Der Charakter einer Formel-1-Rennstrecke zeigt sich nicht allein in seinen Kurven und Geraden. Wichtig ist auch der Belag, der sich auf den Grip der Boliden und den Reifenverschleiß auswirkt und dadurch auch auf das Setup und die Rennstrategie. Bei seiner Zusammenstellung haben die Planer aber nicht nur die Performance der Autos, sondern auch die Sicherheit der Fahrer und Zuschauer im Blick.

Der Belag einer Rennstrecke ist normalerweise immer ein Kompromiss. Mit der Auswahl der Materialien und der Zusammensetzung des Asphalts bestimmen die Architekten nämlich auch die Gripverhältnisse auf der Strecke, und die müssen in der Regel für die Formel 1 genau so geeignet sein wie für Motorradrennen. Eine Strecke mit wenig Grip würde bei den Autos zu längeren Bremswegen und mehr Überholvorgängen führen, was die Rennen noch interessanter machen würde, doch für Motorräder wäre sie ein Desaster - in der extremen Schräglage würden sie wegrutschen wie auf Schmierseife.

Die Reifeningenieure kennen den Asphalt wie ihre Gummimischungen., Foto: Sutton
Die Reifeningenieure kennen den Asphalt wie ihre Gummimischungen., Foto: Sutton

Der Aufbau eines Rennstreckenbelags ist Schicht-Arbeit. Erst kommt die Tragschicht, dann die Binderschicht und schließlich die Verschleißschicht - genau wie im ganz normalen Straßenbau. Die Tragschicht besteht aus einer dicken Lage groben, wasserdichten Asphalts. Auf dieses Fundament wird die Binderschicht aufgetragen, die erstens die natürlichen Unebenheiten der Tragschicht ausgleichen und der darüber liegenden Verschleißschicht den nötigen Halt geben soll. Apropos Verschleiß: Die Lebensdauer eines Rennstreckenbelags beträgt je nach Witterung und Pflege zwischen fünf und zehn Jahren.

Bei der Auswahl der Materialien für den Asphalt, einer Mixtur aus Steinen und Bitumen, wird größter Wert auf Qualität gelegt. Der Deutsche Hermann Tilke, der die neuen Kurse in Bahrain, Shanghai und Istanbul gebaut hat, sucht normalerweise in den Steinbrüchen der Umgebung die besten Steine aus. Im Versuchslabor lässt er sie auf ihre Tauglichkeit testen sowie Abnutzung und Grip untersuchen. Mit dem Ergebnis war der "Herr der Ringe" nicht immer zufrieden.

Die Steine für den Belag des Bahrain International Circuit mussten deshalb für viel Geld aus Wales in den Wüstenstaat transportiert werden. So sehr sich die Beläge für Rennstrecken und normale Verkehrsstraßen auch ähneln - die Belastungen, die auf sie einwirken, sind völlig unterschiedlich. Die größte Belastung für eine Straße entsteht durch die so genannte "heavy load", also beispielsweise das Gewicht eines bremsenden 30-Tonnen-Lasters. Auf der Rennstrecke tritt genau der umgekehrte Effekt ein, da entwickeln die aufgeheizten Reifen der Boliden eine Klebewirkung und ziehen die Steine wie ein zähes Kaugummi nach oben. Eine enorme Belastung geht auch von den hohen Geschwindigkeiten aus, durch die vor den Reifen ein Überdruck und hinter den Reifen ein Unterdruck entsteht.

Die Auswirkungen beschreibt Hermann Tilke: "Für den Asphalt ist das so, als würde man vorne mit dem Hammer draufschlagen und hinten den Staubsauger ansetzen." Auch im Alltagsverkehr hat die Straßenoberfläche einen erheblichen Einfluss auf die Haftung der Reifen. Das gilt für die Griffigkeit bei trockenen Verhältnissen, aber noch mehr bei nasser Fahrbahn, denn die so genannte Makrorauhigkeit bestimmt darüber, wie schnell sich ein Wasserfilm bildet. "Entscheidend ist, dass die Autofahrer nicht durch eine unerwartete Veränderung der Griffigkeit im Straßenverlauf überrascht werden, wie sie zum Beispiel durch Spurrillen, Flickstellen sowie gealterte oder beschädigte Fahrbahnabschnitte entstehen können", sagt Dr. Christoph Lauterwasser vom Allianz Zentrum für Technik. "Umgekehrt können Gefahrenstellen gezielt entschärft werden, indem lokal sehr griffige Asphaltschichten verwendet werden. Das bietet sich etwa vor Fußgängerüberwegen, im Kreuzungsbereich oder für Autobahnrampen an."

Je mehr Grip desto besser., Foto: Sutton
Je mehr Grip desto besser., Foto: Sutton

Wie aggressiv der Streckenbelag gegen die Reifen ist, hängt in der Formel 1 nicht nur von den gefahrenen Geschwindigkeiten und der Zahl der Bremsvorgänge ab, sondern auch von der Mikrostruktur der verwendeten Materialien. Besonders hoch ist der Reifenverschleiß in Barcelona und Monza, vergleichsweise gering ist er auf dem langsamen Stadtkurs von Monaco. Besonders viel Grip bieten die Kurse in Malaysia, Barcelona, Hockenheim und Suzuka, am wenigsten Grip weisen Melbourne, Imola, Budapest und der Nürburgring auf.

Die unterschiedlichen Verhältnisse und Schwierigkeitsgrade sind ganz im Sinne von Frank Dernie. "Es wäre schlimm, wenn alle Rennstrecken gleich wären", sagt das Formel-1-Urgestein von Wiliams. "Die Formel 1 ist die Königsklasse. Gute Fahrer und gute Autos müssen überall schnell sein." Im Autodromo José Carlos Pace, wo der Große Preis von Brasilien ausgetragen wird, bewegen sich sowohl Gripniveau als auch Reifenverschleiß im unteren Bereich. So gesehen unterscheidet sich die Piste vor den Toren von Sao Paulo kaum von den ganz normalen Straßen der Millionenmetropole - abgesehen vielleicht davon, dass sie nicht ganz so viele Schlaglöcher aufweist.