Für beide steht am Ende dieser Saison ein Abschied an, nur ihre Ziele und Wege sind unterschiedlich. Der eine wechselt das Team, der andere lässt jene Welt, die er seit 1991 so sehr prägte wie kein anderer, komplett hinter sich. Einen Weg werden Fernando Alonso und Michael Schumacher aber dennoch bis zu einem gemeinsamen Ziel gehen, an dessen Ende kann es aber nur einen geben...

Jetzt erst Recht - die Erste

Selbst der Papst stand ab 15:20 am Sonntagnachmittag im Schatten einer Motorsport-Legende, eines Rekordweltmeisters, eines umstrittenen Helden. "Das war ein besonderer Tag und ihn so abzuschließen ist fantastisch", strahlte Michael Schumacher über seinen Heimsieg vor den Augen seiner Ferrari-Mannschaft und zigtausender euphorischer Tifosi. Auf dem einzigartigen Siegerpodest von Monza schwebten er und Jean Todt über einem Meer aus Rot.

Sieg & Rücktritt: Jetzt erst Recht!, Foto: Sutton
Sieg & Rücktritt: Jetzt erst Recht!, Foto: Sutton

Nach diesem emotionalen Moment sprach er jene bedeutenden Worte, die sein Team schon kurz nach Rennende auf einem Press Release im Fahrerlager verteilte: "Das war mein letztes Rennen in Monza." Für viele im Fahrerlager war dies der perfekte Moment und die beste Art den Rücktritt bekannt zu geben: Mit einem Heimsieg in Monza, voller Emotionen. Jetzt fehlt für Nick Heidfeld nur noch Teil 2 des perfekten Rücktritts: "Ein achter Titel wäre in Brasilien kein schlechter Abschied", wünscht er seinem Landsmann und ehemaligen "Kartlehrer" einen würdigen Abgang.

Nur Niki Lauda verdarb die Feierstimmung der Roten. "Es gibt nichts Ärgerlicheres als das, was hier passiert ist. Da werden Zettel im Fahrerlager verteilt, die jeder Idiot kopieren kann, und da steht drauf, dass er zurücktritt. Menschenunwürdiger kann man so etwas nicht machen", wetterte der Österreicher über die "pietätlose Schweinerei" der Scuderia. Der Ex-Ferrari-Star war schon immer mit dem Vorgehen der Roten bezüglich der Rücktrittsankündigung unzufrieden. Der rote Sonntag stimmte ihn nicht milder. "Jetzt erst Recht", sprach er drei Worte aus, die für Michael Schumacher in den letzten drei Rennen der Leitspruch sein werden.

"Jetzt zählt nur noch die Weltmeisterschaft", kündigte er an. Bei nur noch zwei Punkten Rückstand auf Fernando Alonso erscheinen der achte Titel und der Traumrücktritt näher denn je. "Diese Saison hat für uns schwierig begonnen, aber wir sind nach und nach besser geworden und zur Saisonmitte hätte niemand geglaubt, dass wir heute in dieser Situation sein würden." Deshalb hofft er jetzt auf seinen Höhepunkt zum Karriere-Ende, auf den großen Abschied, den sich der erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten verdient hat. "Der Meistertitel ist in greifbare Nähe gerückt und wir werden in keiner Hinsicht nachlassen." Titel Nummer 8 soll her - jetzt erst Recht.

Jetzt erst Recht - die Zweite

Wenn sich die einen wie Schneekönige freuen, müssen sich irgendwo im Fahrerlager auch andere zu Tode ärgern. "Ich sehe die Formel 1 nicht mehr als Sport", erklärte Fernando Alonso schon vor dem Rennen. Mit nach unten gestrecktem Daumen betrat er am Sonntagmorgen das Fahrerlager von Monza - der Frust über die Streichung seiner drei schnellsten Qualifying-Runden für das angebliche Blockieren von Felipe Massa saß tief.

Motorschaden & Strafe: Jetzt erst Recht!, Foto: Sutton
Motorschaden & Strafe: Jetzt erst Recht!, Foto: Sutton

"Ich fühle das noch immer. Es gab eigenartige Entscheidungen in den vergangenen Monaten und es ist genug. Der Sport muss in der Formel 1 Priorität haben. Jetzt hat er keine Priorität", wiederholte er seine Kritik nach dem Rennen, ein Rennen das er mit einem Motorschaden vorzeitig beendete. Allerdings sieht er nicht diese Schrecksekunde als den schlimmsten Moment des Wochenendes: "Dieses Rennen wurde schon am Samstagnachmittag abseits der Strecke entschieden."

Flavio Briatore brachte die Bestrafung seines Schützlings so richtig in Rage. "Es ist schon alles entschieden: Sie haben sich entschlossen die WM an Schumacher zu vergeben und so wird es kommen", fluchte Briatore im italienischen Fernsehen. Er war wohl einer der wenigen Italiener, die mit dem emotionalen Ferrari-Triumph von Monza nichts, aber auch gar nichts anfangen konnten. "Jetzt sind alle happy. Ferrari liegt vorne und hat bekommen was es wollte. Im Vergleich zu dem, was in der F1 geschieht, kann ich über den italienischen Fußball-Skandal nur lachen."

Der FIA war angesichts der Manipulationsvorwürfe des Teamchefs nicht zum Lachen zumute. Sie kündigte eine Untersuchung der Äußerungen an, was Renault zur Schadensbegrenzung veranlasste: In einem Pressestatement erklärte Briatore, dass alles nur ein Spaß gewesen sei. Die neuerliche Bestrafung von Alonso war nach dem Verbot der Massedämpfer und der Strafe von Ungarn aber nur die berüchtigte Spitze des Eisbergs, deshalb gilt bei den Gelb-Blauen im WM-Endspurt nur ein Motto: Jetzt erst Recht!

Wie ernst es die Franzosen meinen, machten sie nach Rennende deutlich: Zusammen mit Michelin zweifelten sie bei der FIA die Legalität der Bridgestone-Reifen an. Ein Beweisfoto zeigte einen Bridgestone-Ingenieur mit Atemschutz und Handschuhen - bearbeiten die Japaner ihre Pneus etwa unerlaubt mit Chemikalien? Die FIA schmetterte den Verdacht ab und das französische Duo akzeptierte die Begründung der Japaner. Das Fahrwasser wird in den letzten drei Saisonrennen jedoch spürbar rauer. Zuletzt hatte Renault keinen offiziellen Protest gegen die umstrittenen Ferrari-Radkappen eingelegt; seit Monza gilt aber bekanntlich ein anderes Motto... jetzt erst Recht.

Rennanalyse: Prozession im Schatten

Titel Nummer 8 winkt zurück., Foto: Sutton
Titel Nummer 8 winkt zurück., Foto: Sutton

Bei all der Euphorie um den Ferrari-Sieg, der Trauer um den Schumacher-Rücktritt und der Spannung um den WM-Kampf ging eines beinahe völlig unter: das Rennen selbst. Oder wissen Sie wer alles in den Punkterängen gelandet ist? Wo die Red Bull-Fahrer im Ergebnis stehen? Warum Nico Rosberg ausfiel? Die rote Dreifaltigkeit um Sieg, Karriere-Ende und Titelsegen verdrängte alles - sogar den Papst.

Ein Wunder ist das allerdings nicht, immerhin war der Italien GP alles andere als ein Thriller. Es war ein typisches Rennen auf dem überholfeindlichen High-Speed-Kurs im königlichen Park; mit dem Unterschied, dass zumindest einige Fahrer ein erfolgreiches Überholmanöver praktizierten. Interessiert haben sich dafür aber nur die wenigsten.

Ausblick: Jetzt erst Recht in Shanghai

BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen outete sich in Monza als Wahrsager oder Eingeweihter: Er sagte schon am Donnerstag ein "dramatisches Ende einer ebenso dramatischen Karriere" voraus. Drei Tage später gab Michael Schumacher dann tatsächlich seinen Rücktritt bekannt, wobei nicht nur die Ankündigung in Monza dramatisch war, auch das Ende in Brasilien und die zwei Rennen bis dorthin werden an Spannung kaum zu überbieten sein.

"Ein besseres Rennen hätte er unter dieser Belastung, die ihm Ferrari angetan hat, nicht fahren können", analysierte Niki Lauda. "Jetzt hat er sehr gute Chancen die WM noch zu gewinnen. Sportlich ist es für ihn eine perfekte Situation, besser könnte sie nicht sein."

Für Lauda steht fest: "Wer in den letzten drei Rennen das bessere Auto hat, wird Weltmeister. Alonso wird natürlich noch nicht aufgeben, aber die Zeichen stehen im Moment in Richtung Ferrari." Dieser Meinung schließen sich die meisten Experten an. "Die WM ist jetzt extrem spannend", pflichtet Nick Heidfeld bei. "Ich sehe jetzt Michael als klaren Favoriten." Denn Ferrari sei zuletzt besser als Renault gewesen. Nur Nicks Boss Mario Theissen glaubt noch an Alonso. "Er ist nach wie vor vorne und hat alle Chancen das Ding nach hause zu fahren."

Und daran glaubt Fernando fest. Auch wenn er damit alle Mathematiker vor den Kopf stößt, ist er zu "110 Prozent" davon überzeugt, dass er es schaffen kann, seinen Titel zu verteidigen. "Wir werden beim nächsten Rennen wieder da sein. Wir waren in den letzten Rennen sehr schnell, vielleicht so schnell wie Ferrari oder noch schneller." Alonso sieht Renault deshalb für die letzten drei Rennen als "Favoriten". Sein Chefingenieur Pat Symonds hat ebenfalls noch nicht aufgegeben, für ihn hat "die Formel 1-Weltmeisterschaft 2006 gerade erst begonnen". Damit meint er wohl: Jetzt erst Recht!