Bob, in Suzuka gewann das Renault F1 Team erstmals seit dem vergangenen Juni wieder. War es ein glücklicher Sieg?
Bob Bell: Höchstens in dem Sinne, dass wir keinen direkten Einfluss auf die Zuverlässigkeit von Ferrari haben. Renault F1 hat über das gesamte Jahr sehr hart gearbeitet. Und selbst in schwierigen Phasen gaben wir niemals auf. Fernando Alonso befand sich dank der Leistungsfähigkeit des Renault R26 in der bestmöglichen Position, um aus Michael Schumachers Missgeschick in Japan Kapital zu schlagen. Man könnte daher auch sagen, dass wir Ferrari so sehr unter Druck gesetzt haben, dass sie ihren Motor stärker beanspruchen mussten, als ihnen lieb war. Wie im richtigen Leben gilt auch in der Formel 1: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.

Vor dem Grand Prix von Brasilien ergeben sich zahlreiche Szenarien, bei welchem Rennausgang Renault F1 die Weltmeisterschaft entscheiden kann. Welche Ziele formulieren Sie für das kommende Wochenende?
Bob Bell: Das Wichtigste wird sein, dass wir nichts an unserer Herangehensweise ändern und uns nicht unter Druck setzen lassen. Wir wollen jeden Grand Prix gewinnen. Das gilt auch für Brasilien. Wir werden unsere Arbeit ganz normal erledigen und nichts als selbstverständlich ansehen. Renault F1 wird das Rennen offensiv angehen. Sollten die Umstände es verlangen, werden wir entsprechend reagieren. Es gibt viele mathematischen Möglichkeiten, wie wir alles gewinnen oder viel verlieren können. Für das Team ändert sich dadurch aber nichts. Unser Motto lautete immer, dass du Meisterschaften für dich entscheidest, indem du Rennen gewinnst.

Michael Schumacher hat den Kampf um die Fahrer-WM nach eigenen Angaben praktisch aufgeben. Das macht die Aufgabe für Fernando Alonso deutlich leichter, oder?
Bob Bell: Es darf sich niemand täuschen: Michael wird Brasilien voll auf Angriff fahren, so wie er es immer macht. Er ist bekannt dafür, dass er niemals aufgibt. Deshalb hat er nach dem Japan-Grand Prix auch in Jerez getestet. Außerdem gibt es für ihn noch einen weiteren Grund, in Interlagos offensiv aufzutreten: Der Grand Prix von Brasilien ist das letzte Rennen seiner Karriere. Ich bin davon überzeugt, dass er sich würdig verabschieden will.

Der Kurs in Interlagos gilt allgemein als sehr wellig. Könnte sich das Fehlen des Massedämpfers negativ auf das Fahrverhalten des Renault R26 auswirken?
Bob Bell: Um ehrlich zu sein, ist der Autodromo Carlos Pace nicht mehr der gefürchtete "Waschbrett-Kurs", der er einst war. Im vergangenen Jahr setzten wir in Brasilien erstmals den Massedämpfer ein, und die Fahrer merkten deutlich, wie er ihnen half. Aber seit dem Verbot haben wir hart gearbeitet, den Renault R26 zu optimieren. Der Wagen erwies sich in dieser Saison auf allen Arten von Kursen als sehr konkurrenzfähig. Wir sind zuversichtlich, dass sich daran in Brasilien nichts ändern wird.

Das Grand Prix-Wochenende in Japan verlief aus Reifensicht merkwürdig. Einem Leistungsdefizit im Qualifying folgte ein Vorteil während des Rennens. Was erwarten Sie für Brasilien?
Bob Bell: Wir haben hart an unserer Reifenwahl für das kommende Wochenende gearbeitet. Der Einsatz unseres Partners Michelin über die vergangenen Monate zeigt, wie entschlossen sie sind, sich bestmöglich aus der Formel 1 zu verabschieden. Aber wir müssen die ersten Trainingssitzungen abwarten, bevor wir Vorhersagen treffen können. Wir sind davon überzeugt, über konkurrenzfähige und konstant leistungsfähige Reifen zu verfügen.

Fernando Alonso wird in Brasilien seinen vorerst letzten Grand Prix für Renault F1 bestreiten. Was denken Sie darüber?
Bob Bell: Wir wissen seit langem, dass uns Fernando nach diesem Rennen verlassen wird. Über das gesamte Jahr haben wir eine exzellente Arbeitsbeziehung miteinander genossen. Mit seinem Abschied geht für Renault F1 sicherlich eine Ära zu Ende. Wir sind fest entschlossen, diese mit dem erneuten Gewinn beider WM-Titel zu beschließen. Danach werden wir mit großem Optimismus nach vorn schauen und uns mit großem Ehrgeiz den Herausforderungen der Saison 2007 stellen.

Was sagen Sie zum Kampf mit Ferrari um die Konstrukteurs-WM 2006 im Vergleich zum Duell mit McLaren im Vorjahr?
Bob Bell: Zu allererst: Beide Auseinandersetzungen waren gleichermaßen hart. Das Renault F1 Team hat sich im Vergleich zu 2005 weiter verbessert. Wir haben mehr Punkte gesammelt und mehr Rennen beendet. Wir sehen uns einem Ferrari-Team gegenüber, das das Maximale aus seinen Möglichkeiten holt. Hinzu kommt ein Michael Schumacher, der sich auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft befindet. Sollten wir das Duell für uns entscheiden, erhält dieser Sieg ein noch höheres Prestige als der aus dem Vorjahr - vor allem wenn man bedenkt, welche Rückschläge wir in diesem Jahr weggesteckt haben. In 2005 konnten wir den ersten und den letzten Grand Prix des Jahres gewinnen und so unseren Einsatz über die gesamte Saison unterstreichen. Exakt dasselbe wollen wir in diesem Jahr wiederholen.