Wenn die Taktiker der Formel-1-Teams die Strategie fürs Rennen festlegen, haben sie auch beim Grand Prix von Japan nicht nur Startposition und Benzinverbrauch im Blick. Das Wetter spielt in ihren Überlegungen ebenfalls eine wichtige Rolle. Damit sie keine unangenehmen Überraschungen erleben, investieren die Teams viel Zeit und Geld in Wettervorhersagen, auf die sie sich verlassen können.

Grand Prix von Japan 2004: Als über den Suzuka Racing Circuit am Freitag vor dem Rennen die Dunkelheit hereinbrach, wurde das Fahrerlager sturmfest gemacht. Mit Seilen und Netzen sicherten die Teams Kisten und Container. Vor der Küste lauerte der Taifun Ma-on und schickte schon den ganzen Tag heftige Regenschauer übers Land, die auch die Rennstrecke unter Wasser setzten. Die Folge: Erstmals in der Geschichte der Formel 1 wurde am Samstag nicht gefahren und das Qualifying auf Sonntag verschoben. Auch in diesem seltenen Fall galt: Safety first.

Wie wird das Wetter diesmal?, Foto: Allianz
Wie wird das Wetter diesmal?, Foto: Allianz

Nicht immer wird den Wetterfröschen der Teams von solchen Naturgewalten die Arbeit abgenommen. Weil das Wetter auch in der Formel 1 macht, was es will, ist ihr Job ein sehr filigraner und einer der undankbarsten in der Königsklasse, für den nur selten der verdiente Lohn winkt. Wenn in den Tagen vor dem Rennen auf ihren Laptops aus den verschiedensten Quellen alle relevanten Wetterdaten eintreffen, müssen sie aus der Vielzahl der Informationen die richtigen Schlüsse ziehen. Weil von ihrer Vorhersage sehr viel abhängt, eine falsche Einschätzung fatale Folgen für das Abschneiden im Rennen haben kann, müssen sie bei ihrer Arbeit nicht nur die Performance, sondern auch die Sicherheit im Auge haben.

"Die Wettervorhersagen sind in den letzten Jahren zu einem wichtigen Bestandteil der Rennstrategie geworden", sagt Dickie Stanford, Teammanager von WilliamsF1. Was er und seine Kollegen für ihre Teams zusammenstellen, hat nur noch wenig mit dem Wetterbericht zu tun, wie er tagtäglich in den Fernsehnachrichten verkündet wird. Sie sollen nicht nur vorhersagen, ob es regnet, sondern auch, wann genau es regnen wird und wie lange, welche Temperaturen herrschen werden, ob es Wind geben wird und wenn ja, mit welchen Geschwindigkeiten er aus welcher Richtung wehen wird.

Das F1-Fahrerlager ist auf alles vorbereitet., Foto: Sutton
Das F1-Fahrerlager ist auf alles vorbereitet., Foto: Sutton

Was ihre Arbeit darüber hinaus erheblich erschwert, ist die Tatsache, dass sie ihre Vorhersagen für ein sehr präzises Gebiet treffen sollen, nämlich die Rennstrecke, und für ein vergleichsweise enges Zeitfenster von rund 90 Minuten, die ein Grand Prix ungefähr dauert. An dem nötigen Respekt für ihre Arbeit fehlt es angesichts dieser Anforderungen nicht. Dickie Stanford: "Die Teams bauen ihre Rennstrategie voll und ganz auf diese Vorhersagen auf."

Ist die Großwetterlage erst einmal geklärt, verlangen die Strategen an der Boxenmauer nach Details. Falls Regen vorausgesagt ist, wollen sie gerne auch noch wissen, welche Temperatur er haben wird. Das interessiert besonders die Motorenleute, da Benzin bei unterschiedlichen Regentemperaturen unterschiedlich verbrennt und entsprechend gemixt werden muss. Um bei ihren Vorhersagen eine möglichst hohe Trefferquote zu erreichen, betreiben die Teams einen großen Aufwand.

Alles in Deckung: Ma-On naht!, Foto: Sutton
Alles in Deckung: Ma-On naht!, Foto: Sutton

Für WilliamsF1 sammelt die englische Meteo-Firma "Weather Eye" alle relevanten Daten und sendet sie an die kleine Wetterstation, die das Team bei jedem Rennen in der Boxengasse aufbaut. Einige Teams vertrauen auf mobile Radarstationen auf Hügeln in der Nähe der Strecke, andere haben ständig einen Hubschrauber in der Luft, der auch schon mal vor einer Regenfront herfliegt, um festzustellen, wie schnell sie sich auf die Rennstrecke zu bewegt. Durch die Vernetzung der verschiedenen Informationssysteme erhält man inzwischen auch für kurzfristige Wetteränderungen meistens extrem genaue Vorhersagen. Dickie Stanford: "Das geht so weit, dass man bei manchen Rennstrecken fast auf die Minute genau sagen kann, in welcher Kurve es zuerst regnen wird."

In der Vergangenheit hatten die Teams viele Möglichkeiten, das Setup ihrer Autos einem Regenrennen anzupassen. Unter den bestehenden Regeln sind die erlaubten Veränderungen dagegen minimal, was eine möglichst präzise Wettervorhersage nur noch wichtiger macht, vor allem auch, weil die Autos so zum Rennen starten müssen, wie sie das Qualifying gefahren sind. Dass die Autos kaum noch für Regen abgestimmt werden, sorgt unter Umständen aber auch für interessante Rennen, weil es deutlich stärker auf die Qualitäten der Fahrer ankommt. Die müssen nicht nur ein schwieriger zu fahrendes Auto am Limit bewegen, sondern auch mit den sich ständig verändernden Haftungsgraden zurecht kommen.

Suzuka war für Ma-On bereit. Aber Ma-On kam nicht., Foto: Sutton
Suzuka war für Ma-On bereit. Aber Ma-On kam nicht., Foto: Sutton

Bei wechselhaftem Wetter entscheidet auch die richtige Reifenstrategie über Sieg oder Niederlage. Wie alle im Team tun auch die Wettermänner ihr Bestes, liegen mit ihren Prognosen aber nicht immer richtig. "Eine präzise Vorhersage", sagt Dickie Stanford, "ist trotz der hoch entwickelten Computertechnik immer noch sehr schwierig." Den Wetterfröschen der Formel 1 ist es deshalb gar nicht so unrecht, wenn ihnen gelegentlich, wie letztes Jahr in Japan, die Natur die Arbeit abnimmt. Es muss ja nicht gleich ein ausgewachsener Taifun sein...

Wussten Sie schon...

... dass von den 748 Formel-1-Rennen, die seit 1950 ausgetragen wurden, neun wegen Regens vorzeitig abgebrochen werden mussten? Das erste waren 1950 die damals zur Formel-1-Weltmeisterschaft zählenden 500 Meilen von Indianapolis, als Sieger John Parsons schon nach 354 Meilen die Zielflagge sah. Das vorläufig letzte war der Grand Prix von Monaco 1997, bei dem für Sieger Michael Schumacher nach 62 von 78 Runden vorzeitig Schluss war.