Irgendwann im Frühjahr: FIA-Präsident Max Mosley gibt dem Österreichischen Rundfunk ein Interview. Der Brite beherrscht auch ein wenig die deutsche Sprache und freut sich diebisch, das jetzt vor der Kamera unter Beweis stellen zu dürfen - auch wenn es noch nicht wirklich perfekt klingt. "Wia missen ouf di Püblikum heren", sagt Mosley, der zu diesem Zeitpunkt bereits die Ergebnisse seiner ersten Fanbefragung in Händen hält - ein vernichtendes Urteil über den Status Quo der selbsternannten "Königsklasse des Automobilrennsports". Eine große Mehrheit deklarierte ihre Unzufriedenheit, wünschte sich mehr Überhol-Action, sprach sich entschieden gegen Fahrhilfen und den aktuellen Qualifying-Modus aus. Satte 70 Prozent erklärten ihre Unzufriedenheit mit dem gegenwärtig praktizierten Einzelrunden/Rennsprit-Qualifikationsmodus.

Als die Formel 1 das Internet entdeckte

Die Herren Entscheidungsträger wurden damals zunächst ein bisschen wachgerüttelt. Bernie Ecclestone nützte nun seine offizielle Formel 1-Website für eine weitere Publikumsbefragung und ließ über verschiedene Qualifikations-Modi abstimmen - die Formel 1 hat das Internet als interaktives Medium entdeckt - und das im Jahr 2005. Doch nach zwei Wochen war die Abstimmung nicht mehr zu finden, das Thema wurde verdrängt von wichtigeren Fragen - wie beispielsweise dem ab 2008 zum Einsatz kommenden Reglement. Als dann einige Zeit verging, meldeten sich die Techniker der Königsklasse zu Wort und überreichten eine kleine Hiobsbotschaft: Weil man die Autos für 2006 bereits gezeichnet habe, könne der Quali-Modus für 2006 nicht mehr geändert werden, es müsse weiterhin mit Rennsprit gefahren werden. Jene 70 Prozent, die mit dem aktuellen Modus rein gar nichts anfangen können, waren also schnell wieder vergessen...

Lippenbekenntnis vom Parc Fermé-Fan - doch Bernie hat genug., Foto: Sutton
Lippenbekenntnis vom Parc Fermé-Fan - doch Bernie hat genug., Foto: Sutton

Doch nicht ganz - denn Zirkusdirektor Bernie Ecclestone gehört ebenfalls zu jenen Menschen, die dem aktuellen Qualifikationsmodus wenig bis gar nichts abgewinnen können. Und nicht wenige Entscheidungsträger denken so - dennoch konnte sich die Formel 1 in ihrer handgestrickten Bewegungslosigkeit (Concorde-Abkommen) bislang zu keiner Entscheidung durchringen. Im Rahmen des Brasilien-Grand Prix gab es ein Meeting der Teamchefs mit Ecclestone - dabei wurde ein Knock Out-Qualifying besprochen, welches auf jenem Vorschlag beruht, welchen Ecclestone im Rahmen seiner Umfrage höchstpersönlich einbrachte.

Unmöglichkeit Low Fuel?

Das Problem dabei: Bei dem erwähnten KO-Modus sollen nicht nur zunächst alle Fahrzeuge beliebig viele Runden drehen dürfen, sondern es soll auch mit Low Fuel, also mit fast leeren Tanks, gefahren werden - was exakt jenen Wünschen entsprechen würde, welche die Mehrheit der Formel 1-Fans im Rahmen der FIA-Umfrage geäußert hat. Die Techniker sagen: Low Fuel ist mit den Autos für 2006 nicht durchführbar! Dabei stellt sich die Frage: Wo liegt das Problem? Warum können diese Autos nicht mit wenig Sprit auf Zeitenjagd gehen? Es hat ja auch in diesem Jahr, als das Qualifying zweigeteilt wurde und am Samstag mit Low Fuel gefahren wurde, funktioniert...

Ecclestone: Ich will nicht mehr diskutieren!

Wie auch immer - Bernie Ecclestone versuchte in Brasilien, einen Kompromiss auszuhandeln - eine Mischung aus Low Fuel und Rennsprit-Modus. Doch bekanntlich kam es auch in Interlagos zu keiner Lösung. Jetzt soll Ecclestone endgültig genug haben von der Ratlosigkeit der Entscheidungsträger.

Frank Williams wird für den Ecclestone-Modus stimmen., Foto: Sutton
Frank Williams wird für den Ecclestone-Modus stimmen., Foto: Sutton

Die Kollegen von Auto, Motor und Sport zitieren den 75jährigen Briten mit den Worten: "Ich will nicht mehr diskutieren!" Der frühere "Diktator" soll laut dem Bericht schon in der kommenden Woche bei der FIA ein Qualifying-Konzept einreichen - im Alleingang! Sollte Ecclestone 18 von 26 Stimmen erlangen, könnte sein Modus bis spätestens 31. Oktober 2005 vom FIA-Weltrat abgesegnet werden und so im kommenden Jahr zum Einsatz kommen.

Der Ecclestone-Modus im Detail

Der Vorschlag von Bernie Ecclestone im Detail: 15 Minuten lang dürfen alle Piloten mit freier Benzinmenge auf Zeitenjagd gehen. Danach folgt eine fünfminütige Pause für die TV-Werbung, die fünf langsamsten Piloten scheiden aus. Nach der Pause gehen die 15 verbliebenen Fahrer abermals für 15 Minuten auf Zeitenjagd, danach wieder fünf Minuten Werbepause. Im Anschluss folgt dann 20 Minuten lang das Topqualifying mit den zehn verbliebenen Piloten. Bei jedem Durchgang dürfen neue Reifen montiert werden. Die Top 10-Fahrer müssen mit jenen Pneus im Rennen antreten, mit denen sie das Top 10-Quali bestritten haben - die Bottom 10-Fahrer, die zuvor ausgeschieden sind, dürfen für das Rennen frische Reifen verwenden. Prinzipiell sollen Reifenwechsel im Rennen wieder erlaubt sein - allerdings dürfen stets nur jene Gummis zum Einsatz kommen, die zuvor im Qualifying verwendet wurden.

Williams: Unsere Stimme hat er!

Die Chancen, dass Bernie Ecclestone die verlangten 18 Stimmen erhält, werden allgemein als gut bewertet. Denn bislang waren es die kleinen Privatteams wie Minardi oder Jordan, welche sich gegen eine Abschaffung des Einzelrundenmodus ausgesprochen haben, da sie mit diesem Modus gegenüber ihren Sponsoren eine garantierte TV-Zeit vorweisen konnten. Doch diese Privatställe wurden mittlerweile verkauft - und es ist anzunehmen, dass sich beispielsweise Red Bull- und Minardi-Besitzer Dietrich Mateschitz für den aufregenden KO-Modus entscheiden wird. Alt-Racer und Neo-Privatier Sir Frank Williams hat bereits reagiert: "Unsere Stimme hat Ecclestone!"

Dürfen sich also Anfang November doch noch 70 Prozent der Formel 1-Freunde über einen neuen, aufgrund des harten KO-Modus Spannung und bunte Startaufstellungen versprechenden und zugleich das Kräfteverhältnis mittels Low Fuel widerspiegelnden Qualifikationsmodus freuen?