Schwarz, viel Rot und Gold waren die beherrschenden Farben - während der Fußball-WM und des Großen Preises von Deutschland. Dabei lief es nicht für alle unter dem schwarz-rot-goldenen Banner fahrenden Piloten und Hersteller gut.

Im Gegenteil: Die deutsche Formel 1-Herrlichkeit musste schon in den ersten Runden einige herbe Rückschläge einstecken. Zunächst kollidierten die beiden BMW Sauber-Piloten miteinander, was für Nick Heidfeld das vorzeitige Aus bedeutete. Danach geriet Ralf Schumacher in der Spitzkehre mit David Coulthard aneinander - an der gleichen Stelle wie am Vortag mit Pedro de la Rosa. Der Schotte ging fliegen, der Deutsche musste an die Box. Dort fuhr er allerdings zu schnell, weshalb er eine Drive-Through-Strafe kassierte.

Noch wird nicht gehupt, aber schon einmal geschwenkt..., Foto: Sutton
Noch wird nicht gehupt, aber schon einmal geschwenkt..., Foto: Sutton

Für Mercedes lief es nicht besser: De la Rosa fiel mit einer defekten Benzinpumpe aus, Kimi Räikkönen hatte einen verpatzten ersten Boxenstopp und Hydraulikprobleme; am Ende hielt er den Mercedes-Stern wenigstens als Dritter auf dem Podest empor. Soweit kam Nico Rosberg gar nicht, der Williams-Pilot verabschiedete sich schon in Runde 1 in die Mauer. Am Ende hing also wieder einmal alles an einem schwarz-ROT-goldenen Faden: Michael Schumacher musste es mit seinem dritten Sieg in Serie und dem fünften Sieg des Jahres richten.

Der rote Held: Ungedämpfte Freude

Bei so viel Pech für die deutschen Teilnehmer - wobei Nico Rosberg sich vehement dagegen wehrte, seinen Fehler als solches zu bezeichnen - erscheint das rote "Traum-Resultat" beinahe wie ein Märchen: Das Rennen war fehlerfrei, das Auto perfekt, die Fahrer unglaublich und die Bridgestone-Reifen ihrem Konkurrenten haushoch überlegen, schwärmte Jean Todt. "Es hätte nicht besser laufen können", fügte Ross Brawn hinzu. "Am Montag kommen wir dann wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und denken an Budapest." Bis dahin gewährte Todt seinen Mannen jedoch die Siegesfeierlichkeiten zu genießen.

Als siebenfacher Weltmeister und Rekordstatistiker sollte Michael Schumacher eigentlich schon alles erlebt haben, aber für solch einen Hocken-Heim-Sieg (wie die Boulevardpresse titelte) gingen selbst ihm die Superlative aus. "Das war ein supertolles Wochenende und das Auto hat überragend funktioniert", strahlte Schumacher. Die Grundlage dafür legte man bei den letzten Tests in Le Castellet. "Wir haben sehr hart mit Bridgestone gearbeitet und auch das Auto stark verbessert. Es ist schon etwas überraschend, dass wir so weit vorne stehen, aber gerade jetzt brauchen wir diese Performance, um die Lücke zu Alonso zu schließen."

Das ist ihm gut gelungen, insbesondere da Felipe Massa als Zweiter und Kimi Räikkönen sowie Jenson Button als 3. und 4. Alonso wichtige Punkte wegnahmen. Da konnten es sich die führenden Ferrari sogar leisten die Toyota sich zurückrunden zu lassen und dank des "deutlichen Vorsprungs" vorzeitig "auf Nummer sicher" zu gehen. Spottete vor einigen Wochen noch Flavio Briatore, dass Fernando Alonso und Renault die Rennen im Schonwaschgang gewinnen würden, sagte diesmal Schumacher: "Wir mussten gar nicht ans Limit gehen."

Das sah auch Jenson Button so: "Die Ferrari hätten alle überrundet, wenn sie nicht zur Halbzeit des Rennens langsamer gemacht hätten." Ein größeres Lob als solche Worte aus dem Mund der Konkurrenz gibt es für einen Rennstall nicht.

Französische Ursachenforschung: Gedämpfte Stimmung

Aber wie kam es zu dem eklatanten Leistungsabfall bei Renault? Angesichts der großen Töne, die Flavio Briatore gerne spuckt, brauchte er in Hockenheim nicht für den Hohn zu sorgen. "Es ist nicht lange her", erinnerte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, "da hat Herr Briatore gesagt, sie seien unschlagbar, dass sieht er heute sicherlich anders." Und Ross Brawn fügte hinzu: "Alonso sagte, dass er nur in jedem Rennen Zweiter werden müsse, um den Titel zu gewinnen - das ist ihm heute nicht gelungen."

Noch einmal die Frage: Warum? "Man hat heute schon gesehen, dass wir ein bisschen Probleme hatten", gestand Briatore Blasenbildung an den Michelin-Pneus ein. "Es ist wirklich sehr schwierig gewesen, das Auto zu fahren. Das heißt, wir müssen mit Michelin für die letzten Rennen noch besser zusammenarbeiten."

Alonso verkam zum Hinterherfahrer., Foto: Sutton
Alonso verkam zum Hinterherfahrer., Foto: Sutton

"Es hängt sehr viel von den Reifen ab", bestätigte Ferrari-Renningenieur Luca Baldisseri. "Die einen hören nächste Saison auf und werden vielleicht nicht mehr so arg pushen und sich reinhängen." Aber nicht nur Michelin steht vor einer Veränderung. "Alonso wechselt in ein anderes Team, wir haben jetzt andere Regularien. Ich denke all das zusammen führt dazu, dass sie ein bisschen weiter hinter uns stehen."

Dass dem so ist, bestätigt Alonso: "Wir waren das gesamte Wochenende nicht konkurrenzfähig." Eine Ausrede wollte er nicht gelten lassen; das Verbot der Massedämpfer. "Das hatte nicht viel Einfluss. Ich bin mir sicher, in Ungarn werden wir wieder da sein, mit den richtigen Teilen und den richtigen Reifen, also vergesst diesen Dämpfer." Auch aus diesem Grund fiel sein Fazit des Rennens nicht allzu negativ aus: "Wir haben diesen Kampf verloren, aber wir sind in der Meisterschaft noch immer vorne und ich bin mir sicher, wir können das schaffen."

Chefingenieur Pat Symonds hielt sich nach dem Rennen bedeckt - in einem wortkargen Interview sagte er nur, dass man schon in einer Woche beim Ungarn GP eine Lösung für das Problem gefunden haben möchte. Einen Zusammenhang mit den Schwingungsdämpfern schloss er nicht ganz aus. Alex Wurz sieht das gelb-blaue Problem aber woanders begraben.

"Diese Dämpfer bringen ein bisschen etwas", verriet er uns, "aber hier lag es an der Reifenwahl und der Tatsache, dass sie konstruktionsbedingt zu viel Hinterreifen konsumieren." Was genau bedeutet das? "Ihre Gewichtsverteilung ist zu weit an der Hinterachse", sagt Alex. "Somit kommen sie mit keinem weichen Reifen durch das Rennen. Ihre Reifen werfen Blasen." Kann Renault dieses Problem tatsächlich bis zum nächsten Sonntag lösen? "In Ungarn könnte Renault besser sein, aber sie werden nicht mit dem Speed von Ferrari mithalten können", ist Wurz überzeugt.

Christian Danner traut den Franzosen von Renault durchaus zu, dass sie ihre Probleme noch bis zum Saisonende in den Griff bekommen, bei ihren Landsleuten aus Clermont-Ferrand hat er größere Bedenken. "Denn das Personal, das maßgeblich für diese Reifengeneration verantwortlich zeichnet, ist seit einiger Zeit nicht mehr dabei", spielte er uns gegenüber auf die Abgänge wichtiger Ingenieure in Richtung Toyota und Ferrari und somit Bridgestone an. In deren Nachfolger hat er wenig Vertrauen: "In so einer Position muss man riechen, wenn etwas nicht stimmt und sofort dagegen lenken. Wenn ich aber keinen Motorsportvirus in den Adern fließen habe, dann spüre ich es erst, wenn es zu spät ist. Ein Pierre Dupasquier hätte das schon vorher gerochen!" Vielleicht ist der alte Herr der Michelin-Rennreifen ein Jahr zu früh zurückgetreten und hätte sich lieber Ende 2006 zusammen mit dem Bibendum aus der Königsklasse verabschieden sollen - dann mit zwei weiteren WM-Titeln...

Das Rennen: Fast wie 2004

Wie in vergangenen Zeiten: Einsame rote Runden., Foto: Vodafone
Wie in vergangenen Zeiten: Einsame rote Runden., Foto: Vodafone

Zwei rote Autos auf weiter Flur, erst irgendwo weit dahinter folgen langsam anders farbige Boliden, die aber allesamt nicht mit den Ferrari mithalten können - dabei fahren diese bereits seit Rennmitte nur noch mit halber Kraft. Die Szenen des Deutschland GP erinnerten an längst vergangene Tage aus den Jahren 2002 oder 2004; Zeiten, in denen Ferrari alles und jeden in Grund und Boden fuhr.

Wie damals ging es auch in Hockenheim dahinter einigermaßen munter zu - zumindest in den ersten paar Runden gab es einige Überholmanöver und Zwischenfälle, die für Kurzweil sorgten. Und auch im restlichen Rennverlauf zelebrierten die Piloten mehr aktive Positionswechsel als an den letzten drei Rennwochenenden zusammen.

Da erscheint es fast schon Ironie des Schicksals zu sein, dass ausgerechnet der Hockenheimring nur noch alle zwei Jahre im Rennkalender vertreten sein soll. Dafür wird aber weiter alljährlich auf so spannungsgeladenen Kursen wie in Imola oder Magny Cours gefahren - dort gab es in den letzten 5 Jahren immerhin zusammen vielleicht ein Überholmanöver. Leider gilt das auch für den alternierenden Partner von Hockenheim: Auch am Nürburgring gab es für die Fans neben Michael Schumachers zweiten Saisonsieg in diesem Jahr nicht viel zu bejubeln...

Der Ausblick: Alles geht noch

Rien ne va plus - nichts geht mehr. Nach dem Saisonhalbzeitrennen in Kanada dachten sich das sicher viele im F1-Paddock. Drei Rennen und drei Schumacher-Siege später sieht die F1-Welt schon wieder ganz anders aus. "Die Meisterschaft liegt wieder in unseren Händen: Wenn wir in den letzten 6 Rennen immer gewinnen, haben wir den Titel", funkte Renningenieur Chris Dyer seinem siegreichen Piloten kurz nach der Zieldurchfahrt ins Cockpit.

Kein Wunder also, dass Schumacher als erstes darauf verwies, dass die "11" momentan die "wichtigste Zahl" sei - und das nicht nur, weil der Deutsche bei seinen Benefiz-Fußballkicks immer mit der doppelten 1 auf dem Trikot gegen das runde Leder tritt.

Trotzdem versuchte er die Euphorie wie üblich etwas in der Masse zu dämpfen. "So einfach kann man das nicht sagen, aber angesichts unserer Performance der letzten Rennen können wir optimistisch sein." So ist Schumacher ist davon überzeugt, dass man diesen Speed "noch einige Rennen" aufrechterhalten könne. "So können wir den Rückstand vielleicht rasch weiter reduzieren."

Flavio Briatore ist deswegen aber "nicht nervös - noch sind wir ja vorne", beschwört er. Hans-Joachim Stuck hegt dennoch Zweifel. "Bei Alonso und dem Renault-Team wird jetzt schon eines klar, da herrscht Unruhe", analysierte er. "Alle wissen natürlich, Alonso geht weg. Man sieht auch, dass Briatore ziemlich die Flappe hängen lässt. Man bekommt auch Druck und es schleichen sich kleine Fehler ein. Die Unruhe im Team ist etwas, was du in der Formel 1 nicht gebrauchen kannst."

Da kommt der frische Wind in den roten Segeln gerade recht. "Wir haben nicht nur gewonnen, sondern auch viel Boden in beiden WM-Wertungen gut gemacht", gab sich Schumacher kämpferisch. "Wir wollen die WM noch einmal spannend machen und vielleicht gibt es dann ein Kopf-an-Kopf-Rennen in den letzten Grand Prix."

Die F1-Welt jubelt wieder in Rot., Foto: Ferrari Press Office
Die F1-Welt jubelt wieder in Rot., Foto: Ferrari Press Office

Als Favorit sieht sich Schumacher aber nicht. "Alonso kann genauso wieder ein oder mehr Rennen gewinnen", betont er. "Dennoch wird es schwer Ferrari zu schlagen", weiß Christian Danner. "Alonso hat noch immer einen satten Vorsprung, also sind beide WM-Favoriten. Wenn Renault wieder einigermaßen auf die Spur kommt, kann er den Titel nach Hause fahren. Aber momentan hat Ferrari die Nase vorne."

Deswegen weiß Jean Todt: "Wir müssen Alonso noch viel öfter schlagen." Erst dann und wenn man an ihm vorbeiziehe, sieht er den "Wendepunkt" erreicht. Für Ungarn sieht es laut Ross Brawn sehr gut aus. "Die Strecke ist ähnlich wie diese hier, also sind wir optimistisch. Es ist sehr wichtig, dass Alonso jetzt den Druck hat, uns mindestens einmal schlagen zu müssen." Der Hungaroring könnte dabei zum Schicksalsrennen werden: Hier feierte Ferrari in seinen roten Jahren bereits etliche WM-Titel, gleichzeitig erlebten sie dort aber auch eine ihrer bittersten Niederlagen - 2003 wurden sie und Bridgestone in der Hitze von Budapest vorgeführt; ausgerechnet von einem bis dahin noch sieglosen, jungen Spanier in einem Renault.