Gewusst hatten es ja eigentlich schon fast alle, oder zumindest geahnt - und dennoch schien die tatsächliche Bestätigung dann doch noch einen zumindest kleinen Schock auszulösen: Die Formel 1 in Zukunft ohne Michael Schumacher - nicht nur für die Tifosi in Monza, die am Sonntag Abend noch stundenlang vor dem Ferrari-Motorhome ausharrten, scheint das eine fast unvorstellbare Vorstellung zu sein.

Das Ende einer Ära, das ist dieser angekündigte Rückzug sicherlich. Aber dass er einen solchen Hype, einen solchen Wellenschlag nicht nur in Deutschland, sondern zumindest momentan einmal weltweit auslöste, das ist ungewöhnlich. Abschiede großer Sportler, die ihre Epoche prägten, gab es schon immer - überall, auch und gerade in der Formel 1.

Aber der von Michael Schumacher ist irgendwie anders. Auch anders als bei seinen Vorgängern. Einerseits sogar weniger sentimental - Tränen wie bei den Rücktrittserklärungen eines Jackie Stewart, eines Niki Lauda, sogar eines Alain Prost gab es diesmal zumindest im Fahrerlager eher nicht. Dafür eine Art kollektives Erstaunen gerade in einer bestimmten Altersgruppe der Jungen, aber nicht ganz Jungen - so um die 30 oder knapp darüber: Wie denn die Formel 1 in Zukunft ohne Schumacher Superstar überhaupt weiter existieren solle.

Schumacher als Synonym

Das hat seine Gründe. Denn was die Schumacher-Epoche - neben der reinen Zahlen- und Erfolgsbilanz - so außergewöhnlich macht, ist ihre Dauer. 16 Jahre lang fuhr Michael Schumacher in der Formel 1, praktisch von Anfang an mit konkurrenzfähigem Material. Seit 1994, seit dem Tod von Ayrton Senna, war er der Star der Szene, wurde in diese Rolle anfangs auch ein bisschen hinein geschoben, weil die großen Macher ja einen neuen Helden brauchten, auch, um die Geschehnisse von Imola so schnell wie möglich vergessen zu machen. Und mangels wirklich gleichwertiger Rivalen in gleichwertigem Material, zumindest kontinuierlich über längere Zeit, wurde diese Über-Heldenrolle auch nie mehr in Frage gestellt.

12 Jahre sind seitdem vergangen, 12 Jahre, in denen der Name Schumacher und der Begriff Formel 1 ein Synonym darstellten. Eine so lange Phase der Dominanz gab es noch nie - die Superstars von früher begannen nicht mit 21, sondern erst wesentlich später in der höchsten Klasse. Und zu Zeiten, in denen das Risiko des Sports noch deutlich höher war, überlebten viele entweder gar nicht so lange, wie etwa ein Jim Clark oder Jochen Rindt und zuletzt eben Ayrton Senna, oder zogen sich freiwillig früh zurück, wie Jackie Stewart.

Schumacher als Inventar

16 Jahre Michael Schumacher - das bedeutet, dass sich viele Fans, aber auch gerade viele der alt gedienten Fahrer, viele Teammitglieder, viele Journalisten, die Formel 1 ohne einen Michael Schumacher gar nicht vorstellen können, weil sie sie, zumindest bewusst, nie anders kannten. Und auch wenn bei weitem nicht alle mit ihm sympathisieren, ihn verstehen und sich persönlich mit ihm verbunden fühlen - dazu hat er sich im Laufe seiner Karriere zu viele Feinde geschaffen, gerade auch bei seinen Fahrerkollegen - irgendwie erscheint ihnen ein Formel-1-Fahrerlager ohne Schumacher einfach nicht vollständig.

Auch deshalb war jetzt wohl das Erstaunen, fast Erschrecken, wie es denn weitergehen solle in der Formel 1, so groß. Nur die Älteren, auch Champions von früher wie Niki Lauda oder Jackie Stewart, oder auch Ex-Teamchef Peter Sauber, haben da eine differenziertere Sichtweise, erkennen zwar den momentanen Verlust, sehen aber auch, dass die Formel 1 an sich immer wieder sehr schnell Ersatz für ihre abgetretenen Helden gefunden hat. Die Schumacher-Jahre werden ein sehr wichtiges Kapitel in der Formel-1-Geschichte darstellen, in Deutschland sogar ihr bisher wichtigstes überhaupt. Dass sie jetzt in gut sechs Wochen in Brasilien zu Ende gehen, mit oder ohne achten WM-Titel, ist eine Zäsur.

Rücktritt als Neuanfang

Ein Grund für den Absturz der Formel 1 in die Bedeutungslosigkeit ist das nicht. Dafür gibt es viel zu viele junge, hochtalentierte und sympathische Nachwuchsfahrer, die versuchen, in Schumachers Fußstapfen zu treten. Dass auch sie jetzt weniger Beachtung finden, nur weil er nicht mehr dabei ist, das wünscht sich auch Michael Schumacher nicht. Schließlich hat nicht nur er der Formel 1 sehr viel gegeben, "sondern der Motorsport an sich hat mir in meinem ganzen Leben unglaublich viele unglaublich schöne Erlebnisse geschenkt." Und diese Erfahrungen soll schließlich auch die nächste Generation machen dürfen. Die der ganz Jungen, die wie die Alten den Rücktritt eines Superstars eher ganz normal finden und die wenn, dann vor allem aus einem Grund traurig sind: Dass sie nicht mehr gegen ihn fahren und ihn schlagen können - und damit ihre eigene Position stärken.

In Zukunft werden die eigentlich auch noch jungen Top-Stars Fernando Alonso und Kimi Räikkönen schon zu den älteren und etablierten gehören werden. Die Generation Coulthard, Fisichella, Trulli & Co dürfte in den nächsten Jahren entweder komplett verdrängt oder zumindest aus dem Rampenlicht geschoben werden - angesichts des Ansturms neuer, junger Piloten, die den Etablierten ja teilweise schon jetzt die Hölle heiß machen.

Da ist Robert Kubica, der mit seinem dritten Platz in Monza endgültig ins Rampenlicht fuhr, Nico Rosberg natürlich, 2007 kommt bei Renault dann Heikki Kovalainen - ein Finne, der nur in Sachen Speed und Optik die finnische Tradition fortsetzt, ansonsten aber gewaltig aus der Reihe von Räikkönen und Co tanzt: Kovalainen ist zwar erst 21, aber keiner der stillen, schüchternen Schweiger aus dem Norden, sondern für einen jungen Piloten sogar äußerst mitteil- und manchmal sogar unterhaltsam. Dazu wird man sehr wahrscheinlich nächstes Jahr auch Lewis Hamilton in der Top-Klasse zu sehen bekommen, den neuen GP2-Meister. Nelson Piquet jr. steht auch schon in der Warteschleife - mit seinem bestätigten Testfahrervertrag bei Renault. Und dann ist da ja auch noch die deutsche Nachwuchsfraktion, angeführt im Moment zumindest in der öffentlichen Aufmerksamkeit, von Sebastian Vettel nach dessen Glanzdebüt am Freitag vor zwei Wochen in der Türkei. Nicht zu vergessen aber auch ein Timo Glock, ein Adrian Sutil oder ein Markus Winkelhock, die bereits Formel-1-Erfahrung haben, zumindest als Testpiloten - und sich Hoffnungen machen für 2007... Und Michael Ammermüller etwa, der Youngster aus der Nähe von Passau, der in der Hierarchie der Nachwuchsförderung von Red Bull schon weit oben angekommen ist, wird ja vielleicht sogar schon in Shanghai sein Debüt als Freitagsfahrer feiern.