich musste wissen, ob ich weiterfahren kann, ob mir das Ganze überhaupt noch Freude macht. Außerdem wollte ich nicht öffentlich trauern, alle hätten nur auf meine Tränen gewartet. Ich war später allein an Ayrtons Grab. Mit Corinna."

Jetzt, nach seinem Karriere-Ende, hat er mehr Zeit für seine Frau Corinna und die beiden Kinder - denn seine Familie war ihm schon immer das wichtigste. Jetzt heißt es Gina-Maria statt Jean Todt und Mick statt Ross Brawn. "Ich möchte bewusst in eine Art Loch fallen, um mal zu schauen, wie sich das anfühlt", beschreibt er seine aktuelle Lage. "Ich kenne diese Empfindung ja nicht. Irgendwann wird sicher auch der Punkt kommen, an dem ich mich zum ersten Mal im Leben langweile. Und darauf freue ich mich irgendwie. Das wird der Punkt sein, wo ich mir was Neues suchen werde." Was das sein wird, weiß er momentan noch nicht.

Die Ankündigung von Monza: Der Moment des Abschieds steht fest., Foto: Sutton
Die Ankündigung von Monza: Der Moment des Abschieds steht fest., Foto: Sutton

Ein Renncomeback wird es aber nicht geben. Dafür war es schon während der letzten Testfahrten in dieser Saison zu schwierig, die nötige Motivation aufzubringen. "Gerade bei Testfahrten wurde mir immer mehr bewusst, dass ich im Prinzip die Stunden bis zum Ende meiner Laufbahn herunterzähle. Die Rennen selbst machten immer noch Spaß, aber zur konzentrierten Arbeit auf den Teststrecken musste ich mich zwingen", enthüllte Schumacher. "Ich hatte nicht mehr diese absolute mentale Kraft, die mich früher zu Höchstleistungen trieb. Der Aufwand, den man betreiben muss, um ganz oben zu sein, ist immens. Dafür braucht es absolute Motivation, ohne jeglichen Zweifel."

Somit könnte er bei den Dreharbeiten zum neuen Asterix-Streifen zum letzten Mal in einem Rennwagen gesessen haben - "einem Streitwagen", betonte er. "Vier statt 800 PS, Zügel statt Lenkrad. Es war vielleicht das letzte Mal in meinem Leben, dass ich ein Rennen gefahren bin." Der eine Moment, der für immer seine Karriere definieren wird, ist aber ein anderer; und nicht der erste Titelgewinn oder der schwere Unfall von Silverstone. Es ist sein erster Titelgewinn mit Ferrari in Japan 2000. "Die Ziellinie. Ich fahre drüber und bin endlich Weltmeister mit Ferrari", erinnerte er sich. "Wäre es 2000 wieder schief gegangen, wer weiß, was aus mir geworden wäre? Vielleicht wäre ich nur Doppelweltmeister und einer von vielen geblieben." Wenn der erste Titeltriumph mit Ferrari der wichtigste Moment seiner Karriere war, dann war der Rammstoß von Jerez 1997 der schlimmste. "Wenn es eine Situation in meiner Karriere gäbe, die ich ungeschehen machen könnte", gestand er, "wäre es diese."

Und nicht sein Beinbruch aus Silverstone, der ihn schon ein Jahr zuvor der Chance auf den ersten Ferrari-Titel beraubte. "Als ich meinen Fuß auf das Bremspedal setzte, merkte ich sofort, dass das nicht gut ausgehen würde", so Schumacher. "Es gibt angenehmere Gefühle, als mit Tempo 120 und ohne Bremsen auf einen Reifenstapel zuzurasen." Nach dem Unfall versuchte er sofort, aus dem Auto auszusteigen, aber es ging nicht. "Ich bekam meine Beine nicht aus dem Cockpit. Eine Stange hatte sich in das Chassis hineingebohrt und mir mein Bein gebrochen. Ich wollte raus, aber es ging nicht."

Bis dahin hatte keiner seiner Unfälle mit einer Verletzung geendet. "Ich lag da, hörte meinen eigenen Herzschlag und der wurde immer leiser und leiser und leiser - es war wie in Zeitlupe: Bumbum-Bumbum-bum - und plötzlich war der Herzschlag weg und ich auch. Ich habe dagelegen, besser gesagt, ich lag neben mir, alles um mich herum war dunkel. Ich habe die Helfer und den Arzt sprechen hören, aber alles wurde leiser. Dazu der nachlassende Herzschlag. Ich hatte Angst. Ich dachte tatsächlich: Jetzt geht's dahin."

Gut drei Monate später saß er wieder im Rennauto - seine erfolgreichste Zeit sollte erst noch kommen. Aber selbst die rote Ära des Michael S. sollte ein Ende finden; zum Glück ein gutes, ohne weitere Verletzungen und Tragödien, wie sie in früheren Zeiten an der Tagesordnung standen. Umringt von der üblichen Horde von Kamera-Teams und Fotografen, im gleißenden Licht der TV-Scheinwerfer, die die schon hereingebrochene Dunkelheit durchschnitten, verließ Michael Schumacher um exakt 19:02 Uhr brasilianischer Ortszeit zum letzten Mal ein Formel 1-Fahrerlager nach einem absolvierten Grand Prix. Jetzt konnte er in ein Loch fallen und sich zum ersten Mal in seinem Leben langweilen.