Wenn es nass ist oder regnet, ist die Formel 1 spannend. Diese große Lehre galt natürlich auch in Shanghai. Aber es gab noch mehr zwischen den schwimmenden Häuschen und den auf Stelzen und Styropor erbauten Tribünen, was man lernen konnte...

Die Lehre vom Hupen

Am Samstagabend in Monza wusste Pat Symonds einfach nicht mehr weiter: "Was kommt also nächstes - Blinker und Hupen an den Autos?" Die Strafe für Fernando Alonso hatte den Renault-Chefingenieur unerwartet hart getroffen. Für den China GP hätte die FIA zum besseren Verständnis für die Fans auf den Tribünen aber tatsächlich Hupen vorschreiben müssen; denn diese scheinen für die Chinesen das wichtigste an ihren Autos zu sein - bei dem chaotischen "Verkehr", ist das aber kein Wunder.

Nicht alle waren über den Regen froh..., Foto: Sutton
Nicht alle waren über den Regen froh..., Foto: Sutton

"Es ist ähnlich chaotisch wie vor zwei Jahren", erinnerte sich Nick Heidfeld an seinen letzten Besuch in Shanghai zurück. "Ich habe das Gefühl, dass es etwas besser geworden ist. Sie hupen zwar immer noch so viel, aber ich fühle mich etwas sicherer." Zumindest auf der Strecke konnte Nick im Qualifying dem Verkehr entgehen. "Normalerweise beklagen sich ja immer alle darüber, aber heute hatte ich Glück", freute er sich. Nico Rosberg versuchte unterdessen die Gründe für die Hupkonzerte zu durchschauen. "Wir benutzen die Hupe nur bevor der Unfall kommt", analysierte er, "die benutzen sie um hallo zu sagen. Auf die Art: Ich bin da, also passt auf!" Für diesen Zweck hätte sich Nick in der letzten Kurve sicherlich auch gerne eine Hupe an seinem BMW Sauber gewünscht - dann hätten ihn Christijan Albers und Takuma Sato vielleicht kommen hören...

Die Lehre von der Gefahr

Bei China-Neuling Sebastian Vettel war das Sicherheitsgefühl noch nicht ganz so ausgeprägt wie bei seinem Teamkollegen Nick Heidfeld. "Auf der Autobahn geht es, aber in der Stadt ist es total chaotisch", berichtete er von seinen Eindrücken aus dem Verkehrs-Gewimmel. "Gestern war ich als Fußgänger unterwegs, da muss man aufpassen, dass man nicht überfahren wird. Das Erstaunliche ist, dass bei so viel Chaos und Kreuz und Quer nie etwas passiert. Aber man hat schon ein mulmiges Gefühl, wenn man über die Straße geht und es kommen aus allen Richtungen Fahrradfahrer, Roller, Autos, Lkw - einfach alles was es eben so gibt. Das Risiko liegt schon sehr hoch, es ist sicherlich gefährlicher als auf der Strecke."

Apropos Risiko: Auch Freitags-Debütant Michael Ammermüller verspürt auf der Rennstrecke keinerlei Anflug von Angst. Im Gegenteil: "Bei uns in Pocking gibt es eine Speedway-Bahn, da fand vor ein paar Jahren sogar eine Weltmeisterschaft statt", stellte er seine bayerische Heimat vor. Selbst wollte er diese Bahn aber nicht benutzen. "Das war mir zu gefährlich." Stattdessen fährt er jetzt lieber mit weit über 300 km/h über die Formel 1-Strecken dieser Welt. Den passenden Spitznamen verpasste ihm das Fahrerlager nach einer Erzählung über ein Wirtshaus in seiner Heimatstadt bereits: "Der Stier von Pocking." Wohl dem Red Bull-Marketingguru, der dieses Wortspiel demnächst ausschlachten darf...

Die Lehre vom Winterschlaf

Für Toyota gab es zuletzt nicht viel zu lachen, und dass obwohl das wichtige Heimrennen in Suzuka ansteht. Ralf Schumacher wusste schon am Donnerstag: "Es liegt nur an den Fahrern." Die logischen Konsequenzen sind bereits in der Mache: "Wir gehen jetzt auch in Rente... und kommen dann zurück." Wollen die ach so schuldigen Fahrer also einen Winterschlaf einlegen? "Nein, bei der Pace vom letzten Rennen hat der Winterschlaf schon angefangen", scherzte Ralf weiter. "Wir versuchen gerade wieder aufzuwachen." In Shanghai gelang ihnen das ganz und gar nicht - da legten sie sich sogar noch vor Rennende wieder in der Box schlafen. So mancher Verschwörungstheoretiker wollte in dem Synchronausfall der beiden weiß-roten Autos sogar eine Taktik erkannt haben; so unwahrscheinlich erscheint das noch nicht einmal...

Die Lehre von der Fliegerei

Diesen Blick kennt Sebastian zur Genüge - zur Erinnerung: 6 Rennen in ebenso vielen Wochen., Foto: adrivo Sportpresse
Diesen Blick kennt Sebastian zur Genüge - zur Erinnerung: 6 Rennen in ebenso vielen Wochen., Foto: adrivo Sportpresse

Auf dem langen Flug nach Shanghai musste Red Bull-Neuling Michael Ammermüller glücklicherweise keinen Helm tragen, dafür aber im Rennauto. Nur ist sein GP2-Helm nicht aus Karbon und somit nicht F1-tauglich. Da sein neuer Kopfschmuck noch nicht fertig ist, musste er mit einem Helm von Christian Klien an den Start gehen. Somit hatten die österreichischen Fans zumindest optisch den Eindruck, dass noch immer zwei der ihren auf der Strecke unterwegs waren.

So ein Helmchen kostet übrigens die läppische Summe von 10.000 Euro, aber Geld spielt bei den roten Bullen ja kaum eine Rolle. Immerhin übernachtete man im Ritz Carlton und während andernorts die Stammpiloten Economy fliegen, darf ein Red Bull-Testfahrer natürlich in der Business Class Platz nehmen. Dem Vielflieger und Meilenkönig Sebastian Vettel ist es hingegen egal, wo er im Flugzeug sitzt. Er freut sich so oder so über die Vorzüge von Bonusmeilen, die er in den kommenden Wochen in großer Anzahl sammeln wird. Das ist auch nötig: "Ich habe mich in letzter Zeit fast schon geschämt - alle zeigen mir ihre goldenen "Miles and More"-Karten und ich komme mit der Einsteigerkarte an..."

Die Lehre vom Neuanfang

Die Formel 1 machte bereits zum dritten Mal in China Station, dennoch war in Shanghai einiges neu. So zum Beispiel die Freitagstester Ammermüller und Premat, die Lackierungen von Honda und Spyker und natürlich der Piraten- oder Zorro-Look von Fernando Alonso. Der Kinnbart des Spaniers und die angeblich veränderte Frisur von Michael Schumacher veranlassten eine große deutsche Boulevardzeitung (raten Sie mal welche...) sogar dazu, einen Style-Experten (womit man alles sein Geld verdienen kann...) auf das Aussehen der beiden Titelanwärter anzusetzen. Entweder Fernando hat diesen wahnwitzigen Schmarrn gelesen oder er ist in seinem Hotel an einem Spiegel vorbeigelaufen, auf jeden Fall kreuzte er nach zwei Tagen wieder wie ein normaler Mensch im Fahrerlager auf.

Die Lehre vom Eis

Während Fernando also über Nacht seinen Bart verlor, verabschiedete sich David Coulthard im Freien Training von einem Batzen Trockeneis, das er während der Fahrt in seinem Cockpit gefunden hatte - so kalt war es in Shanghai nun auch wieder nicht, dass sich auf den wenigen Runden Eis gebildet haben könnte. Dennoch warf er es relativ unachtsam auf der Geraden aus dem Auto. Da im Training eh niemand fährt, war die Gefahr einen Kollegen zu treffen aber höchstgering. Ganz anders beim echten Ice-Man Kimi Räikkönen, der im Qualifying statt Trockeneis seinen rechten Rückspiegel verlor. Mit diesem machten danach Giancarlo Fisichella und Jenson Button unliebsame Bekanntschaft. Was lernen wir daraus? In Shanghai muss man eben nicht nur im Straßenverkehr mit unerwarteten Dingen rechnen.

Das fand David in seinem Cockpit., Foto: Sutton
Das fand David in seinem Cockpit., Foto: Sutton

Die Lehre vom Präsidenten

Seit Freitag gibt es einen neuen Präsidenten. Einige wollten das Geheimnis zwar hüten, obwohl es bereits ein offizielles Presseschreiben dazu gab, aber am Ende wurde bekannt: Neben Mark Webber und Fernando Alonso gehört Ralf Schumacher zu den drei neuen GPDA-Direktoren. Das war aber fast zu erwarten, bei acht deutschen Fahrern in dieser Saison und garantiert nicht weniger im kommenden Jahr, musste ja mindestens einer davon in der GPDA sein - alles andere wäre fast schon eine statistische Unmöglichkeit.

Die Lehre vom Alter

Der bisherige GPDA-Chef schied derweil aus "Altersgründen" aus, wie einer seiner Kollegen scherzhaft formulierte. Dieses Alter bekam Michael Schumacher gleich an mehreren Stellen vorgehalten, etwa von Fernando Alonsos Renningenieur Rod Nelson, der nach Alonsos Pole im Boxenfunk sagte: "Poor old Michael is 6th." Der "arme, alte Michael" war also Sechster. Am Sonntag konnte er gut darüber lachen: "Ich bin ja nun einmal der älteste, aber zum Glück nicht der langsamste."

Die Lehre vom Verkauf

Auch Flavio Briatore dürfte das Lachen im Rennen schnell vergangenen sein. Erst die falsche Reifenwahl bei Fernando, dann das Problem beim Boxenstopp und die Niederlage gegen Michael Schumacher - da war der Ärger über die ausgefallenen Monitore am Kommandostand noch das geringste Übel. Der Glücksbringer, den er nach dem Qualifying mit sich herumtrug, erfüllte seine Funktion also nicht gerade optimal. Am Samstag hatte Flavio noch gescherzt: "Wenn es morgen gut läuft, dann werde ich ihn verkaufen..." Jetzt dürften sich wohl nur Ferrari-Fans dafür interessieren, also halten Sie demnächst Ihre Augen bei ebay offen - Flavio ist ja ein tüchtiger Geschäftsmann, der sich keinen Deal durch die Lappen gehen lässt...

Die Lehre vom Testen

In den Reihen des neuen Spyker MF1 Teams dürfte wohl niemand so genau wissen, wie viele Fahrer eigentlich in diesem Jahr für das Team im Einsatz waren. Okay, die beiden Stammfahrer Tiago Monteiro und Christijan Albers kennen sie alle. Auch die Freitagstester Adrian Sutil, Markus Winkelhock, Giorgio Mondini, Alexandre Premat und Ernesto Viso dürften sie noch zusammenbekommen. Aber dann waren da ja noch mindestens Max Biaggi, Ronnie Quintarelli und Adrian Valles, die für MF1 testen durften; nicht zu vergessen der Russe Roman Rusinov, der zwar nie im Auto saß, aber immerhin den Titel des offiziellen Testfahrers trägt.

Sakon muss sich erst noch von Nicks Rede erholen..., Foto: Sutton
Sakon muss sich erst noch von Nicks Rede erholen..., Foto: Sutton

Sie möchten wissen, warum wir Ihnen diese rekordverdächtige Fahreranhäufung auflisten? Ganz einfach: Damit verstehen Sie viel leichter, warum Ferrari demnächst seine Rennwagen-Produktion erhöht oder verzweifelte Millionenangebote für Paul Stoddart Zweisitzer-Flotte abgibt. Denn durch den Motorendeal mit Spyker sollen die MF1-Piloten angeblich das Recht haben einen Ferrari testen zu dürfen - vielleicht sitzt Roman Rusinov also doch noch einmal in einem F1-Auto...

Die Lehre vom Glück

Glas ist nun einmal zerbrechlich - das ist keineswegs nur ein überflüssiger Warnhinweis einer amerikanischen Bedienungsanleitung. Irgendwann musste es also einmal passieren: Wer Champagner-Flaschen aus mehreren Metern Höhe vom Podium herunterwirft, erhält irgendwann Scherben. Aber die sollen ja bekanntlich Glück bringen. Bei Renault erschien die Szene nach dem China GP aber eher wie eine passende Fortsetzung der Pechsträhne...

Die Lehre von den Verwechslungen

Das größte Pech hatte in Shanghai sicherlich Sakon Yamamoto. Da durfte er seine erste Zielankunft in der Formel 1 feiern und aus heiterem Himmel brach das größte Donnerwetter seines Lebens über ihn herein. Nick Heidfeld schimpfte und gestikulierte und wusste dabei gar nicht, dass er den falschen Super Aguri-Piloten zusammenfaltete. Denn es war nicht Yamamoto, sondern Takuma Sato, der Heidfeld einen sicheren 4. Platz gekostet hatte. Jetzt wäre es nur noch interessant zu wissen, ob Yamamoto Nicks Bitte nachkam und seine Worte "genau so" an Sato weitergegeben hat. Das wäre dann ein spannendes Debriefing gewesen...