Welche Aufgaben haben Sie als Vizepräsident von Honda Racing Development?

Otmar Szafnauer: Im Wesentlichen erfülle ich drei sehr unterschiedliche Funktionen für HRD. Erstens vertrete ich Honda bei der FIA in der Formel 1, so dass ich beispielsweise zu den Versammlungen der Engine Working Group gehe. Zweitens bin ich der Honda-Sprecher bei allen offiziellen FIA-Pressekonferenzen und repräsentiere Honda bei allen nicht-japanischen Medien. Drittens bin ich im Rahmen meiner Rolle und Funktion innerhalb der Organisation ein Vorstandsmitglied des Honda Racing F1-Teams. Im Vorstand treffen wir die wichtigen Entscheidungen, die die künftige Richtung des Teams betreffen. Außerdem bin ich persönlicher Berater von Herrn Wada, dem Präsidenten von HRD.

Wie sehen aus Sicht der Fans die größten Unterschiede für das Team aus, nachdem Honda alle Anteile am Rennteam erworben hat?

Otmar Szafnauer: Die größten Unterschiede betreffen die finanzielle Stabilität des Teams, da Honda größere Mittel zur Verfügung stellen kann. Deshalb werden wir noch leistungsstärker. Der neue hochmoderne Windtunnel ist nur ein Beispiel. Er wird Mitte des nächsten Jahres fertig sein. Wenn uns der Tunnel und die größeren Honda-Mittel zur Verfügung stehen, werden die Fans künftig ein wettbewerbsfähigeres Team erleben, das Rennen gewinnen und um Weltmeisterschaftstitel kämpfen wird.

HRD befindet sich in Bracknell, nur 100 km entfernt vom Hauptquartier des Honda Racing F1-Teams in Brackley. Gibt es jetzt, wo Honda alle Anteile am Team besitzt, irgendwelche Pläne, die Motorentwicklungsstätte nach Brackley zu verlagern?

Otmar Szafnauer: Wir haben über diese Möglichkeit nachgedacht, aber es gibt derzeit keine Pläne, HRD in Brackley zu integrieren. Die Einrichtung wird in Bracknell bleiben, da die Entfernung ja auch nicht so groß ist. Wenn wir außerdem künftig Motoren an mehr als ein Team liefern werden, könnte es für HRD sinnvoller sein, einen separaten Standort von der Honda Racing F1 Team-Zentrale in Brackley zu haben. Für die nächste Zukunft haben wir jedenfalls keine Umzugspläne.

Ist Hondas kürzlich erfolgte Investition in das Team ein deutliches Zeichen dafür, dass das Unternehmen langfristig an der Formel 1 teilnehmen wird?

Otmar Szafnauer: Honda engagiert sich in hohem Maße im Motorsport - sei es in der Formel 1 oder in der MotoGP. Die Teilnahme an internationalen Rennen gehört zu unserer ureigensten Firmenphilosophie. Der Firmengründer Herr Honda wurde einmal gefragt: 'Warum nehmen Sie an den Rennen auf der Isle of Man teil, statt erst einmal in Japan Rennen zu gewinnen?' Herr Honda erwiderte, dass Honda nach einem Sieg auf der Isle of Man, dem wichtigsten Motorradrennen der damaligen Zeit, auch in Japan die Nummer 1 wäre. Er wollte immer an den besten Rennen teilnehmen und dort erfolgreich sein, und an diesen Zielen hat sich bei Honda bis heute nichts geändert.

Wie Sie bereits angedeutet haben, ist Honda sehr stolz auf die bisherigen und derzeitigen Erfolge im internationalen Motorsport. Weshalb ist es für Honda so wichtig, sich mit anderen Teams zu messen?

Otmar Szafnauer: Ergänzend zu dem, was ich bereits gesagt habe, ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass unser Gründer Soichiro Honda zuerst Rennfahrer war und erst danach mit der Produktion von Motorrädern und Autos begann. Ich finde es faszinierend, dass die ursprüngliche Unternehmensphilosophie so viele Jahre lang bis zum heutigen Tag angehalten hat. Die Ursachen dafür sind die Bedeutung, die Honda dem Rennsport beimisst und die Menschen, die das Unternehmen einstellt. Wir bekommen immer Mitarbeiter, in denen ein gesunder Wettbewerbsgeist wohnt.

Yasuhiro Wada hat vor Kurzem angedeutet, dass leistungsreduzierte V10-Motoren die neuen Motorregeln besser erfüllen könnten als die neue Generation von V8-Motoren. Teilen Sie diese Ansicht, und was kann vor Bahrain getan werden, um mögliche Probleme zu lösen?

Otmar Szafnauer: Die FIA hat das Recht, die maximale Zahl der Kurbelwellenumdrehungen des V10-Motors jederzeit zu ändern, und sie hat gesagt, dass V10-Motoren niemals einen Vorteil gegenüber V8-Motoren haben würden. Beim heutigen technischen Stand in Bezug auf Drehzahlbegrenzer und spezielle Luftfilter gibt es jedoch keine Zweifel daran, dass der V10 dem V8 leistungsmäßig überlegen ist. Die FIA nimmt sich das Recht, Änderungen ohne vorherige Ankündigung vorzunehmen, und da sie sich aus Sicherheits- und Kostengründen für V8-Motoren entschieden hat, bin ich zuversichtlich, dass die derzeitigen Probleme vor Beginn der nächsten Saison ausgeräumt sein werden.

Sie haben das mit V8-Motor ausgestattete Conzept-Car bereits erwähnt. Sind Sie mit der derzeitigen Leistung zufrieden?

Otmar Szafnauer: Die gute Nachricht ist, dass wir bereits Testfahrten unternehmen können – wobei wir uns allerdings weniger auf die Leistung, sondern vor allem auf die Zuverlässigkeit der Kraftübertragung konzentrieren. Zu diesem Zweck haben wir den Motor und das Getriebe für 2006 in die vordere Hälfte des diesjährigen Rennwagens transplantiert. Getriebe und Motor haben sich als zuverlässig erwiesen, und das war auch unsere Hoffnung. Wir führen unsere Tests durch, damit wir bei auftretenden Problemen den Entwicklungszyklus erneut beginnen können... obwohl man natürlich immer hofft, dass das nicht nötig sein wird. Wir glauben, dass das Conzept-Car den besten Kompromiss darstellt: Es ermöglicht uns frühzeitige Testfahrten, damit wir alle Probleme lösen können, bevor wir den Wagen bei Rennen einsetzen, und die Aerodynamiker haben so die Möglichkeit, so lange wie möglich an dem neuen Wagen zu arbeiten. Es wäre nicht sinnvoll, wenn der Motor und das Getriebe – die beiden technisch kompliziertesten Teile des Paketes - warten müssten, bis der restliche Wagen fertig ist, und die Entwickler benötigen so viel Zeit wie möglich, um die besten Lösungen zu finden. Mit Hilfe des Hybrid-Cars können wir beide Ziele gleichzeitig erreichen.

Letzte und vielleicht wichtigste Frage: Wann erwartet Honda, Formel 1-Rennen gewinnen zu können?

Otmar Szafnauer: Wir möchten 2006 schon Rennen und 2007 die Meisterschaft gewinnen - das sind unsere Ziele. Der neue Windtunnel wird in der nächsten Saison fertig sein, und das dürfte uns bei der Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte 2006 und bei der Planung des Rennwagens für 2007 helfen. Wir haben unsere Ziele grob an diese Zeiträume angepasst.