Kaum hatte Fernando Alonso gestern mit seinen erneuten kritischen Worten gegenüber seinem eigenen Team die Stimmung im Fahrerlager von Suzuka ein bisschen angeheizt, versuchte Teamchef Flavio Briatore zu beruhigen, nach dem Motto, alle seien halt ein bisschen gestresst, aber wirkliche Probleme gebe es ja nun eigentlich gar nicht… Wo es sie wohl tatsächlich weniger gibt als kolportiert, ist zwischen Alonso und seinem Teamkollegen Giancarlo Fisichella persönlich. Denn Alonso meinte mit seiner Kritik an der Taktik von Shanghai weniger den Italiener selbst als das Team, das dem Italiener keine klaren Anweisungen gegeben hatte. Freilich drückte sich der Spanier - in seiner sichtbaren Nervosität und Anspannung - mal wieder nicht gerade präzise aus. So war es natürlich ein Leichtes, Fisichella die Äußerungen so zu überbringen, als handle es sich um schwere persönliche Angriffe auf ihn… Auch deshalb sah sich Briatore wohl genötigt, einen kleinen Krisengipfel einzuberufen, um die Wogen wieder halbwegs zu glätten. Die beiden Fahrer, Symonds, alle an einen Tisch, alle noch einmal darauf eingeschworen, bitte diese zwei Rennen doch so ruhig und konzentriert auf die Sache wie möglich über die Bühne zu bringen.

Denn ob dem Team und den Renault-Bossen nun der Fahrer- oder der Konstrukteurs-WM-Titel wichtiger sind - gewinnen will man auf alle Fälle. Deshalb sind die nicht von Alonso selbst, aber zum Teil von der spanischen Presse aufgebrachten Vorwürfe, er werde vom Team bewusst sabotiert, natürlich Unsinn. Schon länger eine Tatsache sind dagegen die Probleme, die Alonso zumindest mit Teilen des Renault-Teams, vor allem der englischen Fraktion, hat. Diese Spannungen sind nicht die Folge, sondern vielmehr die Ursache dafür, dass der Spanier schon im letzten Herbst einen Vertrag bei McLaren-Mercedes ab 2007 unterschrieb. Da stoßen Mentalitäten aufeinander - vor allem vom englischen Teil des Teams, allen voran Cheftechniker Pat Symonds, fühlt sich Alonso des Öfteren nicht ernst genommen, unverstanden… Da ging es um unerfüllte Wünsche, zum Beispiel den, dass Alonso gern während eines Rennens über Funk über die genauen Positionen seiner Rivalen informiert sein, das komplette Bild des Rennens haben möchte. Weil Symonds das schlicht für unnötig hält, offenbar seinem Fahrer nicht zutraut, diese Informationen alle zu verwerten… Was Alonso aber - wie einige absolute Ausnahmefahrer wie früher Ayrton Senna oder auch Michael Schumacher - eben doch kann…

Und es ist sicher auch nicht gerade unter die Rubrik "vertrauensbildende Maßnahmen" einzureihen, wenn sich der neue Renault-Sportchef Alain Dasasse direkt nach dem China-Rennen hinstellt und vom großen Renault-Erfolg fabuliert - weil man ja in der Konstrukteurswertung mit einem Punkt Vorsprung wieder die Führung übernommen habe…

Trotzdem fragte sich natürlich der ein oder andere, warum Alonso jetzt, in dieser entscheidenden WM-Phase noch einmal "nicht die Klappe halten" konnte. Wer ihn am Donnerstag in Suzuka beobachtete, der spürte ja auch seine Zerrissenheit: Da saß einer, der vom Verstand her wusste, dass es wohl besser wäre, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen. Aber er schafft es einfach nicht, diese Linie durchzuhalten. Innen drin, da rumort es noch viel zu sehr, das Gefühl, das Herz, das alles wird bestimmt von angestautem Frust, auch einer gewissen Bitterkeit - und da zieht Alonso eben die ehrliche der schauspielerischen Linie vor...

Welchen Einfluss diese internen Spannungen bei Renault auf die WM-Entscheidung haben werden, bleibt noch abzuwarten. Dass solche Reibungsverluste normalerweise auch zu Leistungsverlusten führen und gerade dann, wenn in einem WM-Endkampf 100 Prozent und mehr Perfektion gefragt sind, fatal sein können, ist klar. Dass aber Michael Schumacher deswegen darauf bauen könnte, im WM-Finale auf einen angeschlagenen Fernando Alonso zu treffen, der seine Titelhoffnungen schon fast aufgegeben habe, das könnte trotzdem ein Irrtum sein: "Er ist zwar sauer auf das Team, aber er ist mental unglaublich stark, deswegen wird das zumindest auf seine Leistung keinen Einfluss haben, eher im Gegenteil. Er ist voll konzentriert und entschlossen", sagt ein Alonso-Freund und intimer Kenner der Renault-Verhältnisse. "Zumindest ihn selbst macht das eher noch stärker."

Und vielleicht hatte der amtierende Weltmeister ja sogar noch etwas anderes im Sinn: Mit seiner Attacke auch seine eigene Führungsrolle, seine starke Persönlichkeit zu unterstreichen - und damit auch seine Leute noch einmal zu einem "jetzt erst recht!" zu motivieren, zu einer vollen Konzentration auf den letzten Angriff. Nicht durch künstliches Harmoniegerede - sondern durch Ehrlichkeit und eine gewissen gezielte Provokation. Es wäre sicherlich eine riskante Strategie. Aber eine, die einem Ausnahmefahrer wie Alonso und seinem Charakter durchaus entspräche. Und sollte sie tatsächlich aufgehen, dann hätte er damit erst recht ein Ausrufezeichen hinter seine eigene Stärke gesetzt.