Am Ende der Saison 1980 feierte Andrea de Cesaris im damals noch zarten Alter von 21 Jahren sein Formel-1-Debüt auf einem Alfa Romeo. Im Jahr darauf engagierte ihn der frischgebackene McLaren-Boss Ron Dennis - in diesem einen Jahr "erarbeitete" sich De Cesaris ein Image als der "Bruchpilot" schlechthin. Hat man einmal ein solches Image, ist dies nur noch schwer loszuwerden...

Gegenüber Motorsport-Magazin.com wehrte sich der Römer vor einigen Jahren gegen dieses Image und erklärte die Hintergründe. Andrea de Cesaris sagte: "Dieses Image kommt nur von meinem ersten vollen Jahr mit McLaren. Danach fuhr ich ja noch insgesamt 210 Grand Prix. Wenn du in meinem Durchschnitt dieses erste Jahr streichst, bin ich ein Fahrer mit viel weniger Unfällen. Man bewertet einen Piloten oft nach seinem ersten Jahr."

Dabei hatte De Cesaris einen blendenden Einstand - er stellte den Alfa Romeo bei seinem Debüt in Kanada gleich einmal auf den achten Startplatz, im Rennen fiel der Italiener auf Rang 8 liegend wegen Motorschaden aus. Beim Saisonfinale in Amerika verabschiedete sich De Cesaris als 19. freilich mit einem Unfall. Nach der Winterpause begann das besagte erste echte Formel 1-Jahr - in Long Beach kollidierte der nunmehrige McLaren-Pilot gleich am Start mit dem Renault von Alain Prost.

Problematisches erstes Jahr

"Mein erstes Jahr war problematisch. Ich war noch wirklich jung und mein Team übte großen Druck auf mich aus. Ich war ein 'young kid' und es ist schwierig für einen jungen Piloten, wenn er vom Team keine Hilfe erhält. Und ich erhielt überhaupt keine Hilfe. Ich durfte auch nicht testen", erklärte Andrea de Cesaris. Der Jungpilot durfte kein einziges Mal testen - und an den Rennwochenenden "wollte ich meine Chance nützen", sagte er.

Image als Bruchpilot - De Cesaris sah es anders., Foto: Sutton
Image als Bruchpilot - De Cesaris sah es anders., Foto: Sutton

De Cesaris sagte ganz offen: "Mein Charakter war damals noch sehr emotional - und es lastete großer Druck auf mir. Und mein Team hat ebenfalls Fehler gemacht - denn ich hatte auch viele technisch bedingte Ausfälle. Aber wie gesagt - nach diesem McLaren-Jahr hatte ich eine sehr niedrige Ausfallsrate - bei über 200 Grand Prix hatten einige Piloten viele Unfälle, ich hatte nur einen schweren Unfall."

Nach dem katastrophalen Debütjahr bei McLaren-Ford kehrte De Cesaris zurück zu Alfa Romeo - und eroberte in Long Beach die Pole-Position. Im Rennen allerdings wurde er von Niki Lauda überholt und krachte danach in die Mauer. Er bleib auch 1983 bei Alfa Romeo, führte auf der Ardennenbahn von Spa-Francorchamps - bevor er ausfiel. "Meine Lieblingsstrecken sind Monte Carlo und Spa-Francorchamps. Ich mag diese Strecken sehr, denn mein Fahrstil und meine Herangehensweise passen gut zu diesen Circuits", sagte er. In Monaco schaffte es De Cesaris im Jahr 1982 auch als Dritter in die Loge des Fürsten, wurde danach noch zweimal Vierter im Fürstentum..

Von 1980 bis 1994 in 10 Teams

Die Karriere von Andrea de Cesaris war außergewöhnlich - der Mann fuhr von 1980 bis 1994 in zehn verschiedenen Formel 1-Teams! Die erfolgreichsten Jahre sollten jedoch 1982 und 1983 bleiben, mit Alfa Romeo - wo er neben seiner einzigen Pole-Position aus dem Jahr 1982 in der Saison 1983 als WM-Achter 15 WM-Punkte, zwei zweite Plätze (Deutschland und Südafrika) und seine einzige Schnellste Rennrunde erobern konnte. "Ja - das Auto war sehr gut - man hätte mit ihm sogar Rennen gewinnen können, aber der Wagen war sehr unzuverlässig. Unglücklicherweise gab es damals nicht diese Herangehensweise wie man sie heute hat. Wo es ein Testteam und einen Testpiloten gibt, die jeden Tag an der Standfestigkeit arbeiten. Damals wurde der Wagen einmal kurz getestet und schon ging's ab zum Rennen. Daher war die Strandfestigkeit damals bei weitem nicht so gut wie heute", sagte De Cesaris dazu.

Andrea de Cesaris im froschgrünen Jordan 1991., Foto: Sutton
Andrea de Cesaris im froschgrünen Jordan 1991., Foto: Sutton

Nach den Alfa Romeo-Jahren wechselte Andrea de Cesaris 1984 zu Ligier-Renault - dort blieb er zwei Jahre, eroberte pro Saison drei WM-Zähler. Es folgte der Abstieg zu Minardi-Motori Moderni - dass er dort keinen einzigen WM-Punkt an Land ziehen konnte, verwundert nicht. Doch Andrea de Cesaris war eine Art von "Stehaufmännchen" - denn 1987 fuhr er immerhin einen Brabham-BMW. Allerdings konnte er auch damit nur vier Punkte einfahren - und so landete er 1988 im Rial-Ford, die darauf folgenden zwei Jahre saß er in einem Dallara-Ford der Scuderia Italia.

Begegnung mit Michael Schumacher

Just als man geglaubt hatte, Andrea de Cesaris würde bei der chaotischen Scuderia Italia-Truppe seine Formel 1-Karriere beenden, unterschrieb er beim neuen Team von Eddie Jordan. Es ging wieder aufwärts. In Spa erlebte De Cesaris dann eine "Begegnung der besonderen Art": Weil Teamkollege Bertrand Gachot nach einem Raufhandel mit einem Taxifahrer in Polizeigewahrsam verweilen musste, setzte Eddie Jordan einen Jungpiloten namens Michael Schumacher ins Auto. De Cesaris konnte sich noch gut daran erinnern: "Im Training war er um einen Hauch schneller als ich. Das Team kam zu mir und man fragte mich [verstellt die Stimme, d. Red.]: 'Wie ist das möglich? Der Typ ist sehr jung - und er scheint ein sehr schneller Fahrer zu sein." Naja und du kannst dir vorstellen: Ich war besorgt, ich grübelte: 'Wie ist das nur möglich?'"

Im Rennen jedoch erlebte De Cesaris eine späte Sternstunde, als er hinter Ayrton Senna auf Rang 2 lag. Freilich musste er später mit Motorschaden aufgeben. Zu seiner Begegnung mit Michael Schumacher sagte De Cesaris: "Einerseits hatte ich großes Glück, dass er bei diesem Rennen mein Teamkollege war. Andererseits war es auch großes Pech, plötzlich einen Teamkollegen zu haben, der ein solch schneller Fahrer ist - und niemand hat damals gewusst, dass er der erfolgreichste Fahrer der Welt werden würde." Ob er froh war, als Flavio Briatore den jungen Deutschen gleich für das nächste Rennen zu Benetton holte? De Cesaris überlegt: "Hmm - nein, eigentlich nicht."

Letzter Arbeitgeber - De Cesaris im Sauber 1994., Foto: Sutton
Letzter Arbeitgeber - De Cesaris im Sauber 1994., Foto: Sutton

Nach dem Jahr bei Jordan wechselte Andrea de Cesaris zu Tyrrell - dort gab es jedoch nur mäßigen Erfolg zu verbuchen. Konnte er 1992 immerhin noch, wie zuvor mit Jordan, den neunten WM-Endrang belegen, gab es 1993 keinerlei Ausbeute für den Römer, er konnte keinen einzigen WM-Punkt erobern.

1994: Letzte Saison bei Sauber

Und so stand De Cesaris im Jahr 1994 erstmals ohne Cockpit da - seine Formel 1-Karriere schien endgültig zu Ende zu sein. Doch ein letztes Mal gelang dem zähen Italiener, der danach die Liebe zum Windsurfen entdeckte, die Rückkehr in die Königsklasse. Er ersetzte zunächst für zwei Rennen Eddie Irvine bei Jordan, danach Karl Wendlinger bei Sauber-Mercedes, nach dessen schwerem Unfall in Monaco. In den verbleibenden elf Rennen holte De Cesaris vier WM-Punkte, verabschiedete sich als WM-19. endgültig aus der Formel 1.

Mit dem Surfen hielt sich der Italiener fit. Als die Grand Prix Masters-Serie zum Leben erweckt wurde, war Andrea de Cesaris sofort Feuer und Flamme und stieg wieder ins Cockpit. Eben wie ein Stehaufmännchen. Leider hatte er dieses Glück bei seinem Motorradunfall in der Nähe von Rom nicht.