Fernando, seit dem Grand Prix von China haben wir nicht viel von Dir gehört. Was hast Du gemacht?

Fernando Alonso: Die vergangenen Wochen waren einfach nur wunderbar. Ich habe viel Zeit mit meiner Familie und Freunden verbracht und dabei immer wieder die vielen speziellen Momente der vergangenen Saison Revue passieren lassen. Diese Auszeit war sehr wichtig, denn allzu viele Gelegenheiten dazu werde ich als amtierender Formel 1-Welmeister in der näheren Zukunft wohl nicht haben. Ich muss also den Augenblick genießen.

An welchen Moment der Saison 2005 erinnerst Du Dich besonders gerne?

Fernando Alonso: Es gibt so viele schöne Erinnerungen. Aber vor allem hat sich natürlich der Grand Prix von Brasilien in mein Gedächtnis gebrannt. Auch das Finale in China werde ich wohl nie vergessen. Einen Höhepunkt stellte auch der Frankreich-Grand Prix dar. Es war fantastisch, das Heimrennen von Renault vor tausenden von begeisterten Fans zu gewinnen.

Verrate uns doch bitte, was Dir in der letzten Runde beim Grand Prix von Brasilien durch den Kopf ging?

Fernando Alonso: Ich dachte nur an meine Reifen. Die hinteren Pneus waren absolut an der Grenze. Ich erinnere mich, wie ich meinen Renningenieur Rod Nelson über Funk fragte, wie groß mein Vorsprung auf Michael Schumacher hinter mir sei. Ich wollte meinen dritten Rang nicht auf den allerletzten Metern noch einbüßen. Und dann kam endlich die letzte Kurve...

Nach der Zieldurchfahrt hast Du zu allererst dem gesamten Team gedankt. Das schien Dir sehr wichtig zu sein...

Fernando Alonso: Das war für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich konnte in dieser Saison meinen Traum nur deshalb erreichen, weil hinter den Kulissen hunderte von Teammitgliedern extrem hart gearbeitet haben. Jeder einzelne von ihnen hat zu jeder Zeit dieses Quäntchen mehr gegeben, das den Unterschied ausmachte. Deswegen rief ich ihnen über per Funk zu: "Wir alle sind Weltmeister!" Und genau so ist es...

Deine Saison verlief irgendwie merkwürdig. Nachdem Du in den ersten Läufen sehr offensiv unterwegs warst, ließt Du es zur Saisonmitte deutlich konservativer angehen. War es für Dich nicht ziemlich schwierig, diese Strategie umzusetzen?

Fernando Alonso: Um ehrlich zu sein: Ja, es war enorm schwierig. Aber ich wusste, dass ich an das große Ganze denken muss. Natürlich hätte ich Risiken eingehen und versuchen können, jeden einzelnen Grand Prix zu gewinnen. Aber das wäre mit Blick auf die Weltmeisterschaft nicht klug gewesen. Wir sind zu Saisonbeginn gut aus den Startlöchern gekommen und konnten unseren Vorsprung über die Sommermonate souverän verteidigen.

Wie wirkte sich diese Herangehensweise für Dich als Fahrer aus?

Fernando Alonso: Ich habe in bestimmten Situationen einfach anders reagiert. Bei den Läufen in Großbritannien und Brasilien zum Beispiel habe ich in Zweikämpfen mit Juan Pablo Montoya jeweils zurückgesteckt. Nachdem ich den Fahrertitel sicher hatte, bin ich in Japan und China wieder ganz anders aufgetreten.

War das Überholmanöver gegen Michael Schumacher in Suzuka Dein persönliches fahrerisches Highlight der Saison?

Fernando Alonso: Auf jeden Fall. Da bin ich ein großes Risiko eingegangen - vielleicht sogar ein zu großes. Umso befriedigender war es für mich, dass es geklappt hat.

Wie bewertest Du die Leistung von Renault beim Saisonfinale in China?

Fernando Alonso: Es war natürlich ein fantastisches Wochenende. Wir befanden uns auf Augenhöhe mit McLaren und haben sie geschlagen. Und darauf kam es an. Vor der Schlussphase der Saison hatten die "Silberpfeile" in puncto Leistungsfähigkeit die Nase vorn, weil wir uns auf die Sicherung des Fahrer-Titels konzentrierten. Als wir den eingefahren hatten, gingen wir in puncto Chassis und Motor größere Risiken ein und konnten zeigen, dass wir mindestens gleichwertig waren.

Trotz Deines WM-Titels behaupteten in den vergangenen Wochen einige Formel 1-Beobachter immer wieder, Du seist nicht der beste Fahrer. Was denkst Du darüber?

Fernando Alonso: Ich glaube fast, das ist normal. Derartige Diskussionen tauchen immer wieder auf. Als Mikka Häkkinen 1998 und 1999 mit McLaren Weltmeister wurde, sagten auch viele, dass Michael Schumacher eigentlich der bessere Fahrer sei, der im schlechteren Auto sitze. Anfang der 90er Jahre war es dasselbe: Das Williams-Team dominierte, aber es hieß vielfach, dass Ayrton Senna eigentlich Weltmeister geworden wäre - wenn er denn in einem Williams-Rennwagen gesessen hätte. Um Champion zu werden, muss nun einmal alles stimmen. Der beste Fahrer muss zum richtigen Moment im richtigen Auto sitzen. Dies war in diesem Jahr der Fall: Die Kombination aus Renault R25 und Fernando Alonso stellte 2005 einfach die beste Kombination dar.

Wie geht es nun für Dich weiter?

Fernando Alonso: Kommende Woche steht für mich ein Testtag in Spanien auf dem Programm. Dabei sammle ich erste Erfahrungen mit dem neuen Achtzylinder. Die Testarbeit mit dem neuen Renault R26 beginnt im Januar. Mit Blick auf die kommende Saison gibt es für niemanden irgendwelche Erfolgsgarantien, denn dank des neuen Motorenreglements fangen alle bei null an. Aber ich denke, dass das Renault F1-Team mit den Vorbereitungen momentan sehr gut im Plan liegt.