Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Wir haben den viertletzten Grand Prix des Jahres, beide WM-Titel sind noch offen und es gibt zwei Top-Teams sowie zwei, die gerne absolute Spitzen-Top-Teams mit Siegchancen wären.

Vor dem Rennwochenende scheint das Kräfteverhältnis ziemlich klar zu sein: Fernando Alonso und Renault bezeichnen Monza schon seit Wochen als Ferrari-Strecke, da die Roten einen besseren Top-Speed besitzen und ihnen die Streckencharakteristik des High-Speed-Tempels somit entgegen kommt. Die drei Testtage in der letzten Woche festigten die rote Favoritenrolle noch mehr - der neue Asphalt auf rund der Hälfte der Strecke schien Bridgestone viel besser zu liegen als Michelin. Also doppelter Vorteil für die Scuderia?

Michael Schumacher sagt nein: "Die Tests haben gezeigt, dass es hier sehr eng zugehen wird", wehrte sich der Jäger gegen die absolute Favoritenrolle. "Hockenheim war das letzte Rennen, wo wir einen deutlichen Vorteil hatten. Danach war es immer eng." Für dieses Rennwochenende redet er sich auf eine nichts sagende Phrase heraus: "Es wird entscheidend sein, wer das Auto besser an die Bedingungen anpassen kann. Wenn uns das gelingt, dann haben wir eine tolle Chance. Wenn nicht, werden wir diese Chance nicht erhalten."

Trotz der roten Euphoriebremse bleibt Fernando Alonso bei seiner Meinung: "Ferrari ist in Monza immer gut, die High-Speed-Charakteristik kommt ihnen entgegen", wiederholte der WM-Leader, der jedoch auch seine Zusatzmotivation noch einmal deutlich machte: "Das gibt uns eine besondere Motivation sie hier zu schlagen." So wie Ferrari die Franzosen bei ihrem Heimrennen in Magny-Cours bezwungen hat.

Den neuen Asphalt sieht Alonso nicht als Problem an. "Ich glaube nicht, der Test verlief wie erwartet. Das ändert nichts", glaubt er. "Wir haben eine neue Motorenausbaustufe und wollen da versuchen, noch ein bisschen mehr herauszuholen." Die schwierigste Aufgabe erwartet Alonso im Qualifying: "Die Unterschiede zwischen den Autos sind auf alten Reifen größer, auf neuen sind sie relativ gleich."

Eine vorzeitige Titelentscheidung sieht keiner der beiden Nicht-Favoriten. "Es wird bis zum letzten Rennen gehen", prophezeite Michael Schumacher. "Beide Seiten werden sich verbessern, aber es hängt davon ab, wem das schneller gelingt." Von den vielen Spekulationen um seine Zukunft will sich der Ferrari-Star nicht ablenken lassen. "Wir haben die Mitteilung so gelegt, dass sie uns am allerwenigsten stört - denn wir sind mitten im WM-Kampf." Das Wörtchen Favorit will trotzdem keiner der beiden Titelkämpfer in den Mund nehmen.