Eine Ära ist ein bedeutender Abschnitt im Leben eines oder mehrer Menschen oder eben eines Formel 1-Teams. Das waren die vergangenen 16 Jahre für Michael Schumacher, das waren aber auch die letzten 16 Jahre für die Scuderia Ferrari. Auch wenn die Italiener in den letzten beiden Jahren ohne WM-Titel blieben, beherrschten sie die letzten anderthalb Jahrzehnte wie kein anderer Rennstall. Diese rote Ära hat nun, wie jede Serie, ein Ende gefunden.

Dabei scheint ausgerechnet der lange Zeit befürchtete GARU, der größte anzunehmende rote Unfall, Realität zu werden: Mit Michael Schumacher, Ross Brawn und Paolo Martinelli verlassen gleich drei Säulen des Ferrari-Erfolgs das Team. Da Rory Byrne nur noch als Berater zur Verfügung steht und Jean Todt die Rolle des Rennleiters nur noch auf Interimsbasis übernimmt, scheint das Ferrari-Haus in sich zusammenzubrechen.

Von ihnen kommen 2007 nicht mehr viele zurück..., Foto: Sutton
Von ihnen kommen 2007 nicht mehr viele zurück..., Foto: Sutton

Die Welt geht deswegen sicher nicht unter, Maranello wird weiter bestehen und die Glocken werden weiterhin läuten - nur eben vielleicht nicht mehr in so schöner roter Regelmäßigkeit; schlimmstenfalls vorerst gar nicht mehr. Man erinnere sich an die schwere Zeit, die Williams nach dem Abgang von Adrian Newey durchmachte. Oder die lange Durststrecke von Benetton/Renault nach den Abgängen von Schumacher, Brawn und Byrne - und wo sind sie hingegangen? Genau: zu Ferrari. Selbst das Beispiel McLaren Mercedes zeigte in diesem Jahr, dass ein Adrian Newey nicht so leicht zu ersetzen ist, auch wenn das Team immer das Gegenteil beteuerte und genügend gute Ersatzleute parat waren.

Die schwierigste Aufgabe dürfte auf Jean Todt zukommen, der nicht nur seine neuen Aufgaben als Ferrari-CEO, sondern auch noch seine bisherigen Aufgaben als Interims-Rennleiter zu erledigen hat. Die rote Hoffnung, die seit einiger Zeit kursiert, ist, dass Ross Brawn ihn nach einem Pausenjahr Ende 2007 als Teamchef ablösen wird. Andererseits mehren sich die Gerüchte, wonach Brawn lieber beim Rosenzüchten, Schachspielen und vielleicht ein britisches Team managen auf der grünen Insel bleiben könnte...

Zwar sprach man schon seit Jahren davon, dass die Abgänge der Schlüsselpersonen von langer Hand vorbereitet würden, dass für gleichwertigen Ersatz gesorgt werde - aber sind Gilles Simon, Stefano Domenicali und Mario Almondo schon jetzt ihren Vorgängern und Ex-Vorgesetzten ebenbürtig? Oder steht der Scuderia ein Neuanfang ins Haus? Der Beginn eines neuen roten Zyklus, so wie er Anfang respektive Mitte der Neunziger von Todt und später Schumacher, Brawn und Byrne eingeläutet wurde?

Wann dürfen sie wieder einen Titel feiern?, Foto: Sutton
Wann dürfen sie wieder einen Titel feiern?, Foto: Sutton

Ein Neubeginn birgt immer Chancen und Risiken. Unter diesen Voraussetzungen erscheint der Schumacher-Rücktritt in einem neuen Licht. Zuletzt wurde spekuliert, ob er vielleicht von Ferrari in den Rücktritt getrieben wurde, weil man ihn zu seinen Konditionen nicht mehr wollte. Jetzt stellt sich eher die Frage: Wollte er ohne seine Freunde, sein gewohntes, eingespieltes Team nicht mehr fahren? Immerhin betonte er immer, dass er ohne die Schlüsselpersonen nicht weitermachen werde, er nicht noch einmal von vorne anfangen, alles neu aufbauen wolle. Bei der letzten Vertragsverlängerung überraschte die gesamte Truppe mit neuen Verträgen - diesmal gab es für jeden einen anderen Verkündungszeitpunkt, schon das hätte man als schlechtes Omen deuten sollen.

Die Zukunft mag ungewiss und höchstwahrscheinlich - vorerst - weniger erfolgreich als zu den roten Zeiten zwischen 2000 und 2004 sein, die Voraussetzungen für eine konkurrenzfähige Saison 2007 sind dennoch gegeben. Felipe Massa hat in diesem Jahr sein Können bewiesen, Kimi Räikkönen muss das nicht mehr. Andererseits gilt Räikkönen nicht gerade als Arbeitstier, genau das könnte angesichts der vielen Veränderungen und Abgänge von Nöten sein; ein Fahrer wie Michael Schumacher, der das Team motiviert, mitreißt und gutes technisches Feedback gibt. Schon einen Baustein aus dem Ferrari-Haus zu verlieren, ist ein schwerer Verlust, aber gleich so viele Säulen ersetzen zu müssen, ist doppelt hart. Aber so ist das eben, wenn eine Ära endet - selbst wenn sie wie diese so lang, erfolgreich und rot war.